Ahrensburg. Dokumente aus vergangenen Jahrhunderten lassen interessante Schlüsse über die Vergangenheit der Schlossstadt zu.
In kleinen Paketen mit Bindfaden zusammengeschnürt lagen sie mehr als 100 Jahre lang verborgen in einer Kommode auf dem Dachboden der Villa Mohrdiek an der Adolfstraße. Nun liefern sie der Öffentlichkeit neue Einblicke in die Zeit von 1889 bis 1949. Das Stadtarchiv Ahrensburg hat 2265 beschriebene Büttenpapierseiten, 476 Postkarten, 501 Briefumschläge und weitere Dokumente aus dem Nachlass der Ahrensburger Familie Mohrdiek/Hansen restaurieren lassen. Sie zeichnen das Leben in der Schlossstadt und außerhalb davon über zwei Weltkriege hinweg nach.
Durchsicht der Briefe war wegen ihres Alters kaum möglich
Die Familie unterhielt verschiedene Geschäfte in Ahrensburg, darunter eine Meierei an der Hagener Allee. Die Korrespondenz ist eine Schenkung der Bargteheiderin Christine Assmy, die die Dokumente von Lydia Mohrdiek erbte, einer Cousine ihres Vaters. Bei den Briefen handelt es sich um Feldpost von Söhnen aus beiden Weltkriegen, Briefe aus der Studentenzeit von Martin Mohrdiek, von Auslandsaufenthalten in den 1930er- Jahren und vom Ahrensburger Alltagsleben. „Diese Schenkung, mit der auch die Nutzungsrechte verbunden sind, ist ein echter Quellenschatz“, sagt Stadtarchivarin Angela Behrens, die den Nachlass im Sommer 2018 entgegennahm. „Ob es um Fragen der Kindererziehung, die Rolle der Frau oder das Leben im Krieg geht, die Briefe dokumentieren anschaulich die historische Entwicklung.“
Ihr Papier sei so fragil gewesen, dass eine Durchsicht der Briefe kaum möglich war. Deshalb restaurierte die Preservation Academy Leipzig (PAL) die Dokumente im Auftrag der Stadt und digitalisierte sie anschließend. Für die Gesamtkosten in Höhe von rund 14.500 Euro erhielt die Verwaltung Fördermittel des Landes in Höhe von 13.000 Euro zum Erhalt schriftlichen Kulturguts.
Es gab schon im Jahr 1949 ein Kino in Ahrensburg
„Wir sind glücklich über diesen Archivzuwachs. Es ist wichtig, dass alle interessierten Menschen Zugriff auf historische Quellen haben. Und wir möchten weitere dafür interessieren, wie zum Beispiel Schüler“, sagt Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach. Noch steht das Archiv am Anfang der Sichtung seines Neuzugangs. Schließlich sind die Dokumente überwiegend in Sütterlin geschrieben und bedürfen noch der Transkription. Überraschendes hat Stadtarchivarin Angela Behrens aber schon jetzt entdeckt: „Die Familie Mohrdiek hat 1949 in Ahrensburg ein Kino eröffnet. Zu seiner Eröffnung kamen 200 Gäste.“ Wo das Kino stand und wie lange es in Betrieb war, gilt es noch herauszufinden. Dabei werden ab März Studenten helfen.
Sobald die Dateien und ihre Originale bewertet und verzeichnet sind, sollen sie in Teilen später online zugänglich sein, Forschungs- und Lehrzwecken dienen. Für Stifterin Christine Assmy geht die Familienforschung schon jetzt weiter. Seit 2012 wandelt sie aus Interesse auf den Spuren ihrer Vorfahren. „Die ortsbezogenen Schriftwechsel geben die damaligen Lebensbedingungen wieder, schenken neue Einblicke und manchmal entdecke ich sogar unbekannte Familienangehörige.“
Bestände der historischen Meldekartei sind nun digital
Ein weiteres Projekt des Stadtarchivs ist indes abgeschlossen: die Digitalisierung der historischen Meldekarteien aus den Jahren 1928 bis 1978. Das Ahrensburger Einwohnermeldeamt hatte dem Stadtarchiv einen Bestand von rund 75.000 handbeschrifteten Karteikarten im DIN A5-Format übergeben. Sie lagerten zuvor in mehreren Schränken im Rathauskeller. Doch die räumlichen Bedingungen waren für eine dauerhafte Aufbewahrung ungeeignet. Zudem war das Archiv schwer zugänglich.
Um den Bestand zu sichern und für Recherchen nutzbar zu machen, musste die historische Meldekartei digitalisiert werden. In den Beständen sind auch die Meldekarten des 1974 eingemeindeten Stadtteils Ahrensfelde und Meldekarten der bis 1978 in Ahrensburg gemeldeten Ausländer enthalten. Für die Digitalisierung erhielt die Stadt Fördermittel in Höhe von 8900 Euro vom schleswig-holsteinischen Kultusministerium, die Gesamtkosten belaufen sich auf gut 9900 Euro.
Auskünfte aus dem älteren Bestand zu den Meldedaten können im Stadtarchiv angefragt werden, der neuere Bestand ab 1978 ist erst nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist ab 2033 frei zugänglich. „Obwohl die historischen Meldedaten erst seit zwei Monaten digital verfügbar sind, konnten wir schon etliche Anfragen beantworten“, sagt Angela Behrens. „Ahrensburg musste nach dem Zweiten Weltkrieg rund 8000 Flüchtlinge und Vertriebene unterbringen. Die Meldekarten dokumentieren auch die vorübergehenden Aufenthalte dieser Flüchtlinge. Mancher hatte allein hier in der Schlossstadt sieben Adresswechsel.“ Aus Datenschutzgründen darf die Meldekartei nicht online gestellt werden. „Schließlich sind hier auch uneheliche Kinder und andere sehr persönliche Daten abgespeichert.“ Die Dateien sind mit eigenem Laufwerk auf dem städtischen Server abgelegt und sollen sicher vor unberechtigten Zugriffen sein.