Lübeck. Stormarner Sporttrainer (73) soll Mädchen missbraucht haben. Verfahren vor dem Landgericht Lübeck verzögert sich weiter.
Das Verfahren gegen einen Stormarner Sporttrainer wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Mädchens vor dem Landgericht Lübeck verzögert sich weiter. Die Große Strafkammer hat am vierten Prozesstag dem Antrag der Verteidigung stattgegeben, das Opfer, die heute 15 Jahre alte Emily S. (Namen geändert), erneut zu vernehmen. Zuvor hatte die Verteidigerin des angeklagten Ullrich K. dem Gericht das Protokoll eines Handychats vorgelegt.
Kammer lehnt Einführung des Chats als Beweismittel ab
„Die Nachrichten beweisen, dass zwischen Emily S. und meinem Mandanten auch nach dem vermeintlichen Missbrauch ein enges Verhältnis bestand“, sagt Rechtsanwältin Franziska Mayer. In dem Chatverkehr aus dem Jahr 2014 schreibt Emily S.: „Ich hab dich so so so lieb.“ Und: „Ich weiß, ich darf eigentlich nicht mehr mit dir schreiben. Aber ich tue es trotzdem. Vermisse dich.“
Die Kammer lehnt es ab, den Chat als Beweismittel einzuführen, wenn dessen Authentizität nicht bewiesen ist. „Nur weil die Nummer, von der die Nachrichten gesendet wurden, auf dem Handy des Angeklagten unter dem Namen ,Emily’ eingespeichert sind, heißt das nicht, dass sie deren Urheberin ist“, begründet die Vorsitzende Richterin Helga Von Lukowicz. Franziska Mayer beantragt deshalb die erneute Vorladung des Mädchens.
Die Übergriffe sollen auch während des Trainings erfolgt sein
Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 73 Jahre alten Sporttrainer und Inhaber eines Fachgeschäfts für Sportartikel vor, Emily S. während seiner Tätigkeit in einem Stormarner Verein zwischen 2012 und 2015 mindestens sechsmal schwer sexuell missbraucht zu haben. Das Mädchen war bei der ersten Tat acht Jahre alt. „In zwei Fällen soll er versucht haben, den Geschlechtsverkehr mit dem Kind auszuführen, was ihm in einem Fall auch gelungen sein soll“, heißt es in der Anklage.
Die Übergriffe sollen während des Trainings und bei dem Angeklagten zu Hause erfolgt sein, die Familien von Ullrich K. und dem Opfer waren befreundet. Bereits 2005 hatte das Amtsgericht Ahrensburg K. zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Während der Verhandlung nehmen die Spannungen zwischen der Verteidigung und der Vorsitzenden von Lukowicz weiter zu. Schon an den vergangenen Prozesstagen hatten K.s Anwälte Christian Albrecht und Franziska Mayer deutlich ihren Unmut darüber kundgetan, dass das Gericht mehrere Beweisanträge zurückwies. Die Verteidiger wollten die Darstellung ihres Mandanten belegen, dass nicht er, sondern der Stiefvater von Emily S. sich an dem Mädchen verging. Es sei ein psychologischer Schutzmechanismus, dass das Kind die Tat eines Familienangehörigen auf eine andere Person reflektiere.
Angeklagter besteht auf Desinfizierung seines Platzes
Gleich zu Beginn weigert sich K. wegen der Corona-Pandemie, den Gerichtssaal ohne Mundschutz und Handschuhe zu betreten. Außerdem müsse sein Platz desinfiziert werden. Eine Gerichtsmedizinerin nimmt die Hygienemaßnahmen schließlich vor. Dennoch beantragt K.s Anwältin, das Verfahren wegen der Pandemie auszusetzen: „Mein Mandant zählt 73 Jahren und einer Herz-Vorerkrankung zur Risikogruppe“, sagt sie. Das Gericht setze ihn der „ernsthaften Gefahr des Todes“ aus.
Doch die Kammer lehnt den Aussetzungsantrag ab, nachdem die anwesende Medizinerin erklärt, sie habe keine Bedenken, solange die Hygiene eingehalten werde. Die Verteidigung reagiert mit zwei Ablehnungsanträgen gegen die Vorsitzende wegen Befangenheit. Es sind bereits der fünfte und sechste Antrag dieser Art, sie werden von der Kammer als unbegründet abgelehnt. „Ihnen geht es darum, die Vorsitzende zu diffamieren und das Verfahren zu verzögern“, begründet von Lukowicz den Beschluss. Mayer verkündet, die Verteidigung habe bereits Strafanzeige gegen von Lukowicz erstattet. Darauf reagiert die Vorsitzende schmallippig mit der Bemerkung, dies sei für das Verfahren nicht relevant.
Gericht hat weitere zusätzliche Verhandlungstermine anberaumt
Für Unmut bei der Kammer sorgt das Verhalten der Angehörigen des Angeklagten, die im Zuschauerraum sitzen. Während der Verhandlung halten sie Bücher vor sich, mit den Titeln „Unrecht im Nahmen des Volkes“ und „Der Richter und seine Opfer – wenn die Justiz sich irrt“. Von Lukowicz merkt an: „Der Titel des einen Buches ist so klein gedruckt, den können wir leider nicht lesen.“ K.s Ehefrau hustet immer wieder demonstrativ, suggeriert eine Infektionskrankheit. Auf Empfehlung der Gerichtsmedizinern ordnet von Lukowicz an, dass sie den Saal verlassen muss. Ks. Verteidigerin fragt daraufhin ironisch: „Ich habe heute auch schon fünfmal gehustet, wollen Sie mich nicht lieber auch auf eine Atemwegserkrankung testen?“ Erst als die Vorsitzende mit dem Sicherheitsdienst droht, befolgt die Frau die Anweisung.
Das Gericht hat weitere zusätzliche Verhandlungstermine anberaumt, ursprünglich waren nur drei geplant. Das Verfahren wird bereits am Dienstag, 25. März, fortgesetzt.