Reinbek/Trittau. Angehörige systemrelevanter Berufe berichten aus ihrem Arbeitsalltag und davon, wie dieser sich durch die Pandemie verändert hat.

Ob Krankenhauspersonal, Kassiererin im Supermarkt, Polizist, Feuerwehrmann oder Postzustellerin: Die Jobs in diesen Bereichen zählen zu den sogenannten systemrelevanten Berufen. Während viele andere Arbeitnehmer ihre Aufgaben bequem vom sicheren Homeoffice aus erledigen können, lassen sich für Beschäftigte der vorgenannten Branchen Kontakte mit anderen Menschen nicht vermeiden. Dass sie dabei ein wesentlich höheres Risiko in Kauf nehmen, an Covid-19 zu erkranken, macht sie in den Augen vieler Bürger zu Helden des Alltags.

Trotz Coronakrise haben sie Freude am Job

Doch wie sehen sich die Betroffenen selbst, wie wirkt sich die Coronapandemie auf ihre praktische Tätigkeit aus? Ist die Angst vor einer Infektion ihr ständiger Begleiter im beruflichen Alltagsgeschehen oder fühlen sie sich durch Hygiene und andere Vorsichtsmaßnahmen ausreichend geschützt?

Im Abendblatt berichten sechs Angehörige systemrelevanter Berufe aus ihrem veränderten Arbeitsleben. Darunter auch eine Krankenpflegerin und eine Pflegeassistentin, die auf der Corona-Isolierstation des St. Adolf-Stiftes in Reinbek tätig sind. Und dabei immer wieder betonen, wie viel Freude ihnen auch in dieser Situation ihre Tätigkeit bereitet. Alle Männer und Frauen, die an dieser Stelle über ihre Erfahrungen berichten, zeigen sich beeindruckt von der großen kollegialen Solidarität und Hilfsbereitschaft innerhalb ihrer Teams.

Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen und machen Sie sich ein persönliches Bild von Menschen, die auch in dieser Zeit pflichtbewusst ihren Dienst für die Gesellschaft versehen. Dass ihnen nicht nur in der Coronakrise Wertschätzung für ihre Leistung entgegengebracht wird, dürfte allgemeiner Konsens sein.

Tatjana Sartison und Rebecca Metzkow, Pflegekräfte

Rebecca Metzkow, 20, zeigt einen Monitor, mit dem man die Sauerstoffversorgung der Covid-19-Patienten kontrollieren kann.
Rebecca Metzkow, 20, zeigt einen Monitor, mit dem man die Sauerstoffversorgung der Covid-19-Patienten kontrollieren kann. © Andrea Schulz-Colberg

Die Patienten, um die sich Pflegeassistentin Tatjana Sartison (38) und Krankenpflegerin Rebecca Metzkow (20) kümmern, sind allesamt an Covid-19 erkrankt. Die beiden haben sich freiwillig für den Dienst auf der neu eingerichteten Corona-Isolierstation im Krankenhaus Reinbek gemeldet. Auf die Frage nach dem Warum sagt Metzkow: „Ich bin jung und gesund.“ Sie zähle nicht zum durch das Virus gefährdeten Personenkreis. Es sei nun mal ihr Beruf, Kranken zu helfen, denen es schlecht gehe. „Mein Traumberuf“, betont die junge Frau, die auch schon über ein Medizinstudium nachgedacht, es dann aber wieder verworfen hat, weil sie lieber „nah an den Menschen dran sein“ will.

Tatjana Sartison, 38, führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
Tatjana Sartison, 38, führt eine hygienische Händedesinfektion durch. © Andrea Schulz-Colberg

Auf den Gängen herrscht Mundschutzpflicht. Bevor sie ein Patientenzimmer betreten, legen Metzkow und Sartison jedoch eine komplette Schutzmontur an. Sie besteht aus einem gelben Einmalkittel, Atemschutzmaske, Handschuhen, Haarbedeckung und Schutzbrille. Höchstens fünf Minuten, so schätzt Sartison, dauere es, bis sie alles angelegt habe. „Das ist zur Routine geworden.“ Ihre Kollegin stimmt zu, sagt aber auch: „Hochgerechnet auf den ganzen Tag nimmt das ganz schön viel Zeit in Anspruch.“ Die Station sei vom Rest des Hauses isoliert, es gebe sogar gesonderte Fahrstühle, vor jeder Patientenzimmertür sei ein Wagen mit Schutzkleidung deponiert. Sartison: „Das Arbeiten mit den Patienten hat sich dahingehend verändert, dass ich mich quasi verkleiden und sehr vorsichtig sein muss. Trotzdem gehe ich entspannt mit der Situation um, mache mir keine Sorgen.“ Coronakrise hin oder her – sie liebe ihren Beruf. „Wenn es trifft, dann trifft es.“ Als Heldin sieht sich Sartison nicht: „Ich mache nur meinen Job“, sagt sie.

Das sieht Metzkow genauso. Die Krankenpflegerin weiß nicht, was sie davon halten soll, dass sich Menschen verabreden, um mittels Klatschen die Verdienste der Pflegeberufe zu würdigen. „Wir üben unseren Beruf tagtäglich und nicht nur in der aktuellen Krise aus. Ich finde es traurig, dass wir trotzdem erst jetzt Anerkennung dafür bekommen“, so Metzkow. Alle sieben Tage werde sie auf eine mögliche Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus getestet. Angst habe sie trotzdem nicht. Sie fühle sich auf der Isolierstation sicherer als beispielsweise beim Einkaufen, sagt die 20-Jährige.

Nicole Spiering, Postzustellerin in Lütjensee

Postzustellerin Nicole Spiering beim Beladen des Wagens.
Postzustellerin Nicole Spiering beim Beladen des Wagens. © Anja Finaske

Postzustellerin Sabine Spiering, 46, liefert Briefe, Päckchen und Pakete mit dem E-Transporter in Lütjensee aus. Für sie beginnt jeder Arbeitstag im Zustellstützpunkt Trittau mit dem Einsortieren der Sendungen und dem Zusammenstellen der Tagestour. Spiering erzählt, dass die Arbeitstische im Gebäude auseinandergerückt wurden, um mehr Abstand zwischen den Kollegen zu schaffen. Sie sagt: „Da nicht alle Zusteller auf einmal im Stützpunkt anwesend sein sollen, arbeiten wir zu versetzten Anfangszeiten.“ An den Wänden seien Spender mit Desinfektionsmittel montiert worden, jeder habe sein eigenes Fahrzeug.

Die Zustellung erfolge neuerdings kontaktlos. Spiering beschreibt den Vorgang so: „Ich klingele, stelle das Paket auf den Fußboden und gehe ein paar Schritte zurück.“ Sobald der Kunde das Paket aufnehme, unterschreibe sie, dass die Sendung zugestellt sei. Sie habe keine Befürchtung, sich bei ihrer Arbeit mit Covid-19 anzustecken. „Ich achte auf Hygiene und Abstände.“ Spiering hat Mundschutz, Desinfektionstücher und -mittel dabei, auch einige Lütjenseer versorgen sie damit. „Meine Kunden sind rücksichtsvoll, alles funktioniert wunderbar“, lobt sie. Bei der Zustellung fühle sich zwar alles an wie immer. „Aber die Distanz zu den Menschen, die ich seit Jahren kenne, ist doch befremdlich.“ Die Wertschätzung habe sich dahingehend geändert, dass sie spezifischer geworden sei. Spiering: „Die Kunden bedanken sich, dass ich diesen Job mache.“

Yannic Wulf, Polizeikommissar in Ahrensburg

Polizist Yannic Wulf vor der Wache in Ahrensburg.
Polizist Yannic Wulf vor der Wache in Ahrensburg. © Polizei Ahrensburg

Yannic Wulf, 28, ist bei der Polizei Ahrensburg im Einsatz. Er berichtet, dass der Dienstplan aufgrund der aktuellen Situation auf Zwölf-Stunden-Schichten umgestellt worden ist. Grund für diese Maßnahme sei eine weitgehende Vermeidung übergreifender Schichten. Der Polizeikommissar ist durch seinen beruflichen Alltag geübt in Sachen Infektionsschutz, achtet jetzt zusätzlich auf Abstand. Er sagt: „Wir haben oft mit Obdachlosen oder Kranken zu tun.“ Durch die Erfahrung hätten die Polizisten den erforderlichen Weitblick, könnten die Gefahr einer Situation im Hinblick auf eine mögliche Ansteckung gut einschätzen. Aber wenn er schnell eingreifen müsse, steige vermutlich auch das Risiko. „Dann muss ich im Zweifel einen Schutz anlegen.“ Alle Einsatzfahrzeuge seien mit einem Set ausgestattet, das auch Ganzkörperanzüge enthalte.

Es sei zwar ein seltsames Gefühl, plötzlich Passanten mit Mundschutz zu sehen. „Aber für mich persönlich stellt das Thema Corona keine Belastung dar“, sagt Wulf. Die Krise schweiße das Team zusammen. „In dieser Zeit zeigt sich besonders, dass wir uns alle aufeinander verlassen können.“ Beim Streifefahren achte er darauf, ob sich die Menschen an das Kontaktverbot hielten. Über vermehrte Fälle von häuslicher Gewalt habe er bisher keine Kenntnis. Die Straftaten gingen „gefühlt etwas herunter“, so der Polizist. Wulf sagt: „Ich vermute, dass die Situation jedoch schwieriger wird, je länger das Kontaktverbot dauert.“

Anja Nachtrab, Kassiererin bei Edeka in Trittau

Kassiererin Anja Nachtrab bei Edeka Süllau in Trittau.
Kassiererin Anja Nachtrab bei Edeka Süllau in Trittau. © Elvira Nickmann

Anja Nachtrab, 48, arbeitet in der neuen Edeka-Filiale im Zentrum von Trittau hauptsächlich an der Kasse. Die Plexiglasscheiben, die seit einiger Zeit dort angebracht sind, sollen sie bei ihrer Arbeit vor Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. Sie sagt: „Ich kenne relativ viele Leute, die auch schon mal dicht herankommen.“ Die Scheibe trage dazu bei, dass sie sich relativ sicher fühle. Nachtrab trägt zwar Handschuhe, einen Mundschutz würde sie aber nur auf Anweisung anlegen, sagt sie. „Das finde ich für die Kunden nicht schön.“

Diese werden mittels Durchsagen und Schildern darauf hingewiesen, Abstand zu halten und möglichst mit Karte statt Bargeld zu bezahlen. An der Innenseite der Scheibe jeder Kasse hängt ein Zettel, der nur für die Angestellten bestimmt ist. „Haltet durch, ihr macht das alles ganz großartig!“, heißt es darauf. Und weiter: „Ihr seid echte Helden!“ Anerkennung gibt es auch von den Kunden. „Viele bedanken sich tatsächlich bei uns“, freut sich die Angestellte.

Nachtrab erzählt, dass sich die Kollegen gegenseitig darauf hinweisen, Abstand zu halten, auch bei der Begrüßung. „Also wir knuddeln uns nicht“, präzisiert sie und lacht. An der Kasse kommen Desinfektionsmittel für die Hände und solche für das Kartenlesegerät und andere Flächen zum Einsatz, mit denen die Kundschaft in Berührung gekommen ist. Nachtrab sagt: „Hier klappt alles super. Jeder hilft jedem und wir sind alle bemüht, den Laden am Laufen zu halten.“

Fabian Woggan, Wehrführer bei der Feuerwehr Trittau

Fabian Woggan ist bei der Feuerwehr Trittau im Einsatz.
Fabian Woggan ist bei der Feuerwehr Trittau im Einsatz. © Feuerwehr Trittau

Fabian Woggan ist Gemeindewehrführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Trittau. Die Mannschaft sei wie eine eingeschworene Familie und die Einsatzbereitschaft nach wie vor hoch, so Woggan. „Sonst treffen wir uns alle drei Wochen zum Trainieren, zu Schulungen und Übungen“, sagt Woggan. Die Treffen seien unter den jetzigen Umständen nicht möglich, die Verbindungen zwischen den 65 aktiven Kameraden würden per WhatsApp, Telefon und Skype aufrechterhalten. Durch das mangelnde Training seien die Abläufe im Einsatzfall jedoch nicht gefährdet. Woggan sagt: „Das verlernt man nicht, die Schritte laufen wie bei einem Uhrwerk ab.“

Paradoxerweise führe die Coronakrise dazu, dass die Feuerwehr personell besser aufgestellt sei als zuvor. „Durch Homeoffice habe ich mehr Leute.“ Das normale Tagesgeschäft laufe weiter, er kümmere sich um Sicherheitsüberprüfungen der Fahrzeuge, Papierkram und Reparaturen. Woggan hat mit seinem Stellvertreter und dem Zugführer einen Katalog zu den neuen Verhaltensmaßnahmen erstellt. Statt mit neun sei ein Löschfahrzeug nur mit sechs Kameraden besetzt. Doch auch ihm ist bewusst, dass der erforderliche Zwei-Meter-Abstand in den Fahrzeugen nicht eingehalten werden kann. „Sobald wir aus dem Auto raus sind, ist die Abstandsregelung einzuhalten“, betont er. Woggan sagt: „Mit dem Rettungspersonal sprechen wir uns ab, was wir in der jeweiligen Situation an Schutzausrüstung anlegen müssen.“