Bargteheide. Eine Agentur aus Potsdam füllt die Art-Box regelmäßig mit Werken im Hosentaschenformat. Bald soll es sie sogar in Neuseeland geben.
Nicht nur passionierte Raucher werden sich verwundert die Augen reiben. Automaten, aus denen früher Zigaretten purzelten, bergen heute immer öfter eine Vielzahl kleiner Kunstwerke im Hosentaschenformat. Ein Beispiel für die gelungene Metamorphose jener antiquierten Tabaktresore findet sich neuerdings im Innenhof des Bargteheider Rathauses. „So ein Kunstautomat schafft nicht nur einen neuen Zugang zu künstlerischen Werken. Er ist zugleich eine aufregende Möglichkeit, jungen Menschen Kunst näher zu bringen “, sagt Daniela Nährig.
Fast 100 Schüler der Klassen fünf bis zwölf beteiligten sich
Die Lehrerin am Kopernikus-Gymnasium Bargteheide (KGB) hatte das Projekt der Agentur Kunsttick aus Potsdam bereits vor einigen Jahren in ihrer Heimatstadt Bremen entdeckt. Als sie im September 2019 bei der Kunstaktion „Offene Ateliers Stormarn“ in Reinfeld auf den Kunstautomaten am Atelier der Künstlerin Inken Kramp stieß, reifte der Entschluss, solch einen Automaten auch für Bargteheide zu organisieren.
Schnell konnte sie viele ihrer Schüler begeistern, selbst kleine Kunstwerke beizusteuern. Am Ende beteiligten sich fast 100 Schüler der Klassenstufen 5, 7, 9, 11 und 12, die nun mit 90 kleinen Kunstwerken im Automaten vertreten sind. „Sie waren wirklich voller Eifer, Kreativität und Stolz bei der Sache“, berichtete Daniela Nährig.
Lehrerin stellte Fotos auf – stellvertretend für Schüler
Entstanden sind zumeist Zeichnungen, Aquarelle und Collagen passend zum Jubiläum, feiert Bargteheide doch in diesem Jahr die Verleihung der Stadtrechte vor 50 Jahren. „Was für eine wunderbare Idee, die geradezu perfekt in diese Zeit passt“, sagte Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht bei der Präsentation. Da sei zum einen die wichtige Rückbesinnung auf die Kunst in diesen Wochen der Corona-Krise. „Zum anderen ist der Automat natürlich ein schönes Geschenk zu unserem Stadtjubiläum.“
Wegen der weiterhin geltenden Abstands- und Schutzregeln sind die kleinen Künstler der Einweihung des Automaten jedoch ferngeblieben. Doch stellvertretend für alle, die sich beteiligt haben, hatte Lehrerin Daniela Nährig fünf Fotos jener Schüler aufgestellt, die ihr auch persönliche Statements mit auf den Weg gaben.
Erlöse aus Automaten werden an Partnerschule gespendet
„Die Arbeit an den Art-to-go-Karten hat mir viel Spaß gemacht“, schrieb etwa Neuntklässlerin Lena. „Vor allem in Zeiten von Corona war die Aufgabe eine gute Möglichkeit, sich abzulenken.“ So hätte sie viel Zeit gehabt, über das passende Design ihrer Arbeit nachzudenken und neue Techniken auszuprobieren. „Am besten gefällt mir aber, dass unsere Erlöse aus dem Kunstautomaten an unsere Partnerschule in Tansania gespendet werden“, fügte Lena noch hinzu.
Siebtklässlerin Kaja gestand, dass sie die Arbeit an den Kärtchen inspiriert habe, näher über Bargteheide und die Stadt umgebende Natur nachzudenken. Und Siebtklässlerin Birgit schwärmte, sie habe ihrer Fantasie „freien Lauf lassen“ und sich auf diese Weise in eine andere Welt fallenlassen können.
Zwei Automatenschächte bestücken Bargteheider Künstler
Lars Kaiser, Projektleiter und Initiator der Kunstautomaten, zeigte sich denn auch beeindruckt vom Einfallsreichtum und Engagement der KGB-Schüler. „Schließlich ist es ja nicht ganz einfach, seinen kreativen Drang auf einen Kunstraum von 5 x 8 x 2 Zentimetern zu limitieren“, so der 45-Jährige.
Dabei haben sich die KGB-Schüler jedoch dermaßen ins Zeug gelegt, dass die Potsdamer Agentur dem Gymnasium statt einem der sechs Automatenschächte gleich zwei überlassen hat. Zwei weitere wurden von Tom Stellmacher und Lucia Schopp von dem im alten Stellwerk ansässigen Bargteheider Kunstkreis bestückt. „Zwar haben wir insgesamt 17 Mitglieder“, erklärte Stellmacher. „Die meisten bereiten sich aber gerade auf eine größere Ausstellung vor“. Die restlichen beiden Schächte wurden durch die Agentur Kunsttick mit Werken von regionalen und überregionalen Künstlern gefüllt. „Ich denke, so haben wir eine gute Mischung für den Bargteheider Automaten gefunden“, sagt Kaiser.
Initiator Lars Kaiser sichert sich alte Kästen für sein Projekt
Angefangen hatte der 45 Jahre alte Kunstorganisator 2001 mit einem alten Blumenautomaten an seiner Galerie in Berlin. „Die Idee kam so gut an, dass ich bald auf Zigarettenautomaten umgestellt habe, weil sich die einfach leichter beschaffen lassen“, erzählt Kaiser. Wenn sich irgendwo in Deutschland Automatenhändler aus dem Geschäft zurückziehen, ist er zur Stelle, um die alten Kästen für sein Kunstprojekt zu sichern.
In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Idee rasant verbreitet. Inzwischen hängen bereits mehr als 230 der umfunktionierten Automaten in 30 Städten von fünf europäischen Ländern – demnächst sogar in Neuseeland. Der Agentur liegen drei Anfragen aus Christchurch und Auckland vor. „Es ist schön, dass sich die Idee nun sogar auf andere Kontinente fortpflanzt“, sagt Lars Kaiser. Die Möglichkeit, für einen Stückpreis von nur vier Euro kleine, originelle Unikate als Geschenke oder Mitbringsel ordern zu können, begeistert zunehmend Menschen auf der ganzen Welt.