Reinbek. Wie sich die Kahl-Gruppe aus Reinbek auch in Krisenzeiten gegen die Konkurrenz behauptet. Fachkräftemangel bereitet die größten Sorgen.

Hochmoderne Holzpelletfabriken in Brasilien und Russland, Fischfutteranlagen in Ägypten, Tunesien, Nigeria und im Sudan, eine Extraktionsanlage für pflanzliche Wirkstoffe in Vietnam, ein Mischfutterwerk in Polen, ein Kraftfutterwerk in Taiwan: Überall auf der Welt finden sich Maschinen, Anlagen und sogar schlüsselfertige Produktionsstätten der Kahl-Gruppe mit Hauptsitz in Reinbek. „Ja, Schleswig-Holstein ist nicht nur das Land der Deiche und Kühe. Hier finden sich auch viele eindrucksvolle Maschinenbaubetriebe“, sagt Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Buchholz. „Von denen ich mir aber noch einige mehr zwischen Flensburg und Lauenburg wünsche.“

Das dritte Jahr in Folge besuchte der FDP-Politiker aus Ahrensburg auf Einladung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fünf Unternehmen, um sich hautnah einen Eindruck von der Lage in dieser Schlüsselbranche zu verschaffen. Sein Fazit: „Der Maschinenbau im Norden ist breit aufgestellt und präsentiert sich trotz konjunktureller Probleme robust und leistungsstark.“

75 Prozent aller Produkte werden exportiert

Mit 21.000 zumeist hochqualifizierten Beschäftigten – der Ingenieuranteil beträgt 18 Prozent – und einem Umsatz von 5,4 Milliarden Euro (2018) ist der Maschinen- und Anlagenbau der größte industrielle Wirtschaftszweig in Schleswig-Holstein. Die Betriebe exportieren rund 75 Prozent ihrer Produkte und begleiten die Maschinen oft über den gesamten Lebenszyklus mit Service und Wartung. Trotzdem stand in vielen Unternehmen der Branche im Vorjahr ein Minus in der Bilanz. Der VDMA konstatierte ein Auftragsrückgang von rund neun Prozent im Vergleich zu 2018. Besonders betroffen ist etwa der Tabakmaschinenspezialist Hauni-Universelle in Schwarzenbek, der jüngst sogar Mitarbeiter zum Abbummeln der Überstunden nach Hause schickte.

Laut VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann sind für den Auftragsschwund insbesondere „internationale Handelsstreitigkeiten, zunehmender Protektionismus, der Brexit sowie der tiefgreifende Strukturwandel in der Automobilindustrie verantwortlich. „Das hat in den Orderbüchern deutliche Spuren hinterlassen“. so Wortmann.

Fünf Tochterunternehmen mit 800 Mitarbeitern

Dennoch blickt der mittelständische Maschinenbauer Amandus Kahl aus dem Süden Stormarns optimistisch in die Zukunft. Mit seinen fünf Tochterunternehmen und insgesamt rund 800 Mitarbeitern hat sich die Kahl-Gruppe in verschiedenen Bereichen spezialisiert, von Maschinen und Anlagen zur Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln über Recyclinganlagen für Altreifen, Holz, Kunststoffabfälle, Klärschlamm sowie Haus- und Industriemüll bis zu ausgereiften Verfahren für chemische und pharmazeutische Produkte.

„Konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt sind wir aber vor allem, weil wir frühzeitig auf die sich aus dem Klimawandel ergebenden Herausforderungen reagiert haben“, sagt Kahl-Geschäftsführer Joachim Behrmann. Ein gutes Beispiel sei das Holzpelletwerk in Kosteljevo im Nordwesten Russlands, eines der modernsten Europas. „Weil auch in Russland inzwischen hohe Umweltstandards gelten, haben wir bei der Konzeption und Umsetzung der Anlage großen Wert auf einen nachhaltigen und ressourcenschonenden Produktionsprozess gelegt, bei dem selbst die anfallenden Späne in den Pellets gebunden werden“, so Behrmann.

GEA Tuchenhagen aus Büchen exportiert in 89 Länder

Die Delegation um Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (2.v.l.) besuchte auch die Firma GEA Tuchenhagen in Büchen.
Die Delegation um Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (2.v.l.) besuchte auch die Firma GEA Tuchenhagen in Büchen. © MWVATT SH | H. Haase

Weltweit vertreten ist auch GEA Tuchenhagen. Das Unternehmen aus Büchen produziert mit seinen 490 Mitarbeitern Pumpen, Ventile und Luftschleusen für die Produktion aller Arten von Flüssigkeiten. „Unsere Komponenten werden in 89 Länder der Erde geliefert. Alle wichtigen Nahrungsmittelkonzerne wie Coca Cola, Danone, Unilever und Nestle gehören zu unseren Kunden“, sagt Geschäftsführer Frank Prescher. Jeder zweite Liter Bier weltweit werde in Anlagen mit dem Know-how der GEA-Gruppe gebraut.

In den vergangenen Jahren seien vor allem die Anforderungen hinsichtlich einer zeit- und energiesparenden Produktion gestiegen bei gleichzeitiger Erhöhung der Hygiene- und Qualitätsstandards. „Um hier auch in den kommenden Jahren auf dem Weltmarkt bestehen zu können, bedarf es junger, engagierter und hochmotivierter Fachkräfte“, so Prescher. „Die zu finden, wird aber immer schwieriger.“

Infrastrukturausbau hilft, Mitarbeiter zu gewinnen

Eine Sorge, die er mit den Reinbekern teilt. „Die Grundausbildung in den Mint-Fächern an den Schulen ist katastrophal“, moniert Kahl-Chef Behrmann, das Niveau der Bewerber sei nicht selten ungenügend. Überdies falle es trotz flexibler Arbeitszeitmodelle und freiwilliger Sozialleistungen zunehmend schwerer, gute Fachkräfte zu halten. Erst kürzlich habe das Unternehmen gleich vier, zum Teil selbst ausgebildete Kollegen aus Niedersachsen verloren, die sich die täglichen Staus auf der A 1 und der B 404 Richtung Elbe einfach nicht mehr antun wollten.

„Dieses Problem kennen wir auch in Büchen“, bestätigt Prescher. Wenn die Bahnverbindungen nicht zuverlässig seien, verlängere sich die Fahrzeit für Kollegen schnell mal um eine Stunde und mehr. „Deshalb muss der Infrastrukturausbau, zu dem ausreichend Schul- und Kitaplätze ebenso wie kulturelle Angebote gehören, konsequent forciert werden, sollen sich die Probleme in den nächsten Jahren nicht verschärfen“, so Prescher.

Thema Betriebswohnungen wird wieder aktuell

Bei Amandus Kahl in Reinbek denkt man deshalb auch wieder intensiver über das Thema Betriebswohnungen nach. „Die Immobilien- und Mietpreise in der Metropolregion Hamburg schrecken so manchen Bewerber ab. Und lange, zeitaufwendige Wege kollidieren nicht selten mit den Wünschen der jungen Generation nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance“, weiß Co-Geschäftsführer Uwe Wehrmann.

Die zukünftigen Bedarfe an Ingenieuren bewerten weit über die Hälfte der vom VDMA befragten Unternehmen als deutlich zunehmend. Zwar werde laut Minister Bernd Buchholz an den Hochschulen und Universitäten des Landes genügend Nachwuchs ausgebildet. Gleichzeitig wünscht er sich aber eine noch engere Verzahnung zwischen Hochschulen und Betrieben.