Stapelfeld. Gemeinde hofft auf eine Wand an der A 1. Doch sie sieht wegen einer Verkehrszählung geringere Chancen und kritisiert den LBV.
Die 1800 Einwohner zählende Gemeinde Stapelfeld legt sich mit dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) an und wirft dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) Trickserei vor. Konkret geht es um den Lärmaktionsplan für die Jahre 2018 bis 2023. Die ortsansässigen Politiker weigern sich, diesem zuzustimmen. Sie unterstellen dem LBV, mit falschen Zahlen zu arbeiten – und zwar bei den Fahrzeugen, die auf der Autobahn 1 entlang des Ortes unterwegs sind. Dadurch, so argumentieren sie, werde die Lärmbelästigung für die Einwohner heruntergespielt. In dem Streit kocht auch ein altes Thema wieder hoch: Stapelfeld wünscht sich seit Langem eine Lärmschutzwand, wurde diesbezüglich jedoch ausgebremst.
Laut einer EU-Richtlinie sind zur Verminderung der Lärmbelastung der Bevölkerung und zum Schutz ruhiger Gebiete sogenannte Lärmaktionspläne mit Maßnahmen aufzustellen. Zuständig dafür sind in Stormarn die Gemeinden. Einen solchen hat auch Stapelfeld, der allerdings schon im vergangenen Jahr und für fünf weitere hätte fortgeschrieben sein sollen. „Dabei werden Zahlen angepasst. Jene für die Fahrzeuge auf der A 1 Höhe unseres Ortes stimmt aber nicht“, sagt Bürgermeister Jürgen Westphal von der örtlichen Wählergemeinschaft. „Die Zahl ist vom LBV zu übernehmen, das wurde uns so vermittelt.“
Seit 2012 fordert eine Initiative den Lärmschutz
In dem Entwurf des Lärmaktionsplans, der dem Abendblatt vorliegt, sind 90.649 Fahrzeuge pro Tag auf dem Abschnitt in beide Fahrtrichtungen aufgeführt. Zu wenig, finden auch Hardy Wendt (49) und Ulrich Kistenmacher (80). Die beiden Stapelfelder beschäftigen sich schon lange mit dem Thema Lärmschutz und engagieren sich in einer 2012 gegründeten Initiative, die eine Wand oder einen Wall entlang der Autobahn fordert.
Kistenmacher hat dicke Aktenordner mit Schriftverkehr zu dieser Sache in seinen Regalen. Wendt, beruflich in der IT-Branche tätig, hat sich intensiv mit Zahlen beschäftigt. Solche sind bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) gelistet und für jeden einsehbar. Für 2015 hat eine manuelle Zählung – die nächste ist 2020 geplant – auf dem Abschnitt zwischen den Anschlussstellen Stapelfeld und Barsbüttel 93.200 Fahrzeuge ergeben. „Aber der Verkehr hat ja zugenommen. Ich habe Zweifel an der Bewertungsgrundlage“, sagt Wendt. Westphal prognostiziert bis 2023 eine weitere Verkehrsbelastung und Lärmbelästigung, verweist dabei auf die Gewerbegebietserweiterung in Barsbüttel und das erste länderübergreifende Projekt von Hamburg und Schleswig-Holstein in Stapelfeld und Rahlstedt. Nicht zu vergessen ist laut Kistenmacher die geplante Fehmarn-Belt-Querung.
Stapelfelder monieren Ort der Zählstelle
Doch wie funktioniert so eine manuelle Zählung überhaupt? Dazu heißt es beim LBV: „Die Zahlen werden zu festgelegten Zeiten durch Verkehrszähler erfasst und durch ein Ingenieurbüro ausgewertet. Hierbei werden Dauerzählstellen herangezogen, um die in bestimmten Stundengruppen erhobenen Daten auf Tageswerte hochzurechnen.“
Stapelfelds Politiker sowie Wendt und Kistenmacher monieren den Standort der nächstliegenden Dauerzählstelle unweit des Kreuzes Hamburg-Ost. „Dort werden nicht die Fahrzeuge erfasst, die Stapelfeld queren und in Barsbüttel von der Autobahn abfahren“, sagt Westphal. Für den Abschnitt von Barsbüttel zum Kreuz Hamburg-Ost wurden mit dieser Methode 2015 81.901 Fahrzeuge am Tag registriert. Der LBV schreibt auf Abendblatt-Anfrage: „Es ist richtig, dass die Lage der automatischen Zählstelle für Ergebnisse im Bereich Stapelfeld ungünstig ist.“ Daher habe man eine zusätzliche Zählung 2018 veranlasst, die Ergebnisse direkt für den Bereich Stapelfeld geliefert habe.
Vor 40 Jahren gab es bereits einen Antrag
Diese Aussage stimmt Kistenmacher, der seit 1964 in Stapelfeld lebt, nicht zufrieden. Er sagt: „Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die Gemeinde besser zu schützen. Wir wollen irgendwann zur Lärmschutzwand kommen.“ Den Weg dahin stellen sich die Stapelfelder so vor: Durch mehr Verkehr, im besten Fall von einer automatischen Zählstelle in Stapelfeld dokumentiert, sollen die zuständigen Behörden dazu bewogen werden, ein solches Bauwerk umzusetzen. „Wir wollen endlich die Ruhe bekommen, die zum Beispiel unsere Nachbarn in Barsbüttel haben“, sagt Wendt. Dort wurde eine Lärmschutzwand installiert. Auch Stapelfeld hatte laut Westphal vor rund 40 Jahren einen Antrag beim Landesamt für Straßenbau gestellt, dieser sei nicht berücksichtigt worden. Der Bürgermeister: „Unterlagen sind nicht mehr aufzufinden, keiner weiß etwas über die Gründe.“
Vor drei Jahren setzte sich auch der heutige CDU-Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag, Tobias Koch aus Ahrensburg, für Stapelfeld ein. Das Bundesverkehrsministerium begrub aber die Hoffnung auf eine Wand mit der Begründung, Stapelfeld habe keine gesetzlichen Lärmschutzansprüche. Der Lärmpegel an den Wohnhäusern liege unter den Richtlinien, hieß es damals. Mit eigenen finanziellen Mitteln will die Gemeinde so ein Projekt nicht angehen – zu teuer. Wendt schätzt die Kosten auf bis zu 3,5 Millionen Euro.
Kommunalaufsicht ist über die Verzögerung informiert
Stapelfeld drängt nun auf eine Änderung der A 1-Fahrzeug-Zahlen im Lärmaktionsplan und hat zur Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am 19. September einen LLUR-Vertreter geladen. Das Landesamt ist Ansprechpartner, dort muss das Dokument auch vorgelegt werden. Dessen Sprecher Martin Schmidt sagte dem Abendblatt: „Die Gemeinde kann Wünsche in den Plan reinschreiben. Es wird sicherlich zu Verhandlungen über die Umsetzbarkeit von Maßnahmen kommen.“ Eine hohe Lärmbelästigung in der Gemeinde sei unstrittig. Schmidt rät Stapelfeld, den Lärmaktionsplan zu verabschieden. „Sonst kann sich die Kommunalaufsicht einschalten.“ Sie ist laut Schmidt über die Verzögerung bereits informiert.