Ahrensburg/Trittau. Klimaschutz-Debatte und Kaufprämie sorgen für größere Nachfrage nach umweltfreundlichem Antrieb. Auch Zahl der Hybridwagen steigt.
Sie ist für viele die Art, sich künftig fortzubewegen: die Elektromobilität. Durch die Klimaschutzdebatte und die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung rückt sie verstärkt in das Blickfeld von Politik und Öffentlichkeit. Die Zahl der strombetriebenen Fahrzeuge in Stormarn steigt. Sei es als reine Elektroautos oder als Hybridfahrzeuge mit Verbrennungs- und Elektromotor samt Batterie.
In Stormarn sind derzeit 206.000 Fahrzeuge zugelassenen
So sind im Kreis inzwischen 512 reine E-Autos und 1223 Hybridwagen zugelassen. Das sind zwar relativ wenig im Vergleich den insgesamt 206.000 zugelassenen Autos. Doch es gibt eine deutliche Steigerung: So waren Ende 2017 nur 155 reine E-Autos sowie 656 Hybridfahrzeuge in Stormarn zugelassen. Diese Entwicklung wird sich wohl fortsetzen. Der Grund: Die vor drei Jahren eingeführte staatliche Kaufprämie für Elektrofahrzeugewird bis 2025 verlängert und erhöht (siehe Textende).
Für E-Autos stehen schon 70 Ladestationen im Kreis bereit
Auf der anderen Seite können Halter auch in Stormarn eine immer dichtere Lade-Infrastruktur nutzen. So gibt es mittlerweile rund 70 Ladestandorte in Stormarn, die teilweise über mehrere Ladesäulen verfügen. 15 Städte und Gemeinden sind ans Ladenetz angebunden, darunter Ahrensburg, Bad Oldesloe, Bargteheide, Reinbek und Trittau.
Die Zahl der Ladesäulen hat sich dieses Jahr weiter erhöht. Allein in Bargteheide wurden jüngst drei weitere installiert. Damit existieren dort acht Ladesäulen. Tendenz: steigend. Der Grund: Bund, Länder, Kommunen und die Automobilwirtschaft wollen in den nächsten zwei Jahren bundesweit weitere 50.000 Stromtankstellen errichten.
Warum eine Ahrensburgerin auf den Hybridantrieb abfährt
Zu denen, die seit diesem Jahr zumindest teilweise elektrisch unterwegs sind, gehört Maike Heinemann. Die 30 Jahre alte Ahrensburgerin fährt seit drei Monaten einen BMW 225 XE. Der Hybrid ist ein Dienstwagen ihres Hamburger Arbeitgebers, den sie aus dessen Flotte ausgesucht hat und auch privat nutzen darf. Neben dem Klimaschutz spielten dabei auch finanzielle Gründe eine Rolle. Denn: Hybridfahrzeuge und reine E-Autos werden vom Staat steuerlich besser gestellt als Autos mit Verbrennungsmotoren. „Mit dem Elektroantrieb ist es schon ein schönes Fahren“, sagt Maike Heinemann, deren BMW ihr erstes E-Auto ist. „Allerdings ist ein Hybrid wegen der zusätzlichen Batterie schon schwerer als ein herkömmliches Auto und hat weniger Platz.“
Ihr Fahrzeug betankt Maike Heinemann meist zu Hause mit Strom
Ein reines Elektroauto anzuschaffen, traut sich Heinemann noch nicht, da sie die Infrastruktur zum Laden noch nicht als ausreichend empfindet. Ihr Hybrid hat bei reinem Elektroantrieb eine Reichweite von rund 50 Kilometern. „Zum Pendeln zwischen Ahrensburg und Hamburg ist das ok“, sagt Maike Heinemann, „für weite Strecken kommt man ohne Aufladen nicht aus.“
Trittauer nimmt langsam Abstand vom Thema Hybridfahrzeuge
Die Batterie ihres Hybriden lädt sie meistens zu Hause an einer eigens installierten Ladestation, einer sogenannten Wallbox, auf. Ab und zu nutzt sie auch öffentliche Ladesäulen, wie etwa die der Stadtwerke Ahrensburg am Rathausplatz. „Die Dichte der Ladesäulen hat sich schon verbessert“, sagt Maike Heinemann, „und an den meisten Säulen kann ich auch mein Ladekabel samt Stecker anschließen.“
Ein reines Elektroauto fährt Wolfgang Bortz aus Trittau. Der Hyundai Ioniq ist sein zweites E-Auto, rein elektrisch unterwegs ist er schon seit sechs Jahren, davor hatte er einen Hybrid. „Inzwischen halte ich nichts mehr von Hybridfahrzeugen“, sagt der Gemeindevertreter der Grünen. „Sie sind nur für den reinen Stadtverkehr von Vorteil, da sie dort weniger Benzin verbrauchen als Verbrennungsmotoren.“
Wolfgang Bortz hat bald zwei reine E-Autos zu Hause stehen
Ein Elektroauto fährt er vor allem aus Klima- und Umweltschutzgründen und verteidigt diese Antriebstechnik gegen Kritik. „Die Lithium-Ionen-Batterien zum Speichern des Stroms sind dauerhaft und können recycelt werden“, sagt Bortz. „Demgegenüber werden Öl und Benzin bei Verbrennungsmotoren einfach verbraucht und gelangen als Abgase in die Luft.“ Schon deren Transport über weite Strecken zum Endverbraucher belaste die Umwelt stark.
Den ebenfalls für Fahrzeuge möglichen Antrieb mit Wasserstoff hält er derzeit noch nicht für ausgereift. „Wasserstoff hat noch einen zu geringen Wirkungsgrad und wird aktuell noch aus fossilen Energieträgern wie Gas gewonnen.“ Am Fahren mit einem reinen Elektroauto gefällt Wolfgang Bortz zudem die Art der Fortbewegung. „E-Autos haben eine schnelle und direkte Beschleunigung und eine ruckfreie Schaltung“, berichtet er. Auch sei der Verschleiß der Bremsen geringer als bei Wagen mit Verbrennungsmotoren.
App auf dem Smartphone hilft bei der Suche nach einer Ladestation
Anders als Maike Heinemann sieht er auch kein Problem darin, weite Strecken mit seinem E-Auto zurückzulegen. „Nach meiner Erfahrung gibt es genug öffentliche Ladesäulen, um jederzeit die Batterie aufladen zu können“, sagt Bortz. Eine App auf seinem Smartphone helfe ihm, sie zu finden. Sein Hyundai habe eine Reichweite von 180 bis 210 Kilometern, der Ladevorgang bei fast leerer Batterie dauere 25 bis 30 Minuten. Das regelmäßige Aufladen macht Bortz zu Hause an einer Haushaltssteckdose. Der Trittauer Grüne ist von Elektroautos so überzeugt, dass es in seinem Haushalt demnächst ein zweites vollelektrisches Auto geben wird. So ist für seine Frau ein Skoda Citigo e iV bestellt.
Für ein rein elektrisch betriebenes Auto haben sich auch Gisela Tessmer und ihr Mann entschieden. Sie kauften vor vier Jahren ein Tesla Model S für die Familie mit drei Kindern aus Ahrensburg. Das Modell des US-amerikanischen Konzerns Tesla war 2015 bis 2017 das meistverkaufte Elektroauto der Welt. „Wir sind technischen Neuerungen aufgeschlossen und wollten möglichst umweltschonend fahren“, sagt Gisela Tessmer. Die 51-Jährige schwärmt ebenfalls vom Fahren mit einem E-Auto: „Die Beschleunigung ist klasse, der Bremsweg kurz und das leise Fahren sehr angenehm.“
Kunden loben die Netzdichte der Stationen von Tesla
Als Vorteil ihres Tesla sieht sie zudem die große Reichweite von rund 450 Kilometern. Er kann an eigenen Ladestationen von Tesla mit dort schon installierten Kabeln in 20 bis 30 Minuten kostenfrei aufgeladen werden. „Deren Verfügbarkeit in Deutschland ist gut, das Netz dicht“, sagt Gisela Tessmer, die regelmäßig die Tesla-Säulen in Braak benutzt. Auch kann sie den Wagen an anderen Ladesäulen mit ihrem eigenen Standardkabel aufladen.
Wenn E-Auto-Fahrer in Stormarn öffentliche Ladesäulen und -punkte nutzen, werden diese meistens von den Stadtwerken und Energieversorgern betrieben. So haben die Stadtwerke Ahrensburg sechs Ladestationen in der Schlossstadt. „Bis Ende des Jahres kommen eine Säule am Badlantic und im ersten Halbjahr 2020 vier weitere im Stadtgebiet dazu“, sagt Marketingmanagerin Maike Pielburg.
Stadtwerke-Kunden können mancherorts kostenlos Strom tanken
Sie kündigt zudem an, dass sich das Unternehmen im ersten Quartal 2020 dem deutschlandweiten Stadtwerke-Verbund „Ladenetz“ anschließen will. Jeder Stadtwerke-Kunde kann dann bei dem Energieversorger einen Ladechip erwerben, mit der sich nicht nur die firmeneigenen, sondern alle Säulen der Stadtwerke im Verbund nutzen lassen. Das Netz umfasst mehr als 13.000 Ladestellen im In- und Ausland. Bereits jetzt können Stadtwerke-Ahrensburg-Kunden mit ihrem Ladechip an den Säulen von Hamburg Energie kostenlos laden.
Die öffentliche Ladesäulen werden immer stärker genutzt
Mitglied bei „Ladenetz“ sind bereits die Vereinigten Stadtwerke (VS) und das E-Werk Sachsenwald. Beide unterhalten Ladesäulen in Stormarn und im Herzogtum Lauenburg. Die VS haben acht Säulen in Stormarn, in Bad Oldesloe, Bargteheide und Trittau. Das E-Werk Sachsenwald wird bis Jahresende 25 Ladesäulen betreiben, davon 19 in Stormarn.
Doch auch anderweitig macht sich die Zunahme und die wachsende Bedeutung von Elektromobilität bei den Versorgern bemerkbar. „Die Ladevorgänge und der Stromverbrauch an unseren Ladesäulen haben sich dieses Jahr gegenüber 2018 verdoppelt“, sagt Thomas Kanitz, Geschäftsführer des E-Werks Sachsenwald. „Allein im Oktober hat sich die abgenommene Strommenge verfünffacht zum Oktober 2018.“ Und auch Ladekarten werden stärker nachgefragt. „Früher war die Nachfrage überschaubar, nun verkaufen wir jede Woche eine neue Karte“, sagt Kanitz.