Bad Oldesloe. Infrastruktur hat sich kaum weiterentwickelt, sagt ADFC. Förderung bleibe weitgehend ungenutzt. Chancen auf Schnellwegen seien vertan.
Holprige Pisten durch Wurzelaufbrüche, fehlende Lückenschlüsse, unzureichende Abstellanlagen insbesondere an Bahnhöfen – die Defizite in der Radinfrastruktur des Kreises sind nach wie vor signifikant. „Von einem Aufbruch oder gar einer Wende zum Besseren kann keine Rede sein“, sagt Reiner Hinsch, Kreisvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Es bleibe nach wie vor „viel Luft nach oben“.
Es geben durchaus eine deutlich aufgewertete Förderkulisse
18 Monate nach dem großen Radwege-TÜV der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn im Sommer 2018 hat sich an der Gesamtsituation kaum etwas verändert. Trotz vielfacher Bekundungen seitens der Bürgermeister, den Radverkehr stärker in den Fokus zu nehmen. „Doch den Reden sind nur selten konkrete Taten gefolgt“, kritisiert Hinsch. Die Beschäftigung mit dem Thema beschränke sich zumeist auf Absichtsbekundungen, Konzepte und Machbarkeitsstudien.
Dabei gebe es seitens des Bundes durchaus eine deutlich aufgewertete Förderkulisse. Bis 2023 werden 900 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Bis 2030 soll sich die Fördersumme, mit der unter anderem Sonderprogramme für ländliche Regionen und Radschnellwege finanziert werden, auf 2,4 Milliarden Euro summieren. „Doch unseres Wissens sind für konkrete Projekte in Stormarn kaum Anträge gestellt worden“, sagt Hinsch. Deshalb sei es kein Wunder, dass der Anteil der regelmäßig radfahrenden Bürger des Kreises nach wie vor auf einem sehr niedrigen, unterdurchschnittlichen Niveau von 13 bis 15 Prozent stagniere. Während er bundesweit laut Verkehrsministerium inzwischen bei 44 Prozent liegt.
Umlaufsperren sind mit Lastenrädern unpassierbar
„Vielleicht liegt es ja daran, dass sich viele Stormarner auf dem Rad nicht sicher fühlen, weil die Infrastruktur im Kreis in den vergangenen Jahren nicht in erforderlichem Maße mitgewachsen ist“, vermutet der stellvertretende ADFC-Kreisvorsitzende Jürgen Hentschke. Dabei liege Radfahren mit Blick auf die Folgen des Klimawandels und die von immer mehr Menschen geforderte Verkehrswende im Trend.
Dem stehen in Stormarn offenbar zu viele Hindernisse im Weg. Jedenfalls nutzten Hinsch und Hentschke jetzt ihre Einladung in den Verkehrsausschuss des Kreises zu einer kritischen Bestandsaufnahme. Unter anderem listeten sie auf, welche ungenutzten Potenziale eine deutliche Aufwertung des Radverkehrs verhindern.
Unzureichende Übergänge stellen großes Problem dar
Ein Haupthindernis im Wortsinn stellen die so genannten Umlaufsperren vor Kreuzungen mit Straßen dar. „Sie sind in den allermeisten Fällen absolut nicht mehr zeitgemäß, weil ihre Anordnung das Passieren mit Lastenrädern oder Rädern mit Anhängern praktisch unmöglich machen“, erläutert Hentschke. Längst gebe es wesentlich elegantere Lösungen als die oft aufgestellten „Halbschranken“. Dazu zählen neben Verschwenkungen auch Aufpflasterungen und farblich abgesetzte Passagen, um Radler zu warnen.
Ein großes Problem stellen auch unzureichende Übergänge von Radwegen an Ortsein- und Ausgängen dar. Dort gebe es oftmals keine vernünftigen Ableitungen auf die Straße, so innerorts keine Fortführung des Radwegs existiere. „Das Risiko erhöht sich noch dadurch, dass viele Autofahrer ihr Tempo erst jenseits des Ortsschilds reduzieren, wenn überhaupt“, moniert Hentschke.
ADFC-Experten wollen mehr offene Einbahnstraßen
Kritisiert werden zudem fehlende Lückenschlüsse von Radwegen wie etwa an der L 223 bei Reinbek und der B 75 bei Reinfeld, wo bereits seit Jahren 1000 Meter fehlen. „Dort sehen wir sogar dringenden Handlungsbedarf, weil es immer wieder zu schweren Unfällen gekommen ist“, mahnt Reiner Hinsch. Fehlendes Engagement wirft er dem Kreis beim Thema Radschnellwegenetz vor. Von der erstklassigen Steilvorlage durch die Metropolregion Hamburg profitiert habe Stormarn lediglich für die Strecke Ahrensburg-Hamburg, nicht aber für die mindestens genauso bedeutsame Verbindung gen Lübeck. „Entlang der Bahntrasse gibt es viele asphaltierte Wirtschaftswege, die eine gute Basis bilden. Doch genutzt wird sie bislang nicht“, sagt Reiner Hinsch.
Zudem werben die ADFC-Experten dafür, mehr Einbahnstraßen auch für den gegenläufigen Radverkehr zu öffnen. Hinter den Erwartungen zurück seien die Kommunen ebenso bei der Ausweisung von Fahrradstraßen geblieben. Jürgen Hentschke moniert: „Zwar gibt es inzwischen wohl ein halbes Dutzend. Doch verdienen sie ihren Namen kaum, weil sie faktisch überall auch für den Autoverkehr freigegeben sind.“.