Bargteheide. Revierleiter ist gegen eine Videoüberwachung, es gebe „kein hinreichendes Gefahrenpotenzial“. Stadtverwaltung will mit Bahn sprechen.

„Wäre die Ladestation meines Elektroautos nicht auf der anderen Seite des Bahnsteigs, würde ich den Tunnel unter den Gleisen am späten Abend auf jeden Fall meiden.“ So wie Simone Wedler (55) geht es vielen Bargteheiderinnen. Generell wird das Bahnhofsumfeld als „unsicherer Bereich“ empfunden, der nur unzureichend überwacht werde. Deshalb hat die SPD-Fraktion geeignete Maßnahmen gefordert, die das subjektive Sicherheitsempfinden nachhaltig verbessern sollen.

2018 wurden 59 Delikte im Bahnhofsumfeld registriert

Für Simone Wedler (55) ist der Schutz von Frauen wichtiger als Datenschutz.
Für Simone Wedler (55) ist der Schutz von Frauen wichtiger als Datenschutz. © Pia Rabener

„Mehrfach wurden durch Sicherheitsbehörden gefährliche Orte definiert, zu denen auch das Bahnhofsareal zählte“, sagt SPD-Fraktionschef Mehmet Dalkilinc. Seit Jahren sei die Stadt Schauplatz von Ausschreitungen und kriminellen Handlungen. Dabei habe insbesondere das Bahnhofsumfeld immer wieder im Fokus gestanden. „Wir sind der Ansicht, dass vor allem durch eine stärkere Videoüberwachung und die Aufstellung von SOS-Notrufsäulen mit integriertem Defibrillator auf der West- und der Ostseite des Bahnhofs dazu beitragen können, dass sich die Bürger dort sicherer fühlen, gerade in den dunklen Monaten des Jahres“, erläuterte Gerrit Kronenberg den Vorstoß seiner Fraktion im Hauptausschuss.

Laut Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht sind SOS-Notrufsäulen längst nicht mehr zeitgemäß. „Im Zeitalter der Smartphones kann doch heute sofort und schnell Hilfe herbeigerufen werden, niemand muss erst zu einer Notrufsäule eilen“, sagt sie. Zudem seien die Folgekosten durch Vandalismusschäden an diesen Geräten beträchtlich. Auch eine zusätzliche Videoüberwachung sieht die Chefin der Stadtverwaltung kritisch. Zum einen falle das Gros des Terrains in die Zuständigkeit der Deutschen Bahn, wie etwa Bahnsteige und Gleisanlagen. Zum anderen müsse eine „potenzielle Gefahrenlage“ erst nachgewiesen werden, um die Einleitung weitergehender Maßnahmen zu rechtfertigen.

„Keine Rechtfertigung“ für eine Videoüberwachung

Lea Staben (19) benutzt den Tunnel selten, weil sie oft Rad fährt.
Lea Staben (19) benutzt den Tunnel selten, weil sie oft Rad fährt. © Mary-Nell Hertel

Hierzu legte die Verwaltung eine Statistik des Bargteheider Polizeireviers vor. Danach wurden 2018 im Bahnhofsumfeld 59 Delikte aktenkundig. Davon entfielen 47 auf Diebstähle, vor allem von Fahrrädern (36). Hingegen wurden lediglich fünf Fälle von Körperverletzung registriert, von denen nur zwei als gefährlich eingestuft worden sind.

Die Statistik für die ersten acht Monate des Vorjahres fiel noch deutlich unauffälliger aus. In diesem Zeitraum wurden gerade 16 Delikte aktenkundig, darunter zehn Fahrraddiebstähle und vier Körperverletzungen. „Dass diese Straftaten eine Videoüberwachung rechtfertigen würden, sehen wir kritisch“, so Dietmar Fleischmann aus dem Fachbereich Öffentliche Sicherheit der Stadtverwaltung. Der Bargteheider Revierleiter habe in einer Stellungnahme sogar mitgeteilt, er sehe „keine Rechtfertigung“.

Die Unterführung stellt das „größte Problemfeld“ dar

Für eine weitergehende Einschätzung hat sich Fleischmann Ende November zudem an das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Kiel gewendet, von dort bislang aber noch keine Rückmeldung bekommen. In einer beigefügten Skizze hatte Fleischmann allerdings nur den Bahnhofsvorplatz markiert, was die SPD-Fraktion in der Ausschusssitzung ausdrücklich monierte. „Es geht uns vor allem um den Tunnel zur Ostseite des Bahnhofs und die Gleisanlagen“, präzisierte Susanne Danhier.

In dem Tunnel sieht auch CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck das größte Problemfeld: „Die Unterführung sorgt bei etlichen Bürgern für Unbehagen, vor allem bei Frauen.“ Bestätigt wird diese Einschätzung durch eine Abendblatt-Umfrage vor Ort. „Im Sommer sitzen Leute mit Bierflaschen auf der Treppe neben dem Tunnel. Mir ist es dann unangenehm, dort vorbeizulaufen“, sagt Christel Klabunde. Sie müsse die Unterführung des Öfteren auch im Dunkeln passieren. Doch wann immer es möglich sei, nehme sie lieber einen anderen Weg. „Videokameras anzubringen, fände ich gut“, sagt die 67-Jährige. Auf diese Weise könnten außerdem vielleicht jene Personen abgeschreckt werden, die die Wände besprühen.

Die Beleuchtung sollte verbessert werden

Glaubt, dass eine Videokamera präventiv wirkt: Anja Zarse (34).
Glaubt, dass eine Videokamera präventiv wirkt: Anja Zarse (34). © Mary-Nell Hertel

Von der „präventiven“ und „abschreckenden“ Wirkung einer Videoüberwachung sind auch die Bargteheiderin Anja Zarse (34) und die Tremsbüttelerin Britta Drutjons (49) überzeugt. Einwände hinsichtlich einer gefühlt stärkeren Überwachung aller Passanten findet Simone Wedler sekundär: „Der Schutz von Frauen hat in diesem Fall eindeutig Vorrang.“

Unwohl fühlt sich die Bargteheiderin Anja Blank im Tunnel zwar nicht. „Die Beleuchtung könnte trotzdem besser sein“, sagt die 42-Jährige, die diesen Weg regelmäßig nutzt, bislang aber noch keine „unangenehmen Situationen“ erlebt hat. Auch Maylien Stegmann (19) und Patricia Preuck (20) würden bessere Sicherheitsvorkehrungen prinzipiell begrüßen. „Ich fühle mich am Bahnhof generell unwohl. Etwas passiert ist mir zum Glück noch nie“, sagt Stegmann.