Bad Oldesloe. Nicht verabschiedete Verordnungen und fehlendes Baurecht blockieren Investitionen der Landwirte in Ställe und neue Technik.
Insektensterben, Tierwohl, Klimawandel, Umweltschutz – die deutsche Landwirtschaft kämpft aktuell an vielen Fronten. Zahlreiche Landwirte sehen sich deshalb vor einer ungewissen Zukunft. Sie fürchten, zwischen den Vorgaben der Politik und den wachsenden Erwartungen der Verbraucher zerrieben zu werden.
Diese Sorge artikulierte sich auch beim 73. Kreisbauerntag in der Stormarnhalle Bad Oldesloe. „Die Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand“, so der Vorsitzende des Kreisbauernverbands, Friedrich Klose. „Es wird höchste Zeit, dass nicht mehr nur über sie, sondern mit ihnen geredet wird.“
Seiner Ansicht nach wird die Landwirtschaft stattdessen in ihren Bemühungen um einen Wandel regelmäßig ausgebremst. Bestes Beispiel sei die Düngeverordnung. Seit 2013 habe die Bundesregierung an einer Reform herumgedoktert – ohne dass es die Länder inzwischen geschafft hätten, das notwendige Messstellennetz so zu erweitern, dass es verlässliche, repräsentative Werte liefert. Andere Eintragsquellen würden nach wie vor nicht angemessen berücksichtigt. „Fortschritte beim Grundwasserschutz hat es folglich kaum gegeben“, moniert Klose.
20 Prozent weniger Dünger hat gravierende Folgen
Die pauschale Forderung, 20 Prozent weniger Dünger einzusetzen, hat unterdessen gravierende Auswirkungen. „Die Pflanzen bekommen nicht genügend Nährstoffe, der Mangel schlägt sich in einer schlechteren Qualität wie in sinkenden Erträgen nieder“, erklärt Tanja Taplick. Die 28 Jahre alte Landwirtin will den Hof ihrer Familie in Kronshorst/Brunsbek mit 67 Milchkühen und Getreideproduktion übernehmen und den Betrieb in fünfter Generation fortführen.
„Landwirt ist der schönste Beruf der Welt – aber nur, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen“, so Taplick. Doch weil an die Bauern fast täglich neue Forderungen herangetragen würden, sei eine solide, langfristige Planung schon lange nicht mehr möglich. „Es wird zu viel vertagt. Weil es an einem klar definierten Weg mit abgesteckten Grenzen fehlt, halten sich viele mit Investitionen in Ställe und Technik zurück“, sagt sie.
40 Prozent aller Mastferkel stammen aus dem Ausland
Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat gerade erst die überarbeitete Nutztierhaltungsverordnung von der Tagesordnung genommen. Wie es weitergeht, ist derzeit ungewiss. „Wer will da noch investieren? Was sich hier zusammenbraut, ist weit mehr als nur ein Unwetter“, sagt Kreisverbandschef Klose.
In Stormarn gebe es derzeit nicht ein einziges Neubauvorhaben in der Schweinehaltung. Und in der Rinderhaltung sehe es kaum besser aus. „In ihrer jetzigen Form bedeutet die neue Verordnung für viele Mastbetriebe das sichere Aus“, ist sich Klose sicher. Die Sauenhaltung sei in Deutschland ohnehin kaum noch wirtschaftlich zu betreiben. Bereits heute kämen 40 Prozent der Ferkel für die Mast aus dem Ausland.
Durch Preispolitik der Handelsketten steigt der Druck
„Über Jahre wurde die deutsche Landwirtschaft fit für den Weltmarkt gemacht. Doch jetzt werden die Standards dermaßen nach oben geschraubt, dass hiesige Höfe reihenweise auf der Strecke bleiben“, sagt Christian Scherrer. Der 59-Jährige ist in vierter Generation Schweinehalter in Rethwischfeld/Bad Oldesloe. Dort mästet er 1500 Tiere und baut zudem Getreide, Raps, Mais und Zuckerrüben an.
„Der Druck ist immens. Nicht nur durch die Konzentration und die Preispolitik der großen Einzelhandelsketten, sondern auch durch die starke Reduzierung der Schlachtkapazitäten“, so Scherrer. Hier bedürfe es regulierender Eingriffe durch die Politik. Nicht zuletzt, um das längst übliche Verramschen landwirtschaftlicher Produkte weit unter den Erzeugerkosten zu stoppen. „Wenn das nicht passiert, sind umfassende Investitionen ins Tierwohl kaum finanzierbar“, sagt Scherrer.
Experte plädiert für Tierwohlabgabe der Verbraucher
Großzügigere, moderne Ställe mit Außenklimabereichen, neue Güllelager – vieles sei laut Verbandschef Friedrich Klose durchaus möglich und wünschenswert. Doch abgesehen von der Finanzierung blockiere oft auch fehlendes Baurecht die Initiativen. Zudem fehle mal eine Zulassung, in anderen Fällen stellten Brandschutz- und Sicherheitsauflagen hohe Hürden dar.
Um die nötigen Investitionen finanzieren zu können, will Prof. Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts Braunschweig, die Verbraucher in die Pflicht nehmen. Als Gastredner beim Kreisbauerntag plädierte er für eine Tierwohlabgabe. „Mit je zwei Cent pro Liter Milch und ein Ei, sowie vier Cent pro 100 Gramm Wurst könnte schon viel bewirkt werden“, so Isermeyer. Klar sein müsse aber, dass die Landwirte mit den Kosten für ein verbessertes Tierwohl nicht allein gelassen werden dürften.