Bad Oldesloe. Behörde vergibt Termine nur noch online und hat wegen der Coronakrise nicht wie gewohnt geöffnet. Mitarbeiter werden beschimpft.
Wer sein Auto ummelden oder ein neues Fahrzeug zulassen möchte, braucht derzeit viel Geduld. Die Kreisverwaltung hat wegen der Coronapandemie nicht in vollem Umfang geöffnet. Termine für die Straßenverkehrsbehörde werden ausschließlich online vergeben. Da die Mitarbeiter in zwei Schichten eingeteilt werden, nur neun von vormals 18 Schreibtischen besetzt sind, können nur 40 Prozent der Zulassungsfälle abgearbeitet werden. Besonders schlecht sieht es für Privatpersonen aus, die sich auf lange Wartezeiten einstellen müssen.
Großteil des Geschäfts über Laufkundschaft abgewickelt
„Wir werden täglich von Beschwerden überhäuft, teils mit heftigen Beschimpfungen“, sagt Dirk Willhoeft, Fachdienstleiter bei der Kfz-Zulassungsstelle des Kreises in Bad Oldesloe. „Doch so sehr ich den Unmut der Menschen verstehen kann, dient unsere Vorgehensweise eindeutig dem Schutz der Bevölkerung und unseren Mitarbeitern.“
Zuvor sei ein Großteil des Geschäfts über Laufkundschaft abgewickelt worden. Die genauen Zahlen konnte Willhoeft nicht nennen. Nur wer langfristig planen wollte, habe sich einen Termin geben lassen. Doch genau dieses Vorgehen sei nun nicht mehr möglich, da die Behörde die Besucherströme nicht gelenkt bekomme. Willhoeft sagt: „Wir versuchen damit, den Betrieb dauerhaft aufrecht zu erhalten. Niemand hätte etwas davon, wenn alle Mitarbeiter 14 Tage in Quarantäne geschickt würden.“
Viele Kunden bekommen zunächst eine Absage
Wer einen Termin bekommen möchte, kann über die Homepage des Kreises Stormarn gehen und landet dann im „Fachdienst 44 – Straßenverkehrsangelegenheiten“. Über den Link der Onlineterminvergabe werden Kunden auf eine separate Seite umgeleitet, wo sie aus einer Liste ihr persönliches Anliegen auswählen können. Maximal drei Eingaben pro Termin sind möglich. Erfolg versprechend sei dies nicht, bestätigt auch Dirk Willhoeft: „Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass die Termine schnell vergriffen sind.“ 50 Kunden können pro Tag bedient werden, am Donnerstag sogar doppelt so viele.
Bei Weitem jedoch nicht ausreichend, um alle Anfragen in einer angemessenen Zeit bedienen zu können. Viele Kunden bekommen daher zunächst eine Absage, in der steht, dass Online-Termine bereits für einen langen Zeitraum ausgebucht sind. Zusätzliche Termine würden nur für dringende und unaufschiebbare Zulassungen vergeben. Dies seien unter anderem Speditionen, die Waren der Grundversorgung transportieren, Landwirte oder Privatpersonen, die ihr Fahrzeug benötigen, um einem systemrelevanten Beruf nachzugehen.
Dienstleister bietet eine Übersicht auf seiner Homepage
In der E-Mail heißt es weiterhin, dass Änderungen oder Anmeldungen auf Saisonkennzeichen sowie Fahrzeuge für die Freizeit wie zum Bespiel Motorräder und Wohnwagen derzeit nicht bearbeitet werden. Generell kann es laut Willhoeft fünf Wochen bis zu einer Terminvergabe dauern, wenn kein anderer Kunde absagt und dadurch ein Platz frei wird. „Dies ist ein Geduldspiel am PC“, sagt er.
„Da wegen der Kontaktsperre Campingplätze jedoch geschlossen haben, ergibt sich für viele kein Druck. Das Motorrad kann warten.“ Mehr Glück, Papiere schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, haben Zulassungsdienste wie die Christoph Kroschke GmbH aus Ahrensburg. Statt 20 bis 25 Anfragen erreichten das Unternehmen derzeit bis zu 130 pro Tag, bestätigt Geschäftsführer Philipp Kroschke auf Abendblatt-Anfrage. Im Gegensatz zu Privatpersonen kann seine Firma die Unterlagen gebündelt zur Behörde bringen und dadurch den Kontakt minimieren. Um über den Status der Ämter zu informieren und welche Zulassungsstellen unter welchen Voraussetzungen geöffnet haben, bietet der bundesweit agierende Dienstleister eine Übersicht auf seiner Homepage.
Auch Händler wenden sich hilfesuchend an Zulassungsdienst
„Zusätzlich forciere ich über die Politik eine Regelung, nach der unter Berücksichtigung größtmöglicher Hygienemaßnahmen die kontaktlose Übergabe ausgebaut wird“, sagt Philipp Kroschke. „In Frankfurt und Hamburg sind dafür schon vor der Krise Räume eingerichtet worden, um Mitarbeiter zu entlasten.“ In Deutschland fehle es ein Stück weit an Pragmatismus, um den Schaden für die Wirtschaft möglichst gering zu halten. Kroschke will alle Landesverkehrsminister anschreiben, um sein Vorhaben anzustoßen. „Wir sollten Corona als Chance nehmen, lange angeschobene Prozesse wie die Digitalisierung endlich umzusetzen“, sagt Kroschke.
„Die derzeitige Teilaktualisierung funktioniert bisher nur, wenn Zulassungsstellen geöffnet sind, da Dokumente dort gesiegelt und unterschrieben werden. Bei vollständiger Digitalisierung könnten jetzt viele Prozesse problemlos weiterlaufen.“ Neben Privatpersonen wenden sich auch Händler hilfesuchend an den Zulassungsdienst. Probleme bereiten den Autoverkäufern nicht nur fehlende Absatzzahlen – sie bekommen durch die verlangsamte Arbeit der Zulassungsstellen kaum noch verkaufte Autos vom Hof. Besonders drastisch sei die Situation in Mittel- und Süddeutschland, aber auch im Norden bringe das Coronavirus manchen Autohändler an die Liquiditätsgrenze, sagt ein Verkaufsleiter mit Standort in Ahrensburg, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Onlineverkäufe laufen in der Gegenwart gegen Null“, sagt der Autoexperte. „Obwohl Probefahrten nach Absprache möglich sind, zeigen sich die Kunden stark verunsichert.“
Händler können verkaufte Wagen nicht anmelden
Normalerweise sei der März der um-satzstärkste Monat im Jahr. Obwohl die ersten zehn Tage noch normal liefen, könne schon jetzt vom jemals schlechtesten Ergebnis gesprochen werden. Er sagt: „Ob ein Autohaus diesen Einbruch verkraften kann, hängt von der Bonität ab und wie es aufgestellt ist. Mittelständische Betriebe mit laufenden Kosten werden es schwer haben. Andere Autohäuser wie die VW/Audi-Gruppe haben schon vor der Coronakrise um ihre Solvenz gebangt. Diese können das Ruder nun kaum noch herumreißen.“
Um wenigstens Außerbetriebssetzungen künftig online abwickeln zu können, starten die Kreise Plön und Steinburg in Schleswig-Holstein derzeit einen Testballon. Ob und wann dieses Verfahren auch in Stormarn ankommen könnte, vermag Dirk Willhoeft nicht zu beurteilen. „Wir wollen zunächst die Testphase abwarten und schauen, wo es noch hakt.“ Ein Lesegerät, welches Privathaushalte benötigten, hätten bisher sowieso die wenigsten.