Bad Oldesloe. Trotz der S4 und der geplanten drastischen Ausweitung des Güterverkehrs will die Bahn nicht mehr in Lärmschutz investieren.
Am Anfang stand ein großes Missverständnis. Kaum hatte Bernd Homfeldt, der als Chefplaner die Schienenanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung verantwortet, sein Referat im Kreisverkehrsausschuss vollendet, da regte sich schon massiver Unmut. Anlass der Einladung Homfeldts sei kein allgemeiner Lagebericht zum aktuellen Stand des Jahrhundertprojekts der Deutschen Bahn gewesen, so Kreispräsident Hans-Werner Harmuth (CDU), sondern Informationen zu den konkreten Auswirkungen auf das Kreisgebiet. Vor allem zur Frage, mit welchen Maßnahmen die Anrainer der Trasse vor den Folgen des steigenden Güterverkehrs geschützt werden sollen. Die Antwort des Bahnmanagers fiel so kurz wie überraschend aus: keine!
Dass die Schienenanbindung des Tunnels unterm Fehmarnbelt vielerlei Probleme bereitet, ist weder neu noch überraschend. Seit Jahren werden Aspekte des Natur- und Umweltschutzes ebenso kontrovers diskutiert, wie der Schutz von Anwohnern vor Lärm und Erschütterungen. Dass der Fortgang des Großprojekts auch im Kreis Stormarn aufmerksam verfolgt wird, schien Homfeldt, dessen Fokus vor allem auf Ostholstein gerichtet ist, zu überraschen.
Bahn will die "Rückkehr des Güterverkehrs auf die Schiene"
Dabei bedeutet die Fehmarnbeltquerung nichts weniger, als die „Rückkehr des Güterverkehrs auf die Schiene“, wie es Homfeldt selbst formulierte. Weil sich der Güterverkehr zwischen Hamburger Hafen und Kopenhagen mit dieser Trasse um 160 Kilometer verkürzt, rechnet die Bahn selbst mit einer beträchtlichen Verlagerung von Transporten auf Güterzüge. Aktuelle Prognosen für das Jahr 2030 gehen von 68 Güterzügen mit einer Länge von bis zu 835 Metern pro Tag in beide Richtungen aus. Das seien immerhin zehn Züge weniger als in der Prognose für 2025, rechnete Homfeldt vor. Hinzu kämen aber noch zehn bis 20 Personenzüge zwischen Hamburg und Lübeck.
Von all dem werden Bahnanrainer im Kreis Stormarn unmittelbar betroffen sein. Weshalb es in der Einwohnerfragestunde zahlreiche Fragen zu Art und Umfang eines verbesserten Lärmschutzes gab. Lorenz Hartwig, Vorsitzender des Bauausschusses Reinfeld, forderte die Bahn unmissverständlich auf, vor dem Anschluss an die Fehmarnbeltquerung erst einmal ihre Hausaufgaben für den Abschnitt Hamburg-Lübeck zu machen.
Kein zusätzlicher Lärmschutz in Stormarn
„Da die Bahn durch Berufspendler hier seit Jahren beträchtliche Einnahmen generiert, wäre es sicher angemessen, einen Teil davon in Form weiterer Lärmschutzmaßnahmen wieder zu reinvestieren“, befand Hartwig. Der Status quo sei angesichts des erhöhten Güterverkehrs in den kommenden Jahren jedenfalls nicht ausreichend.
Homfeldt konterte diese Aufforderung mit dem Hinweis darauf, dass die Bahn allein 2018 rund 100 Millionen Euro aus Bundesmitteln in den Lärmschutz an bestehenden Strecken investiert habe. Im Vorjahr seien bundesweit 45 Kilometer Schallschutzwände errichtet und auf diese Weise mehr als 2200 Wohnungen besser abgeschirmt worden. Zudem habe die Bahn bereits 85 Prozent ihrer Cargoflotte mit sogenannten Flüsterbremsen versehen. Dadurch sorgten etwa 53.000 Güterwagons für zehn Dezibel weniger Lärm pro Zug. Dies entspreche praktisch einer Halbierung des wahrgenommenen Geräuschpegels.
Von diesen Maßnahmen haben in den vergangenen Jahren auch Bürger im Kreis Stormarn bereits profitiert. Mit dem Bau von 16 Kilometern Lärmschutzwänden sind 420 Wohneinheiten besser geschützt worden. „Da auf dem Streckenabschnitt jedoch keine zusätzlichen Gleisanlagen gebaut werden, wird es auch keine zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen geben“, sagt Homfeldt.
Bund entscheidet über Lärmschutzmaßnahmen
Im Übrigen entscheide der Bundestag und nicht die Bahn über weitere Finanzmittel für übergesetzlichen Lärmschutz und wo diese investiert werden. Von 500 Millionen Euro war zuletzt die Rede gewesen. Doch selbst wenn sie beschlossen würden, müssten sich die betroffenen Kommunen erst einmal einen Platz auf der Prioritätenliste des Bundes erkämpfen, dem Ranking vordringlicher Einsatzgebiete.
Ob es angesichts dieser Unwägbarkeiten und der ohnehin zu erwartenden steigenden Lärmbelastung durch die S-Bahnlinie 4 nicht Zeit sei, über Alternativstrecken nachzudenken, wollte Peter Elmers aus Ahrensburg wissen. Außerdem würden die bis zu sechs Meter hohen Lärmschutzwände Stormarns Städte ohnehin zerteilen.
Eine Ausweichstrecke schließt die Bahn aus
Auch Hoffnungen auf diese Option erstickte Bahnmanager Homfeldt im Keim. Die mögliche Ausweichstrecke über Maschen und Büchen komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sie schlicht nicht elektrifiziert sei. Außerdem wolle die Bahn – ganz umweltfreundlich – ja weniger Dieselloks einsetzen und nicht mehr.
Trotz aller Argumente des Gastes forderte Landrat Henning Görtz am Ende der Debatte ein entschlossenes Nachsteuern beim übergesetzlichen Lärmschutz. „Nach dem Wegfall des Schienenbonus muss es eine Überprüfung der Grenzwerte geben. Zumal die Städte im Kreis durch den Bau der S 4 ohnehin doppelt belastet werden“, sagt Görtz. Beim Kampf um zusätzliche Maßnahmen seitens der Deutschen Bahn wolle der Kreis den betroffenen Kommunen zur Seite stehen und das Thema auch in die Landespolitik tragen.
Inlandsanbindung des Fehmarnbelttunnels kostet vier Milliarden Euro Für die feste Querung des Fehmarnbelts soll in der Ostsee ein 18 Kilometer langer Absenktunnel mit zweigleisiger Bahntrasse und einer vierspurigen Autobahn zwischen Puttgarden auf der deutschen Insel Fehmarn und Rödby auf der dänischen Insel Lolland entstehen. 1200 Seiten umfasst der Planfeststellungsbeschluss für die neun Abschnitte der Schienenanbindung des Fehmarnbelttunnels auf der deutschen Seite. An dem Dokument hat das zuständige Amt in der Landeshauptstadt Kiel fünf Jahre lang gearbeitet. 88 Kilometer lang ist das Kernstück der Inlandsanbindung, das Puttgarden auf Fehmarn mit Lübeck verbindet. 55 Kilometer davon sollen als komplett neue Trasse gebaut werden. Bad Schwartau fordert einen sieben Meter tiefen Trog als Lärmschutzmaßnahme. Auf vier Milliarden Euro taxiert der Bundesrechnungshof die Gesamtkosten für die Inlandsanbindung des Tunnels. Nach Ablauf der Einspruchsfrist soll 2022 mit den Bauarbeiten begonnen werden, die frühestens im Jahr 2028 abgeschlossen sein werden. |