Lübeck. Landgericht Lübeck verurteilt 73-Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Prozess dauerte fast doppelt so lange wie geplant.

Mit leerem Blick und regungsloser Miene sitz Ullrich K. (Namen geändert) im Saal des Lübecker Landgerichts, als die Vorsitzende Richterin Helga von Lukowicz das Urteil verkündet. „Die Kammer hat keinen Zweifel, dass der Angeklagte alle acht Taten so begangen hat, wie sie in der Anklage beschrieben sind“, sagt die Richterin. Das Gericht verurteilt den 73-Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis.

Zwei Taten sollen sich in Ullrich K.s Wohnung ereignet haben

Die Staatsanwaltschaft hatte dem 73 Jahre alten Sporttrainer und Inhaber eines Fachgeschäfts für Sportartikel vorgeworfen, sich während seiner Tätigkeit in einem Stormarner Verein zwischen 2012 und 2015 mehrfach an der heute 16 Jahre alten Emily S. vergangen zu haben. Bei der ersten Tat war das Mädchen acht Jahre alt. Zweimal soll K. Emily S. auf dem Sportplatz unter dem Vorwand, ihre Körperhaltung korrigieren zu müssen, im Brustbereich berührt haben. Auf einem nahe gelegenen Spielplatz soll er dem Mädchen zweimal in die Hose in den Intimbereich gegriffen haben.

„Auf gemeinsamen Autofahrten zu auswärtigen Turnieren hat er Emily entblößt, während er sich selbst befriedigte“, so von Lukowicz. Zwei Taten sollen sich zudem in K.s Wohnung ereignet haben, der 73-Jährige und seine Ehefrau waren auch privat eng mit Emily S. und deren Familie befreundet. „Das Gericht ist überzeugt, dass der Angeklagte Emily auf sein Bett geworfen und aufgefordert hat, sich zu entkleiden“, so die Richterin. Dann habe K. sich auf das Mädchen gelegt und versucht, den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Ob ihm das gelungen sei, habe das Gericht nicht feststellen können, daher wurde K. nicht des schweren Missbrauchs für schuldig befunden. Die Kammer vermutet weitere Taten, konnte das aber nicht nachweisen. Überzeugt ist das Gericht, dass die anonymen Anzeigen gegen mehrere Zeugen beim Jugendamt von K. stammen. Darin behauptet ein Unbekannter etwa, gesehen zu haben, wie verschiedene Zeugen ihre Kinder missbraucht hätten.

Verteidiger versuchten den Prozess wegen der Coronapandemie auszusetzen

Mit dem Urteil geht ein Prozess zu Ende, der mit fünf Verhandlungstagen fast doppelt so lang wie geplant dauerte. Die Vorsitzende macht K.s Verteidiger, die Rechtsanwälte Christian Albrecht und Franziska Mayer, für die Verzögerung verantwortlich, nutzt die Urteilsbegründung für eine deutliche Rüge: „Das Verfahren hat keineswegs länger gedauert, weil der Sachverhalt so kompliziert ist, sondern weil die Verteidigung viel gegeben hat, um es zu verzögern.“ Albrecht und Mayer hatten sechs Befangenheitsanträge gegen die Vorsitzende und zahlreiche Beweisanträge gestellt, wiederholt die Glaubwürdigkeit und Zurechnungsfähigkeit des Opfers und der Zeugen angezweifelt, außerdem zweimal versucht, den Prozess wegen der Coronapandemie auszusetzen. „Unser Mandant gehört mit 73 und einer Herzerkrankung zur Risikogruppe. Sie setzen ihn bewusst der Gefahr des Todes aus“, hatte Mayer das begründet.

Als von Lukowicz eine Unterbrechung ablehnte, hatten die Verteidiger Strafanzeige gegen die Vorsitzende gestellt. Von Lukowicz: „Fast jede Entscheidung der Kammer wurde zum Anlass für offensichtlich aussichtslose Anträge genommen.“ Eine gute Verteidigung zeichne sich nicht durch zahlreiche Anträge aus, sondern durch das Vorbringen entlastender Beweise.

Das Gericht folgt mit dem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft

„Wenn Sie zu solchen Mitteln greifen, zeigen Sie, dass Sie in Wirklichkeit nichts Entlastendes gefunden haben.“ Auch die Argumentation der Verteidiger, Emily S. könne von einem anderen Mann, möglicherweise ihrem Stiefvater, begangene Taten, auf den Angeklagten projiziert haben, weist die Kammer zurück. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte.

Das Gericht folgt mit dem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte für einen Freispruch ihre Mandanten plädiert. K. kann noch Revision gegen das Urteil einlegen.