Reinbek. Das St. Adolf-Stift in Reinbek ist jetzt zertifiziertes Zentrum für Magen- und Speiseröhrenchirurgie. Arzt spricht über Operationen.
Am Dienstagmorgen um 8.30 Uhr stand der Mediziner Human Honarpisheh im Operationssaal und machte sich am Magen eines Patienten zu schaffen. Nach 90 Minuten war die Sache erfolgreich erledigt: ein kleiner Eingriff für den 50-Jährigen und eine Art des Warmlaufens – für wesentlich kompliziertere Aktivitäten im Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift am Nachmittag. Der Arzt entfernt zum Beispiel Tumore an der Speiseröhre und benötigt für diesen Vorgang bis zu acht Stunden.
Menschen mit solch einem Krankheitsbild sind bei ihm in guten Händen. Die Klinik wurde jetzt von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) ausgezeichnet, erhielt das Zertifikat „Kompetenzzentrum Oberer Gastrointestinaltrakt“. Dabei geht es um die Chirurgie des Magens und der Speiseröhre. Deutschlandweit gibt es nur sieben solcher Zentren, in Schleswig-Holstein hat das Krankenhaus damit ein Alleinstellungsmerkmal. Honarpisheh, der den Titel des Departmentleiters trägt, hatte mit einem 30-köpfigen Team mehr als ein Jahr auf die Zertifizierung hingearbeitet.
Zwei Ärzte sind bei den Operationen federführend
„Wir haben hohe Qualitätsanforderungen“, sagt DGAV-Geschäftsführerin Kerstin Hoeft. Im Prüfverfahren seien die Strukturen in der Klinik, die Prozessabläufe und Ergebnisse bei den Operationen beleuchtet worden. „Wir haben eine sehr gute Organisation der Arbeitsabläufe sowie die Zusammenarbeit mit allen Fachbereichen registriert.“ Über die Auszeichnung sagt die Akademikerin: „Wer Qualität zu bieten hat, sollte es auch zeigen.“ Das Zertifikat bedeutet zugleich, dass die Reinbeker Ärzte in diesem Bereich zu den besten gehören.
Operationen am Magen oder an der Speiseröhre leitet neben Honarpisheh auch Professor Tim Strate, der die Chirurgische Klinik führt. Er sagt: „Die anatomische Lage der Speiseröhre ist kompliziert. Sie befindet sich in direkter Nähe der Aorta und der Luftröhre, die mit ihrer pergamentdünnen Haut sehr empfindlich ist.“ Es sei eine große Herausforderung, eine von Krebs befallene Speiseröhre und das Lymphgewebe präzise zu behandeln, um Rückfälle zu vermeiden.
Das St. Adolf-Stift arbeitet nach eigenen Angaben sehr sauber und präsentiert als Beleg folgende Zahlen: Demnach liege die Rate der vollständigen Tumorentfernungen an der Speiseröhre bei 96 Prozent und damit deutlich über dem nationalen Schnitt, der sich zwischen 90 und 92 Prozent bewege.
Nicht mehr als zwei bis zu achtstündige Eingriffe in der Woche
Der gebürtige Iraner Honarpisheh kam als Jugendlicher nach Deutschland, schon sein Vater war im medizinischen Bereich tätig. Nach dem Studium arbeitete er erst am UKE in Hamburg, danach in Kiel und an der Asklepios Klinik Barmbek, welche er durch sein Wirken ebenfalls in den Kreis der von der DGAV zertifizierten Einrichtungen brachte. Im April 2014 lotste ihn Strate aufgrund seiner Erfahrung nach Reinbek. Inzwischen ist der Mediziner, der mit seiner Frau in den Walddörfern lebt und zwei Töchter hat, 13 Jahre verantwortlicher Operateur und hat mehr als 2000 Eingriffe im oberen Gastrointestinaltrakt vorgenommen.
In Reinbek setzt der Krebsspezialist pro Woche nicht mehr als zwei bis zu achtstündige Operationen an und lässt zwischen ihnen mindestens zwei Tage vergehen. „Es ist wichtig, dass alle im Team genug Zeit haben, sich körperlich und seelisch zu erholen“, erklärt Honarpisheh, der schon viele Ärzte ausgebildet hat. Über seine Arbeit sagt der Mediziner: „Die schwierigsten Eingriffe sind die, bei denen man gleichzeitig im Brust- und im Bauchraum operieren muss, zum Beispiel bei Krebs.“ Denn hierbei werde aus dem Magen eine Speiseröhre geformt und dann im Brustraum eingesetzt. „Oft entscheiden nur wenige Millimeter – etwa beim Entfernen von Lymphgewebe – über das Gelingen.“
Honarpisheh operiert Speiseröhren in einem eingespielten Team und nach standardisierten Abläufen: „So weiß jeder am Tisch, was als nächstes passiert.“ Dabei trägt er eine Lupenbrille. Die technischen Schritte hat er so optimiert, dass eine Bluttransfusion während einer OP im St. Adolf-Stift selten ist. Mit dem Zertifikat darf sich das Krankenhaus übrigens drei Jahre schmücken, muss sich dann wieder überprüfen lassen.
Ausbau der Reinbeker Klinik wird teurer als ursprünglich geplant
In der Reinbeker Klinik arbeiten inklusive der 125 Auszubildenden mehr als 900 Menschen. Sie ist seit 2014 eine gemeinnützige Gesellschaft im Elisabeth Vinzenz Verbund (EVV), einem bundesweiten Zusammenschluss katholischer Krankenhäuser sowie weiterer Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen. Pro Jahr werden im St. Adolf-Stift 19.000 Patienten stationär und 25.000 ambulant versorgt.
Derzeit wird die Klinik erweitert. Ursprünglich sollte der Ausbau 2020 abgeschlossen sein bei einem Investitionsvolumen von 18 Millionen Euro. Der Zeitplan ist nicht mehr zu halten, weil statt einer neuen Zentralen Notaufnahme ein integriertes Notfallzentrum samt Portalpraxis und doppelter Größe erstellt wird. „Das Projekt kostet mehr als 20 Millionen Euro“, sagt St.-Adolf-Stift-Geschäftsführer Björn Pestinger.