Glinde. Arbeiterwohlfahrt und Stadt streiten um Betriebsübergang. Hortbetreuung in Kindertagesstätte Tannenweg nicht mehr gesichert.

Alarmstimmung in der Glinder Kindertagesstätte Tannenweg: Dem Betreiber, der Arbeiterwohlfahrt (Awo), laufen die Erzieher davon. Spätestens ab 20. März ist die Hortbetreuung dort nicht mehr gesichert. 30 Grundschüler der dritten und vierten Klassen sind betroffen und deren Eltern entsetzt. Sie wollen sogar einspringen, dürfen aber nicht. Ursache ist ein Streit zwischen Stadt und Awo. Denn Glinde hat den Vertrag mit dem Wohlfahrtsverband gekündigt, will die Einrichtung ab 1. August in Eigenregie betreiben. Verbunden damit ist ein Betriebsübergang, die Angestellten sollen bei der Stadt anheuern. Doch etwas Schriftliches liegt ihnen bislang nicht vor. Beide Seiten haben sich juristischen Beistand geholt.

Personalaufstockung durch Zeitarbeiter misslang

Drei Awo-Mitarbeiter haben jüngst zum 31. März gekündigt. Es sind nicht die ersten Abwanderer. Das Team umfasste früher zehn Kräfte. Demnächst sind es nur noch fünf – inklusive Leitung. „Was passiert, wenn einer der Mitarbeiter krank wird? Und dem einen oder anderen steht bestimmt auch noch Resturlaub zu“, sagt Elternvertreter Nils Olbricht. Er ist Vater eines sechs Jahre alten Jungen und macht sich Gedanken, wie zuverlässig die Kindertagesstätte noch ist. Über die Missstände wurde er in dieser Woche auf einer außerordentlichen Elternversammlung informiert. Was Olbricht bei diesem Termin noch erfuhr: Die Kita-Leitung sei bereits an drei Agenturen herangetreten, um die gekündigten Stellen mit Zeitarbeitern zu besetzen. Der Versuch blieb jedoch erfolglos.

Das bestätigt auch Awo-Kreisgeschäftsführerin Anette Schmitt gegenüber dem Abendblatt: „Im Hamburger Rand ist es schier unmöglich, solche Kräfte zu bekommen.“ Die Kita arbeite schon jetzt mit personeller Unterdeckung. Bei der Elementargruppe gebe es jedoch keine Einschränkungen. Sie wird von Drei- bis Sechsjährigen besucht in der Zeit von 7 bis 13 Uhr. Auch für die drei Hortgruppen mit Erst- und Zweitklässlern ist die Nachmittagsbetreuung laut Schmitt gewährleistet.

Auf Versammlung wurde nach Lösungen gesucht

„Es gibt inhaltliche Differenzen. Wir können nicht alle Risiken von der Arbeiterwohlfahrt fernhalten“, sagt Rainhard Zug, Glindes Bürgermeister.
„Es gibt inhaltliche Differenzen. Wir können nicht alle Risiken von der Arbeiterwohlfahrt fernhalten“, sagt Rainhard Zug, Glindes Bürgermeister. © Stadt Glinde

Anders bei den älteren Kindern: „Drei Wochen Ferien stehen vor der Tür. Ich habe schon überlegt, unbezahlten Urlaub zu nehmen“, sagt Ina Hamann, Mutter einer Viertklässlerin. „Die Kita-Leiterin sagte uns, sie müsste sogar die zweiten Klassen nach Hause schicken, sollte ein weiterer Mitarbeiter krank werden“, berichtet Sabrina Michalski, die zwei Kinder in der Kita Tannenweg untergebracht hat.

Auf der Versammlung wurde genau dieses Szenario durchgespielt und nach Lösungsansätzen gesucht. Brauchbares kam nicht wirklich heraus. Laut Eltern offerierte die Leitung, sie könne Mütter und Väter in den frühen Morgenstunden anrufen zwecks Umplanung. Daraufhin erklärten sich mehrere Erwachsene bereit, unentgeltlich auf die Kinder aufzupassen und sich die Zeiten aufzuteilen. „Das wurde aber abgelehnt, weil wir keine ausgebildeten Betreuer sind“, sagt Hamann. Die Mütter und Väter sind weit davon ab, Erzieher zu kritisieren. Sie haben Verständnis für jene, die jetzt gekündigt haben. „Weil sie keine Gewissheit haben über die Zukunft“, sagt Michalski.

Das Einschalten eines Anwalts sei normal

Die Glinder Stadtvertreter hatten im Mai 2019 einstimmig ein einheitliches Hort-Betreuungskonzept für die Grundschulstandorte Wiesenfeld und Tannenweg beschlossen mit der Umsetzung zum 1. August dieses Jahres – und darüber hinaus die Kündigung des Vertrags mit der Arbeiterwohlfahrt, damit künftig alles aus einer Hand geregelt wird. Dieser hat eine Laufzeit bis 31. Dezember.

Dass eine vorzeitige Beendigung zum Beginn des neuen Schuljahres sinnvoll ist, darüber sind sich beide Seiten einig. „Zu welchen Bedingungen das geschehen soll, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen“, sagt Awo-Geschäftsführerin Schmitt. Auch Bürgermeister Rainhard Zug spricht von „inhaltlichen Differenzen“, ohne dabei ins Detail gehen zu wollen. Er verrät nur so viel: „Wir können nicht alle Risiken von der Awo fernhalten.“ Weil es keine Einigung gebe, habe man den Kita-Mitarbeitern auch noch keine unterschriftsreifen Verträge vorlegen können. „Aber wir möchten jeden übernehmen“, sagt Zug. Das Einschalten eines Anwalts bei Betriebsübergängen sei normal.

Awo betreibt 16 Kitas im Kreis Stormarn

SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach und seine Stellvertreterin Marlies Kröpke haben sich in der Kita Tannenweg ein Bild gemacht. „Für mich ist eine schnelle und einvernehmliche Lösung wichtig. Es geht hier um das Wohl der Kinder“, sagt Lauterbach. Die Eltern wollen ihre Sorgen allen Parteien vortragen und planen, am 3. März den Sozialausschuss zu besuchen.

Die Awo betreibt 16 Kindertagesstätten in Stormarn, unter anderem in Ahrensburg, Reinbek, Reinfeld und Großhansdorf. Rund 290 Mitarbeiter betreuen 1500 Jungen und Mädchen.