Lütjensee. Ortsdurchfahrt Hamburger Straße soll in zwei großen und drei kleinen Abschnitten saniert werden. Geschäftsleute befürchten Umsatzeinbußen
Die Hamburger Straße ist seit Monaten das Aufregerthema in der Gemeinde Lütjensee. Wegen der Bauarbeiten an der Bundesstraße 404 wälzen sich jeden Tag neben rund 10.000 Autos Hunderte Lastkraftwagen durch den Ort. Doch Aussicht auf eine Entspannung der Lage ist längst nicht in Sicht. Nach Abendblatt-Informationen wird sich die hochfrequentierte Umleitungsstrecke spätestens im Frühsommer nächsten Jahres in eine Dauerbaustelle verwandeln: Für die notwendige Sanierung der Straße sind bis zu zwei Jahre veranschlagt.
„Das ist insbesondere für viele Bewohner von Lütjensee, vor allem aber die direkten Anlieger der Hamburger Straße eine Katastrophe“, sagt Heinz Kroll. Noch viel mehr ärgert er sich allerdings darüber, dass die Gemeinde ihre Bürger über die trüben Aussichten nicht offensiv informiert hat. „Weil sich schlechte Nachrichten nun einmal nicht so gut verkaufen?“, fragt er.
B 404-Freigabe verzögert sich um drei Monate
Bürgermeisterin Ulrike Stentzler will das so nicht stehen lassen. Im Mai habe es bereits eine Einwohnerversammlung zum Thema gegeben. „Am 3. Dezember habe ich dann die Mitglieder des Finanzausschusses über den aktuellen Stand der Entwurfsplanung in Kenntnis gesetzt“, sagt sie auf Abendblatt-Anfrage. Es mache aber wenig Sinn, jetzt schon konkrete Termine nennen zu wollen: „Dafür gibt es einfach zu viele Unwägbarkeiten.“
Gerade erst musste Stentzler erfahren, dass sich das Ende der Bauarbeiten an der B 404 um mehrere Monate verzögern wird. Wie bereits berichtet, sind beim dreispurigen Ausbau zwischen den Anschlussstellen Lütjensee/Schönberg und Lütjensee/Grönwohld gravierende Mängel an der Brücke über die Grönwohlder Straße festgestellt worden. Statt, wie ursprünglich geplant, am 22. Dezember, kann der dritte Bauabschnitt der Bundesstraße 404 nun voraussichtlich erst im Frühjahr wieder für den Verkehr freigegeben werden.
Ortsdurchfahrt ist Teil der Landesstraße 92
„Das wirft unsere Planungen um mindestens drei Monate zurück“, sagt Stentzler. Aktuell gehe sie davon aus, dass mit den Bauarbeiten an der Hamburger Straße frühestens im April 2020 begonnen werden könne. Weil sie sich rund 1,5 Kilometer durch Lütjensee zieht, soll der Ausbau in zwei großen und drei kleineren Teilstücken erfolgen.
Das Projekt stellt die kleine Gemeinde vor große Herausforderungen. Weil die Hamburger Straße Teil der Landesstraße 92 ist, muss erst einmal der überregionale Verkehr umgeleitet werden. Logistisch kaum weniger kompliziert dürfte sich die Umleitung des lokalen Verkehrs gestalten, weil viele Grundstücke nur über die Hauptstraße erreichbar sind.
Hamburger Straße entstand Mitte der 1950er-Jahre
Mit Problemen muss zudem beim Ausbau der Straße selbst gerechnet werden. Da sie Mitte der 1950er-Jahre als Panzerstraße mit Betondecke gebaut worden ist, hat sie inzwischen sechs Jahrzehnte auf dem Buckel und soll deshalb komplett erneuert werden. „Dass bei diesem Alter unter der Decke noch böse Überraschungen lauern, ist leider nicht auszuschließen“, sagt Stentzler.
Der Zweckverband Obere Bille wolle die Gelegenheit jedenfalls nutzen, um gleich sämtliche Trink- und Abwasserleitungen zu checken und gegebenenfalls zu ersetzen. Zudem soll der Rad- und Fußweg auf der gesamten Länge erneuert und verbreitert werden. „Hier hoffen wir auf Kooperation mit den Anliegern, weil zur normgerechten Erstellung an einigen Stellen Grunderwerb notwendig ist“, sagt Bürgermeisterin Stentzler.
Tankstellenbetreiber befürchtet einen Stellenabbau
Davon haben Eckhard Heller und sein Sohn Stefan schon gehört. Die Familie betreibt seit 100 Jahren die Shell-Tankstelle mit angeschlossener Autowerkstatt und soll nun ebenfalls einen Teil ihres Grundstücks an der Hamburger Straße abtreten. „Bislang hat aber noch niemand mit uns gesprochen, man erfährt alles nur bruchstückhaft“, sagt Eckhard Heller. Schon jetzt sollen mehrere Anrainer Anwälte mit der Wahrung ihrer Rechte beauftragt haben, sei ihm berichtet worden.
Viel mehr sorgt sich Sohn Stefan unterdessen um die zu erwartenden Umsatzeinbußen. „Sollte sich das Baugeschehen tatsächlich bis ins Jahr 2022 hinziehen, rechne ich mit einem Rückgang um bis zu 80 Prozent“, so Heller Junior. Das sei auf diese Dauer aber kaum ohne einen temporären Stellenabbau zu kompensieren.
Bäckermeister schafft vorsorglich acht neue Parkplätze
Das beurteilt Bäckermeister Leif Zingelmann ebenso. „Sollten die Kunden ausbleiben, sind ein bis zwei Arbeitsplätze in Gefahr“, sagt er. Vorsorglich habe er schon mal ein benachbartes Grundstück gekauft, um dort acht weitere Parkplätze zu schaffen. „Das hilft uns aber nur dann weiter, wenn unsere Kunden auch bis dorthin kommen“, so Zingelmann. Deshalb hoffe er, dass die Geschäftsleute in alle Planungen intensiv eingebunden werden. Denn angepackt werden müsse die Straße auf jeden Fall.