Aumühle. Stiftung erinnert an den ersten Reichskanzler. Museumspädagoge Maik Ohnezeit führt durch die Ausstellungsräume in Friedrichsruh.
Otto von Bismarck (1815–1898) soll zu Lebzeiten einmal gesagt haben, er würde „jeden zu seinem Todfeinde erklären“, der ihm ein Museum errichte. Dennoch: Heute gibt es eines: Unscheinbar, keineswegs protzig, erinnert das Bismarck-Museum in Friedrichsruh an den ersten Reichskanzler. Mit einer Sammlung einzigartiger Exponate, unten Ausstellungsräume, oben vermietete Wohnungen.
In Dauerausstellung werden historische Schätze gezeigt
Wer das Fachwerkhaus an der Straße Am Museum betritt, macht eine Zeitreise. Kleine Hinweistafeln, wie mit der Schreibmaschine getippt, informieren statt multimedialem Ausstellungsführer über die Exponate. Rund 350 Originalobjekte und einige Reproduktionen werden in zehn Räumen und Bismarcks nachgestelltem Arbeitszimmer gezeigt. „Besitzer von Gebäude und Objekten ist die Familie von Bismarck. Wir als Otto-von-Bismarck-Stiftung betreuen das Museum, müssen die Ausgestaltung jedoch unangetastet belassen. Die im historischen Bahnhof präsentierte modernere Dauerausstellung ist von uns konzipiert“, sagt der zuständige Historiker, Maik Ohnezeit. Seit Jahrzehnten kaum verändert finden sich Schätze mit Geschichte. „1885 wurde über eine Nationalspende (‚Otto-Pfennig‘) Geld gesammelt, um das in Schönhausen an der Elbe gelegene Familiengut Schönhausen II anlässlich Bismarcks 70. Geburtstag zurückzukaufen. Sechs Jahre später, 1891, richtete man dort ein Museum für den ersten deutschen Reichskanzler ein“, sagt Ohnezeit, während er vor einem der wohl wichtigsten Objekte, einem großen Gemälde, steht. 1998 wurden Räume und Ausstellung neu gestaltet, 1927 kamen zahlreiche Objekte aus Schönhausen nach Friedrichsruh.
Gemälde wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört
Darunter auch das Bild, welches „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871)“ zeigt, gemalt von Anton von Werner. „1885 ist es entstanden und ein Geschenk der preußischen Königsfamilie“, sagt Museumspädagoge Ohnezeit: „Das Gemälde zeigt den auf einem Podest stehenden Kaiser Wilhelm I. Zur Linken Großherzog Friedrich I. von Baden, der das ‚Hoch auf Kaiser Wilhelm‘ ausbrachte.“
Vor dem Podium steht Otto von Bismarck mit dem Text der Proklamationsurkunde. „Eine zweite Fassung entstand 1882 für das Zeughaus in Berlin, wo Bismarck stärker in den Mittelpunkt rückte“, so Ohnezeit. Beide Gemälde wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die vierte Fassung entstand 1913 als Wandbild in der Aula des Realgymnasiums in Frankfurt/Oder, gilt aber seit 1948 als verschollen. Die dritte Fassung erhielt Bismarck als Geschenk zu seinem 70. Geburtstag - und jeder Besucher des Bismarck-Museums kann sie bewundern.
1950 wurde das Museum neu eröffnet
Erhalten sind auch weitere Exponate, die ab 1933 im Marstall gegenüber dem heutigen Museum gezeigt wurden. Nachdem das Schloss 1945 bombardiert wurde, war zunächst an eine Präsentation nicht zu denken. Neu eröffnet wurde das Museum 1950 im „Landhaus Friedrichsruh“, einer ehemaligen Gaststätte, die Bismarck 1871 gekauft hatte.
1998 wurden Räume und Ausstellung neu gestaltet, blieben seitdem fast unverändert. Viele Exponate wurden ergänzt, in aktuellen Kontext gesetzt. Ohnezeit: „Unser Auftrag als eine der Politikergedenkstiftungen des Bundes ist die Würdigung der Persönlichkeit und des Werkes Otto von Bismarcks.“
Man blicke dabei historisch kritisch auf alle Facetten. „Wir benennen Leistungen und Fehlleistungen Bismarcks auf dem neusten Stand der wissenschaftlichen Forschung. Bei unserer Arbeit trennen wir klar zwischen der historischen Persönlichkeit und dem Mythos Bismarcks“, so der 52-jährige Historiker, der selbst in Reinbek geboren ist und in Bergedorf aufwuchs: „Als Wissenschaftler ist es mir besonders wichtig, die Person des Reichskanzlers vom nationalen Heros zu unterscheiden.“
Ein Elefantenstoßzahn als besonderes Einzelstück
Doch gerade so manches Exponat in der Ausstellung in Friedrichsruh zeugt von großem Pathos: So sind in einer eher schlichten Schauvitrine ein Revolver, ein Unterhemd und ein Briefumschlag zu sehen. Die Geschichte dahinter sagenumwoben: Am 7. Mai 1866 schoss ein Student mit eben diesem Taschenrevolver auf Bismarck. Das Attentat scheiterte, denn die Waffe hatte keine Durchschlagskraft. „Bismarck zog sich heftige blaue Flecke an den Rippen zu“, so Ohnezeit. „Er war dick angezogen. Ob er eine schusssichere Weste trug, ist unklar.“ Wie damals aber üblich, stopfte seine Ehefrau, Gräfin Johanna, das Einschussloch im nun ausgestellten Unterhemd – wovon sich jeder im Museum überzeugen kann.
Interessant ist auch ein mit Schnitzereien verzierter Elefantenstoßzahn. Diesen erhielt Otto von Bismarck zu seinem 70. Geburtstag von der chinesischen Kaiserin Cixi. Erst anlässlich eines Besuchs des chinesischen Vize-Staatspräsidenten Wang Qishan im Mai 2019 erfuhr die Stiftung, dass es sich um ein besonderes Einzelstück handelt. Seither gehören Stoßzahn und Halterung zu den kunsthistorisch bedeutendsten Exponaten des Bismarck-Museums.
Rund 6000 Museumsbesucher in einem Jahr
Otto von Bismarck, geboren am 1. April 1815 in Schönhausen an der Elbe starb am 30. Juli 1898 in Friedrichsruh. Er war fast 30 Jahre lang Ministerpräsident in Preußen. Von 1871 bis zum Jahr 1890 war er der erste Kanzler des Deutschen Reiches. Dessen Gründung hatte er zuvor viele Jahre stark vorangetrieben. Die Otto-von-Bismarck-Stiftung ist eine von nur sechs deutschen Stiftungen, die direkt Politikern gewidmet sind. Nur Friedrich Ebert, Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Schmidt werden mit solchen Institutionen geehrt. Rund 17.000 Besucher in der Dauerausstellung sowie bei Diskussionen und Vorträgen außerhalb der Stiftungsräume wurden im vergangenen Jahr in Friedrichsruh gezählt. Jährlich schauen etwa 6.000 Besucher in die Räume des Museums, so die Bismarck-Stiftung. Mit rund einer Million Euro aus dem Etat der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, werden jedes Jahr nicht nur die zwölf festangestellten Mitarbeiter in Friedrichsruh und im Bismarck-Museum in Schönhausen finanziert. Auch die historischen Gebäude und Ausstellungen müssen von diesem Geld unterhalten werden. Um jedoch weitere nötige Ausgaben zu stemmen, „sind wir die einzige Politikergedenkstiftung, die auch einen eigenen Förderverein hat“, sagt Maik Ohnezeit. Das Bismarck-Museum (der Eintritt kostet vier Euro) und die Dauerausstellung „Otto von Bismarck und seine Zeit“ im benachbarten historischen Bahnhof sind von Dienstag bis Sonntag in der Zeit von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Von Oktober bis April allerdings nur bis 16 Uhr. Schulklassen und Minderjährige zahlen keinen Eintritt. Weitere Infos gibt’s unter www.bismarck-Stiftung.de.