Grosshansdorf. Das Fachkrankenhaus bietet Menschen mit einer bewegter Vergangenheit die Chance auf eine Ausbildung und einen Arbeitsplatz.

Susanne Quante ist seit Mitte 2015 Kaufmännische Geschäftsführerin der Lungenclinic in Großhansdorf. Nebenberuflich ist sie Schatzsucherin. Doch für ihren Zweitjob benötigt die 52-Jährige weder Spitzhacke noch Kompass. Stattdessen braucht sie Einfühlungsvermögen und einen guten Blick für Menschen. All das hat Susanne Quante, unter anderem zuständig für die Personalentscheidungen des auf Lungen- und Atemwegserkrankungen spezialisierten Krankenhauses am Wöhrendamm. Als „Schatz“ bezeichnet sie die Menschen, die um sie herum arbeiten.

Udonsi spricht von „absolutem Glücksfall“

Klinikchefin Susanne Quante interessiert sich bei der Auswahl der Bewerber nicht nur für Abschlussnoten.
Klinikchefin Susanne Quante interessiert sich bei der Auswahl der Bewerber nicht nur für Abschlussnoten. © Verena Künstner

Zu ihnen gehört Grace Udonsi, die seit November vergangenen Jahres in der IT-Abteilung der Klinik eine Umschulung zur Fachinformatikerin Systemintegration macht. Mit idealen Voraussetzungen: In ihrem Heimatland Nigeria hat die heute 49-Jährige Informatik studiert. Doch 2006 musste Grace fliehen. „Ich wurde bedroht und musste um mein Leben fürchten.“ Sie kam nach Deutschland, zusammen mit ihrem Baby. Sieben Jahre lang lebten sie in einem Flüchtlingsheim, immer mit der Angst, abgeschoben zu werden. „Die fremde Sprache war die größte Herausforderung“, sagt Grace Udonsi. Allein auf die Behörden konnte und wollte sich die junge Mutter nicht verlassen. Für jeden Gutschein, jeden Sprachkurs und jede Fortbildungsmöglichkeit kämpfte sie selbst. Für sich und ihren Sohn, der hier einmal eine gute Zukunft haben soll.

Dass sie in der Großhansdorfer Klinik eine Umschulung innerhalb ihres Spezialgebiets machen kann, bezeichnet Grace Udonsi als absoluten Glücksfall. Sie sagt: „Ich kann mein Wissen einbringen und lerne gleichzeitig viel Neues.“ Es sei alles gut strukturiert und die Arbeit sehr facettenreich. „Ich habe von Anfang an das Gefühl gehabt, endlich am richtigen Platz zu sein.“

Afghane arbeitet nach langer Suche nun in der IT-Abteilung

So geht es auch Ahmad Navid Tahir. Wie Grace arbeitet der 33-Jährige in der IT-Abteilung der Fachklinik. Und wie bei ihr war sein Weg hierher mehr als steinig. Der Afghane war gerade einmal Mitte 20, als er sich aus Angst um sein Leben allein auf die Flucht aus seiner Heimat machen musste. Fünf Monate war er unterwegs – zu Fuß, mit dem Schiff und per Auto. „Außer einer Tasche hatte ich nichts“, so Tahir, der in Afghanistan als Übersetzer arbeitete. Außerdem ist er im Bereich Informationstechnik ausgebildet. Umso glücklicher war er, als er nach Jahren voller Ungewissheit, einigen Umzügen innerhalb Deutschlands und diversen Integrationskursen im März 2018 die Chance erhielt, in der Großhansdorfer Lungenclinic ein ausbildungsbegleitendes Praktikum zu absolvieren.

Doch dann wuchsen Zweifel. „Viele sagten, ich solle doch lieber irgendeinen Job machen, bei dem ich richtig Geld verdienen kann“, erinnert sich Ahmad Tahir. „Und ich hätte tatsächlich fast aufgegeben. Immer wieder gab es Probleme mit den Behörden. Mittlerweile hatte ich eine Familie gegründet und musste auch an sie denken.“ Die Zweifel wurden größer. Bis seine Chefin Susanne Quante ihm half. Sie stellte ihrem Azubi jemanden zur Seite, der ihn bei den Behördengängen unterstützte, ihm immer wieder Mut zusprach. Mit Erfolg: Nach gelungenem Abschluss unterschrieb Ahmad Tahir im Juli einen Arbeitsvertrag und gehört nun fest zur IT-Abteilung des Klinikums. Für Klinikchefin Susanne Quante sind beide Mitarbeiter Beispiel dafür, dass hinter jedem Menschen eine qualifizierte, talentierte Fachkraft stecken kann. „Man muss nur mit ihnen reden, ihnen Zeit schenken und Perspektiven bieten“, sagt sie überzeugt.

Junge Frau aus Albanien liebt den Austausch der Kulturen

Katharina Scholl hat erlebt, dass nicht jeder Arbeitgeber dazu bereit ist. Die 31-Jährige hat Mukoviszidose, eine als unheilbar geltende Lungenerkrankung. Sie erschwerte der jungen Frau die Jobsuche sehr. „Ich habe Medizinische Fachangestellte gelernt und wollte auf jeden Fall in diesem Bereich arbeiten“, sagt Scholl. Sie ließ sich nicht entmutigen und bewarb sich in Großhansdorf. Vor fünf Jahren war sie selbst Patientin dort. „Nachdem mir jahrelang kein Arzt sagen konnte, was ich eigentlich habe, wurde hier endlich die richtige Diagnose gestellt.“ Dies sei für sie eine positive Verbindung zu dem Haus, in dem sie nun eine Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen macht. Ihr gefalle das herzliche Miteinander und die familiäre Atmosphäre. Nach der Abschlussprüfung im nächsten Jahr würde sie gern hier weiterarbeiten.

„Ich finde toll, dass ich hier Kollegen unterschiedlichster Herkunft habe. Erst der Austausch verschiedener Kulturen und persönlicher Erfahrungen macht die Welt bunt“, sagt Sara Xhukola. Sie selbst kommt aus Albanien und weiß mit ihren 19 Jahren ganz genau, was sie will. „Ich will Menschen helfen, ihnen ein gutes Gefühl geben und Ängste nehmen“, sagt die junge Frau. In Großhansdorf lässt sie sich zur Gesundheits- und Krankenpflegerin ausbilden und stellt dabei täglich ihr Engagement unter Beweis. Sara spricht so gut deutsch, dass sie Susanne Quantes neuestes Angebot wahrscheinlich nicht nutzen wird. Für andere Kollegen bietet die Klinikchefin ab Oktober einen Deutsch-Kurs an. Dabei soll nicht die Grammatik im Vordergrund stehen. Sie sagt: „Bei Gesprächen über alltägliche Dinge soll langsam die Barriere fallen. Viele sind aus Angst, etwas Falsches zu sagen, lieber still.“

Susanne Quante empfiehlt allen Vorgesetzten: „Klagt nicht nur ständig über den Fachkräftemangel. Schaut genau hin und führt mit euren Angestellten und Bewerbern intensive Gespräche.“ Ganz sicher befinde sich auch unter ihnen mindestens ein bis dahin unentdeckter Schatz.

Klinik behandelt im Jahr rund 12.000 Menschen

Die Klinik am Wöhrendamm 80 ist spezialisiert auf Erkrankungen der Lunge, des Brustkorbs und der Atemwege. Schwerpunkte sind Pneumologie, Onkologie, Palliativmedizin und Thoraxchirurgie. Professor Klaus F. Rabe, Ärztlicher Direktor, erhielt jüngst mit Forscherkollegen den Balzan-Preis für seine Arbeit zum Thema Pathophysiologie der Atmung. Ein Teil des Preisgelds fließt in die weitere Forschung. Das einzige von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierte Lungenkrebszentrum im Raum Hamburg/Schleswig-Holstein behandelt jährlich 8000 Patienten stationär und 4000 ambulant. 55 Ärzte und 170 Pfleger arbeiten dort. Weitere Infos unter www.lungenclinic.de.