Bad Oldesloe. Beteiligte loben bessere Kommunikation unter den Partnern. Unternehmen planen jetzt konkrete Projekte im Kreis.
Der Mann ist sich seiner Sache nicht nur ziemlich, sondern ganz sicher. Sollte er mit seiner Prognose danebenliegen, muss Wolfgang Gerstand zahlen: Dann dürfen die Mitglieder des Stormarner Wirtschafts-, Planungs- und Bauausschusses sowie Verwaltungsmitarbeiter, die bei der Gremiumssitzung anwesend sind, auf seine Kosten Pizza essen. Der CDU-Politiker ist Ausschussvorsitzender, sagt: „Ich habe gewettet, dass in Stormarn noch in diesem Jahr mit dem Bau von 500 bezahlbaren Wohnungen begonnen wird.“ Anlass für seinen Optimismus ist ein Treffen, zu dem vor Kurzem Landrat Henning Görtz geladen hatte und bei dem Vertreter des „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen“ anwesend waren.
Jetzt gibt es einen neuen Schub für das Bündnis
Die Allianz besteht seit rund zwei Jahren. Ihr gehören der Kreis, 36 Städte und Gemeinde, acht Wohnungsunternehmen, darunter fünf Genossenschaften, der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) und der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Nord (BFW) an. Ziel ist es, in dieser Konstellation per anno eben jene 500 neue, attraktive und vor allem günstige Wohnungen zu bauen. Zunächst lief es schleppend an, nur ein Projekt mit 20 Einheiten im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen wurde auf den Weg gebracht.
Jetzt gibt es einen neuen Schub für das Bündnis. „Die Arbeit trägt Früchte. Die Bereitschaft der Kommunen, bei dem Thema aktiv zu werden, ist gestiegen“, sagt Gerstand. „Wir brauchen die Wohnungen unter anderem auch für Fachkräfte vor Ort, um Abwanderungen zu verhindern.“ Laut Gutachtern fehlen in Stormarn jährlich 1000 Einheiten. Sie werden auch für ältere Menschen benötigt, die sich verkleinern wollen, weil sie ihr Haus nicht mehr bewirtschaften können.
Grund muss nicht im Eigentum der Kommune sein
Stormarns Landrat und Gerstand hatten wegen der Anlaufschwierigkeiten Ausschüsse in zahlreichen Kommunen besucht und die Politiker sensibilisiert – zum Beispiel in Ahrensburg, Reinbek, Glinde und Bad Oldesloe. Diese entscheiden über die Entwicklung vor Ort, indem sie Bebauungspläne aufstellen. „Ich bin froh, dass Bewegung in die Sache kommt. Dazu hat die Netzwerkarbeit beigetragen. Das Verständnis ist größer geworden“, sagt Henning Görtz. Er berichtet von bis zu drei Ideen mit einem größeren Volumen, die noch nicht spruchreif seien, weil man „die Politik vor Ort noch mitnehmen muss“.
Der Stormarner Wohnungsbaupakt funktioniert so: Auf der extra dafür eingerichteten Geschäftsstelle des Kreises melden Städte und Gemeinden potenzielle Bauflächen. Es werden unter anderem Grundstücksgröße, Mindestpreis und gewünschte Zielgruppen erfasst. Die Behörde als federführender Akteur leitet die Angebote dann an die Partner aus der Wirtschaft weiter, die ein Konzept für das Areal erstellen und ein Angebot abgeben. Der Grund muss übrigens nicht im Eigentum der Kommune sein.
Tangstedt offeriert Areal mit 9.500 Quadratmetern
Laut Kreisverwaltung wurden zuletzt mehrere Flächen vorgeschlagen, deren Größe für die Unternehmen aber nicht interessant waren. Im Fall Tangstedt ist das anders. Die Gemeinde offeriert ein 9500 Quadratmeter großes Grundstück, wo bis zu 40 Einheiten in einem Mix entstehen könnten, also nicht nur Geschosswohnungsbau, sondern auch Bungalows. Die Genossenschaft Neue Lübecker beschäftigt sich zurzeit damit. Deren Vorstandsvorsitzender Marcel Sonntag war der Einladung des Landrats ebenfalls gefolgt, sagt: „Wir haben die Kommunikation verbessert, sind deutliche Schritte vorangekommen.“ Er habe viel positive Aufbruchstimmung aus dem Gespräch mitgenommen. Sonntag bestätigt, dass mehrere Projektideen Bestandteil der Unterredung waren. Die Neue Lübecker baut derzeit im Reeshoop-Viertel in Ahrensburg 77 Wohnungen mit einer Durchschnittsmiete von 11,75 Euro pro Quadratmeter kalt. Sie hat dort bereits 800 Einheiten, stockt Gebäude auf und schafft zu einem späteren Zeitpunkt 84 weitere Wohnungen. Sonntag hofft auf weitere Flächenausweisungen in Ahrensburg und Glinde. Er lobt die Aktivitäten des Kreises Stormarn mit Henning Görtz an der Spitze, sagt: „Der Landrat und seine Mitstreiter mühen sich sehr, damit das Bündnis Erfolg hat.“
Auch Christoph Kostka vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen hat die Gesprächsrunde mit einem guten Gefühl verlassen. Dass nach der Bündnisgründung im April 2018 nicht alles glatt lief, verwundert ihn nicht: „Bauen ist ein zähes Geschäft. Prozesse laufen in der Regel vier bis sechs Jahre und teilweise noch länger.“ Viele Filetgrundstücke in den Kommunen seien bereits bebaut und jetzt noch vorhandene Flächen nicht leicht zu erschließen.
Semmelhaack baut in Bargteheide 170 Wohnungen
„Man kann nicht auf einer grünen Wiese bauen, an der einmal die Woche der Bus hält“, so Kostka. Soll heißen: Die Gegebenheiten vor Ort müssen passen, eine entspreche Infrastruktur ist unabdingbar. Der VNW-Geschäftsführer des Landesverbands Schleswig-Holstein sagt über Stormarn: „Es ist eine Menge in der Pipeline.“ Die Wohnungswirtschaft steht voll hinter dem Pakt, nachdem es vor einigen Monaten auch kritische Stimmen gab. So zweifelte Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung beim Unternehmen Semmelhaack, den Sinn des Bündnisses an. Jetzt sagt der Experte: „Alle Beteiligten verstehen das Gebilde jetzt wirklich als Allianz.“ Er registriere ein Umdenken bei den Kommunen. Hartmut Thede war früher selbst in der Politik aktiv und weiß daher, dass der Weg der Entscheidungsfindung Zeit benötigt und in Sachen Tempo den Wünschen von Firmen nicht immer entsprochen werden kann.
Das Unternehmen mit Sitz in Elmshorn startet im Mai zwei Projekte: In Oststeinbek entstehen gegenüber der Feuerwache 80 Seniorenwohnungen, in Bargteheide 170 Einheiten, 40 Prozent davon öffentlich gefördert. Die Konzepte wurden schon vor der Bündnisinstallierung erstellt, politische Beschlüsse allerdings danach gefasst. „Deswegen laufen beide Bauvorhaben auch unter dem Stormarner Label“, sagt Thede. Sein Unternehmen plant ein weiteres Projekt in Trittau.
Laut Wolfgang Gerstand hat sich inzwischen ein Investor für 24 Wohnungen in Lütjensee gefunden. „Und an der Ratzeburger Straße in Bad Oldesloe neben der Oase sind die Arbeiten für ein Gebäude mit 30 Einheiten gestartet“, berichtet der Christdemokrat, dem das Bündnis eine Herzensangelegenheit ist. Interesse hat das Konstrukt auch in anderen Kreisen geweckt. „Ich wurde vom Landrat Nordfrieslands angesprochen, habe ihm Unterlagen geschickt“, sagt Gerstand. In Preetz im Kreis Plön war der Oldesloer zu Besuch im Bauausschuss und zeigte Details bei einer Powerpoint-Präsentation. Bei der Wette ist er übrigens der Einzige, der einen Einsatz eingebracht hat. Sollte er gewinnen, besteht sein Lohn in der Freude über die 500 neuen Wohnungen.