Bad Oldesloe. Bei der Feier zum 40. Geburtstag in Großhansdorf blickten Gründungsmitglieder auf die Anfangszeit der Partei zurück.
Der Großhansdorfer Stefan Kehl hat seinen Vierzigsten gefeiert. Nicht seinen eigenen Geburtstag, sondern das Jubiläum seiner Partei – der Grünen –, das auch seines ist. Denn Kehl zählt sowohl zu den Gründungsmitgliedern in Schleswig-Holstein als auch auf Bundesebene. Zur Geburtstagsfete der Kreis-Grünen im Waldreitersaal Großhansdorf waren mehr als 150 Parteimitglieder und geladene Gästen aus Verwaltung und Politik gekommen, auf die ein Abend mit Festreden, Livemusik, Büfett und fröhlich gestimmtem Beisammensein wartete. Sie ließen sich die Stimmung auch dann nicht vermiesen, als verkündet wurde, dass Robert Habeck seine Rede kurzfristig wegen Krankheit hatte absagen müssen.
Mitglieder mussten Bürgern ihre Ziele vor Wahl erklären
Stattdessen blickte blickte Stefan Kehl auf vier Jahrzehnte Parteigeschichte zurück, in denen er 25 Jahre in der Gemeindevertretung Großhansdorfs und 21 Jahre als Fraktionsvorsitzender aktiv war. „1978 wurde in Rendsburg in einer Gaststätte die Grüne Liste Schleswig-Holstein gegründet“, berichtete er. Damals seien die Mitglieder wegen der Landtagswahlen im März desselben Jahres noch von Tür zu Tür gegangen, um Unterschriften zu sammeln. Kehl erinnerte sich: „Wir mussten erst einmal erklären, wer wir sind und was wir wollen, weil die Leute die Grüne Liste nicht kannten.“
2,4 Prozent habe die Grüne Liste bei dieser ersten Landtagswahl für sich verbuchen können. Zur Europawahl sei sie 1979 als Sonstige Politische Vereinigung/Die Grünen angetreten, einem Bündnis aus unterschiedlichen ökologisch orientierten Gruppen. Bei der Gründung als Bundespartei unter dem Namen Die Grünen 1980 in Karlsruhe habe das Spektrum von Baldur Springmann, einem ehemaligen NSDAP-Mitglied, über Linksliberale bis hin zu kommunistischen K-Gruppen gereicht, so Kehl. „Bei den K-Gruppen war auch Wilfried Kretschmann dabei, der damals noch mit Beatles-Frisur herumlief.“ Kehl selbst verortete sich eher als sozialliberal, war aber gegen die Atomkraft, die zu dieser Zeit von den etablierten Parteien als zukunftsweisend betrachtet wurde.
Kehl überraschte einst in Anzug und Schlips
Eine andere Szene, die Kehl lebhaft in Erinnerung geblieben ist, habe sich Anfang der Achtzigerjahre in Frankfurt in der Küche von Mitbegründerin Jutta Ditfurth abgespielt. Diese habe sich „sehr gallig über einen gewissen Taxifahrer und Sponti Joschka Fischer ausgelassen“. Dieses Detail sorgte bei den Anwesenden im Waldreitersaal für viel Heiterkeit. Der Einzug in den schleswig-holsteinischen Landtag gelang 1996, da holten die Grünen 8,1 Prozent der Stimmen. Die Partei hatte nicht nur politisch, sondern auch privat Einfluss auf Kehl: Bei einem Mitgliedertreffen im Ortsverein Großhansdorf lernte der 58-Jährige seine Frau Sabine Rautenberg kennen, die derzeit als Kreisvorsitzende aktiv ist.
Heute sind die Mitgliedern der Partei, die in der Selbstfindungsphase noch Flügelkämpfe zwischen Realos und Fundis austrug, nicht mehr so einfach an Wuschelmähnen, Strickpullovern oder Birkenstock-Sandalen zu erkennen. Kehl erschien zu seiner ersten Gemeindevertretersitzung 1994 in Anzug und Schlips – und erntete erstaunte Blicke: Diesen Aufzug hatten die Vertreter der anderen Parteien offensichtlich nicht erwartet.
Wilfried Janson lebt auch privat nachhaltig
Als der Oldesloer Wilfried Janson bei der Kommunalwahl 1982 als einziger Grüner in die Stadtvertretung gewählt wurde, war das noch anders. Die Reaktionen reichten von „grüner Spinner“ bis zum Belächeln. Janson, wie Kehl 1979 in die Grüne Liste Schleswig-Holstein eingetreten und bei Gründung der Bundespartei dabei, hatte in den Anfangsjahren laut Geschäftsordnung nicht einmal ein Rederecht in den Ausschüssen. „Als Stadtverordneter durfte man dort nur reden, wenn man auch in den Ausschüssen saß.“ Das wiederum war ohne Fraktion gar nicht möglich.
Seit 1982 habe er unermüdlich dafür gekämpft, dass die Stadt ihren Energiebedarf selbst erzeuge, um vom Atomstrom unabhängig zu werden. Dazu habe er beispielsweise den Bau des ersten Blockheizkraftwerks für die Schwimmhalle vorangetrieben. Es ist seit 1985 in Betrieb. „Inzwischen deckt die Stadt 40 Prozent ihres Energiebedarfs mit regenerativen Energien aus eigener Erzeugung ab. Damit haben wir den Spitzenwert in Stormarn erreicht“, berichtet er. Als nächstes Ziel hat Janson 100 Prozent anvisiert. Er sagt: „Das wollen wir bis 2025 erreichen.“ Gefragt, was er selbst zum Umweltschutz beitrage, zählt er auf: „Ich habe keinen Führerschein, fahre viel Fahrrad, baue im Garten Gemüse an.“ Durch effiziente Energiespartechnik habe er den Energiebedarf seines Hauses auf 800 Kilowattstunden im Jahr reduziert. „Und meine Frau fährt ein Erdgasauto.“ Auf den Weg zur Geburtstagsfeier seiner Partei hat er sich in einer Fahrgemeinschaft gemacht. Selbst auf der Feier geben sich die Grünen nicht mit dem Erreichten zufrieden – im Gegenteil. Janson sagt: „Es gibt noch so viel zu tun.“