Ahrensburg. Dehoga-Chef Axel Strehl schreibt Brandbrief an Landesregierung. Viele Wirte versuchen, Verluste durch Außer-Haus-Angebote zu lindern.
In der kommenden Woche soll das Geschäftsleben langsam wieder auf Touren kommen. Geschäfte mit einer Größe von bis zu 800 Quadratmetern dürfen dann wieder öffnen, sofern die Abstands- und Hygienegebote eingehalten werden können. Davon ausdrücklich ausgenommen sind Hotels und Gaststätten. „Das ist kaum nachvollziehbar, zumal der wirtschaftliche Druck in unseren Betrieben mit jedem Tag wächst“, sagt Axel Strehl, Chef des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Schleswig-Holstein. In einem Brandbrief hat er sich jetzt an Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) gewandt. „Auch unsere Branche braucht jetzt dringend eine Perspektive“, so Strehl.
Wirte bieten Reduzierung ihrer Tische um 50 Prozent an
Seiner Ansicht nach seien die Abstandsregelungen in der Gastronomie besser umsetzbar als in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. Der Einlass ließe sich in Restaurants mindestens ebenso regulieren wie bei Geschäften des Einzelhandels. Und in den Gaststuben selbst könne die Kapazität leicht durch Stilllegung oder Entnahme von Tischen reduziert werden. „Moderate Lockerungen der Beschränkungen müssen deshalb auch in unserem Gewerbe möglich sein“, fordert Strehl.
Zwischen 700 und 1000 Gäste lassen sich im „Il Grappolo“ in Großhansdorf pro Woche normalerweise Pizza und Pasta schmecken. Jetzt sitzt Wirt Arsim Arifi allein in seinem Restaurant, das er seit 19 Jahren betreibt. „Wir hatten gehofft, in der kommenden Woche wieder öffnen zu können und sind nun enttäuscht“, sagt er. Die finanziellen Einbußen seien enorm. Zwar biete sein Team täglich zwischen 12 und 21 Uhr einen Außer-Haus-Verkauf an. „Aber von den Einnahmen können wir uns nicht lange über Wasser halten“, so Arifi. Dabei sei es gar kein Problem, die Abstandsregeln im „Il Grappolo“ einzuhalten. „Wir könnten die Zahl der Plätze innen sofort von 140 auf 50 reduzieren, damit wäre uns schon geholfen“, erklärt er.
Gastronomen achten darauf, dass Gäste zeitversetzt kommen
Veauli ist seit 2002 Chef des indischen Restaurants „Taj Mahal“ in Ahrensburg. „Es ist eine schwierige Zeit, der Umsatz ist um mindestens 70 Prozent eingebrochen“, sagt der 62-Jährige. Drei festangestellte Mitarbeiter habe er in Kurzarbeit schicken müssen und stehe nun sieben Tage pro Woche von 11 bis mindestens 22 Uhr im Restaurant, um telefonische Bestellungen zu bearbeiten. Mit seinem kostenlosen Lieferservice versorgt Veauli auch Kunden in Großhansdorf, Bargteheide, Hoisdorf, Hammoor, Ammersbek und Volksdorf.
„Für uns würde sich das nicht lohnen, deshalb haben wir davon Abstand genommen“, sagt dagegen Kristian Harms, dessen Familie das Restaurant „Zum Dorfkrug“ in Ammersbek führt. Die Gäste des Lokals müssen trotzdem nicht auf ihre Lieblingsspeisen verzichten, können von Donnerstag bis Montag zwischen 11 und 20 Uhr anrufen und ihre Bestellungen dann zu einer vereinbarten Zeit im Restaurant abholen. „Wir achten darauf, dass die Gäste zeitversetzt kommen und nicht Schlange stehen müssen, um niemanden zu gefährden“, sagt der 33-Jährige. Bis zu 100 Essen würden das Restaurant pro Tag verlassen. Besonders beliebt sei die halbe Ente gebraten mit Rotkohl und Kroketten.
Im Dorfkrug Ammersbek packt die ganze Familie mit an
„Wahrscheinlich läuft es auch deshalb gut, weil wir gleich nach der Schließung Klinken putzen gegangen sind und alle Nachbarn informiert haben“, vermutet Kristian Harms. Zudem packten in dem Familienbetrieb neben Vater Peter, dem Chef und Eigentürmer, auch Mutter Cornelia sowie die beiden Geschwister Nele und Lennart mit an. Von den zwölf Mitarbeitern seien momentan aber nur zwei Köche im Einsatz,
Zivko Bilic betreibt mit Bruder Ljubo seit 2013 das „Rio Grande Rodizio“ am westlichen Ortsausgang von Grönwohld. Vor zwei Jahren haben sie das Hotel mit 20 Zimmern und großer Gaststube gekauft. Doch seit vier Wochen bleiben die 150 Plätze im Restaurant leer. „Wenigstens konnten wir einige Zimmer an Monteure der Strabag vermieten, die am Ausbau der Bundesstraße 404 beteiligt sind. Doch das reicht natürlich hinten und vorne nicht, um unsere Kredite planmäßig zu tilgen“, berichtet Bilic.
Lütjenseerin hat Verständnis für massive Einschränkungen
Den Außer-Haus-Verkauf haben sie nach einer Woche wieder eingestellt. „Für zwei bis drei Bestellungen pro Tag rentiert es sich einfach nicht, die Küche in Betrieb zu nehmen“, sagt Bilic. So haben sie alle 16 Mitarbeiter ihres Teams aus sieben Nationen in Kurzarbeit geschickt. „Wir hätten sofort die Hälfte aller Tische rausgeschafft, um wieder loslegen zu können. Dass sich stattdessen die Leute in den Baumärkten und anderswo auf engstem Raum drängen dürfen, empfinden wir als ungerecht“, so Zivko Bilic.
Karoline Henning leitet seit 1996 das „Landhaus Schäfer“ in Lütjensee, das ihre Eltern vor 50 Jahren übernommen haben. Sie hat Verständnis für die massiven Einschränkungen. „Es gibt doch kaum Erfahrungen mit solch einer Pandemie. Also lieber noch zwei Wochen die Füße stillhalten, bevor die nächste große Infektionswelle das Land erfasst“, sagte die 58-Jährige dem Abendblatt.
Gewerkschaft NGG fordert 80 Prozent Kurzarbeitergeld
Seit sie ihre zehn Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste, steht die Chefin wieder selbst am Herd: „Jetzt zahlt sich aus, dass ich gelernte Köchin bin.“ Das ganze Haus zu schließen, habe sie nicht übers Herz gebracht. Deshalb bietet sie nun täglich zwischen 17 und 20 Uhr fünf verschiedene Schnitzel-Versionen an. Die können auf Vorbestellung auch mittags geordert werden, müssen aber selbst abgeholt werden. „Wir haben viele treue Kunden, die unsere Küche schätzen und uns über die sozialen Netzwerke weiterempfehlen“, so Karoline Henning.
Unterdessen hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds für Beschäftigte im Gastgewerbe auf mindestens 80 Prozent, für Eltern auf 87 Prozent, gefordert. „Mit 60 Prozent des bisherigen Lohns auszukommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit“, mahnt NGG-Geschäftsführerin Silke Kettner. Corona dürfe nicht zur Katastrophe für diejenigen werden, die ohnehin jeden Cent zweimal umdrehen müssen.