Lütjensee. Anwohner beklagen Abgase und Geschwindigkeitsverstöße durch Umleitungsverkehr der B 404. Auch ihre Sicherheit sehen sie gefährdet.
Klaus-Peter Stuhr steht vor dem Café Petit und blickt sorgenvoll auf die Hamburger Straße, als gerade ein LKW vorbeirauscht. Ein gewohntes Bild für den Mitarbeiter. Zur Zeit fahren in einer Stunde teilweise mehr als 50 Lastkraftwagen durch den Ort. Grund hierfür ist die Vollsperrung der B 404 zwischen den Anschlussstellen Lütjensee/Schönberg und Lütjensee/Grönwohld. Für rund zehn Millionen Euro wird der vier Kilometer lange Straßenabschnitt dreispurig ausgebaut. In dieser Zeit wird der Verkehr teilweise über die Landstraße 92 durch Lütjensee umgeleitet.
„Die Situation mit den LKW ist für uns als Geschäftsleute sowie auch als Anwohner untragbar“, sagt Stuhr. „Tagsüber verpesten sie hier alles und abends kriegt man kein Auge zu.“ Während die Gläser im Schrank wackeln, macht er sich Gedanken um Einbußen, vor allem für den Sommer und die Ferien wünscht er sich ein Durchfahrtsverbot für LKW. „Es ist einfach eine dauerhafte Belastung.“
Auch Grundschule betroffen
Ein paar Häuser neben dem Café befindet sich die Grundschule Lütjensee. Schulleiter Marcus Bieder empfindet die Situation ähnlich, spricht sich für ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde im ganzen Ort aus. Besonders die Kinder seien durch zu schnelle Autos und LKW gefährdet. Zudem wünscht er sich einen fest installierten Blitzer an der L 92. Bisher gibt es vor der Schule zwar eine Anzeige, die Fahrern mittels eines traurigen Emojis zeigt, ob sie zu schnell fahren, jedoch sei dies keine ausreichende Kontrolle und ohne jegliche Ahndung wenig effektiv, meint Bieder.
Um diese Anliegen möchte sich Bürgermeisterin Ulrike Stentzler kümmern. Sie nimmt die Beschwerden und Sorgen der Anwohner und Geschäftsleute, die immer mehr werden, deutlich wahr. „Ein Problem in dieser Situation ist vor allem, dass sich die Leute nicht ernst genommen oder gehört fühlen.“ Deshalb versuche sie, mit Politikern, dem Ordnungsamt sowie dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr im April eine Veranstaltung zu organisieren, bei der alle miteinander ins Gespräch kommen und sich den Sorgen der Lütjenseer widmen können. „Weiterhin schwierig ist, dass die Bürger nicht so recht wissen, an wen sie sich wenden können“ so Stentzler.
Polizei schätzt Situation anders ein
Ob es eine Anwohnerin ist, der auf der maroden Landstraße ihr Autoreifen platzt, oder die Bürgermeisterin selbst, die öfter in gefährliche Situationen mit überholenden oder rasenden LKW gerät. Unter den Kraftfahrern seien auch viele mit ausländischen Kennzeichen, die nicht zum Lieferverkehr zählen.
Dass in Lütjensee zu schnell gefahren werde, ist hier allgemeiner Konsens. Anderer Auffassung ist die Polizei. Maßnahmen wie einen Blitzer oder eine Erweiterung der 30er-Zone hält sie derzeit nicht für notwendig. Ein Sprecher der Polizeidirektion Ratzeburg berichtet, man habe sich gemeinsam mit dem Amt Trittau vor Ort ein Bild von der Lage gemacht. Dabei wurde zwar ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, jedoch ohne Geschwindigkeitsverstöße registriert. Aufgrund der Fußgängerbedarfsampel vor der Schule, die häufig manuell betätigt werde, gerate der Verkehr sowieso durchgängig ins Stocken.
Die Bürgermeisterin bemüht sich dennoch um zwei Tempomessanlagen und einen mobilen Blitzer. Auch die Lehrer und Eltern der Grundschüler wurden aktiv und organisierten „Laufbusse“, um die Lage etwas sicherer zu gestalten. Eltern bringen ihr Kind zu einem von drei Treffpunkten, von dem andere Eltern oder ehrenamtliche Helfer die Schülergruppe zu Fuß zur Schule begleiten. Über dieses Angebot freut sich Marcus Bieder: „Wir erfahren tolle Unterstützung!“ Um den Dienst auch weiter anbieten zu können und Freiwillige zu gewinnen, veranstaltete die Schule gestern einen Infoabend.
Bauarbeiten verzögern sich
Darüber hinaus gibt es ein Bustraining, das den knapp 190 Grundschülern die Verhaltensweisen in Gefahrensituationen näherbringen soll. Auch zwei Gemeindemitarbeiter, die täglich aufpassen, sind vor der Schule positioniert. Das hält Linn Johannsen, Mutter eines Grundschulkindes, für sehr sinnvoll: „Wir wohnen nicht in Lütjensee und so kommt es, dass mein Sohn hin und wieder Bus fahren muss. Ich mache mir da schon Sorgen, aber finde es toll, dass die Schule sich einsetzt.“
Noch bis 22. Dezember diesen Jahres soll die Umleitung bestehen. Die Bewohner und die Bürgermeisterin zeigen sich skeptisch: „Man kennt es ja von vergleichbaren Baustellen, meist fallen danach noch Restarbeiten an.“ Die zehn-monatige Bauphase trifft die Gemeinde insofern besonders, da ursprünglich mit acht Monaten zu rechnen war. Aufgrund artenschutzrechtlicher Belange der Haselmaus muss eine zweimonatige Baupause eingelegt werden. Ein generell späterer Baubeginn wäre wiederum auch nicht möglich gewesen, da eine Brücke über dem Gewässer Ripsbek abgerissen werden musste, bevor Fledermäuse diese als Nistplatz nutzen. „Man hätte ja eventuell eine Spur befahrbar lassen können“, überlegt Stentzler. „Aber das ist vermutlich eine Kostenfrage.“
Nächste Baustelle schon in Planung
Das Umleitungskonzept stellt sich als problematisch dar. „Wir wissen, dass es eine unglückliche Situation ist, aber es gibt keine alternative Streckenführung“, sagt der Polizeisprecher. Weder den PKW- noch den LKW-Fahrern ist vorgeschrieben, die empfohlene, längere Umleitung über die A 1 und A 24 zu fahren. Zudem habe man mit der Fertigstellung im Dezember ein Ziel vor Augen. Danach erwartet die Gemeinde Lütjensee jedoch die nächste Baustelle: Im Jahr 2020 soll die L 92 saniert werden.