Stapelfeld. Sind ein Wall oder eine Wand an der Autobahn 1 doch noch möglich? Bürgerinitiative will trotz Rückschläge nicht aufgeben.
Gemütlich im Garten sitzen und die Ruhe genießen – für viele Stapelfelder ist dies nahezu unmöglich. Denn sie sind dem ständigen Verkehrslärm der Autobahn 1 ausgesetzt. Deswegen macht sich seit Jahren eine Bürgerinitiative für den Bau einer Lärmschutzwand oder eines -walls stark – jedoch bisher ohne Erfolg.
Besonders ärgert Carsten Wien von der Initiative, dass die Nachbargemeinde Barsbüttel jetzt ein Lärmschutzwall bekommt – und Stapelfeld eben nicht. „Warum werden auch nicht die Einwohner von Stapelfeld vor Lärm geschützt?“, fragt Wien, der seit 46 Jahren in der Gemeinde lebt. Eine klare Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Denn jeder hat eine andere Auffassung darüber, warum Stapelfeld beim Lärmschutz unberücksichtigt bleibt.
Ist der Gemeinde ein Formfehler unterlaufen?
Die Position der Initiative: Die Gemeinde hat es – anders als Barsbüttel oder Großhansdorf – im Jahr 1977 versäumt, im Planfeststellungsverfahren für den Neubau der Anschlussstelle Stapelfeld die Rechtsgrundlagen für späteren Lärmschutz zu schaffen. „Der Gemeinde ist ein Formfehler unterlaufen“, sagt Thomas Frodeno von der Initiative. Denn Stapelfeld habe zwar einen entsprechenden Antrag beim Ladesamt für Straßenbau gestellt, dieser wurde aber im März 1978 abgelehnt. Die Begründung: Die Gemeinde habe grundsätzlich keinen Anspruch auf Lärmschutz – es sei denn, sie wäre Eigentümerin einer betroffenen baulichen Anlage. Dies war jedoch nicht der Fall.
Stapelfelds Bürgermeister Jürgen Westphal (WGS) sagt: „Heute ist es schwierig nachzuvollziehen, was falsch gelaufen ist, denn es gibt darüber keine Unterlagen mehr.“ Dennoch erinnert sich der Bürgermeister, dass der Bescheid von der Verkehrsbehörde beim Amt Siek eingegangen ist „und dann irgendwo im Orbit verschwunden ist. Fristen sind damit dann verstrichen“, sagt Westphal.
Politiker haben irgendwann resigniert
Laut Jens Sommerburg, Leiter des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (LBV) in Lübeck, hing und hängt der Bau eines Lärmschutzwalls nicht von Anträgen ab. „Der Vorhabenträger muss bereits während der Planung selbst den Lärmschutz überprüfen und gegebenenfalls planen“, erklärt Sommerburg. Somit prüft die Baubehörde selbst, ob ein gesetzlicher Anspruch besteht. Die Behörde berechnet mit einer Formel, mit welcher Lärmbelästigung in Dezibel zu rechnen sei. Dabei spielen diverse Faktoren eine Rolle, wie der Abstand zu Wohnhäusern, die Anzahl der Autos und Lastwagen, die tagsüber oder nachts auf der A 1 unterwegs sind oder die Beschaffenheit der Fahrbahn. Laut diesen Berechnungen hatten Großhansdorf und Barsbüttel schon beim sechsspurigen Ausbau Ende der 70er-Jahre einen Anspruch auf Lärmschutzvorrichtungen – Stapelfeld nicht.
Und seitdem kämpft die Gemeinde immer wieder für den Bau. „Die Politiker haben irgendwann resigniert“, sagt Carsten Wien, der deswegen zusammen mit anderen Stapelfeldern 2012 die Initiative gegründet hat, um weiter zu kämpfen. Unterstützung bekommt die Bürgerinitiative von dem CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Koch, der jetzt eine Chance für den Bau sah.
Ministerium: Weiterhin Kein Anspruch auf Lärmschutz
Denn anders als geplant wird die Autobahn 1 zwischen den Anschlussstellen Stapelfeld und Barsbüttel schon in diesem Jahr saniert. Eigentlich sollte die 35 Jahre alte Betondecke erst 2020 erneuert werden, weil 2017 auch die A 7 ausgebaut wird und die A 1 als Ausweichstrecke dienen und deswegen baustellenfrei bleiben soll. So lautete zumindest der Plan. Doch der Zustand der Fahrbahnen habe sich so verschlechtert, dass eine Sperrung einzelner Fahrstreifen droht, weil dort die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet sei.
Deswegen wurde die Sanierung jetzt vorgezogen. Und laut Tobias Koch biete sich der Bau eines Lärmschutzwall im gleichen Zug an. Doch der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsministerium in Berlin, Enak Ferlemann, begräbt die Hoffnung. In einer Antwort an Tobias Koch vom 31. August 2016 heißt es, dass Stapelfeld keine gesetzlichen Lärmschutzansprüche habe. Dabei spielten mögliche Versäumnisse in der Vergangenheit keine Rolle. Der Lärmpegel an den Wohnhäusern liege auch heute unter den gesetzlichen Richtlinien, die den Bau von Lärmschutzvorrichtungen auch ohne Planfeststellungsverfahren vorgeben. „Die sind knapp drunter“, sagt Koch.
Dennoch lässt sich die Bürgerinitiative davon nicht entmutigen. Derzeit lassen die Mitglieder berechnen, was der Bau kosten würde – in der Hoffnung, dass die Gemeinde dafür zahle. Seitens des Verkehrsministerium gibt es dagegen keine Bedenken. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Tobias Koch heißt es, dass der LBV die Gemeinde beim Planen unterstützen werde und Flächen, die dem Bund gehören, kostenlos zur Verfügung gestellt werden, wenn ein Baulastvertrag geschlossen werden würde. Die Flächen blieben dann im Besitz des Bundes und die Gemeinde müsste sich verpflichten, für die Errichtung, den Unterhalt und die Versicherung der Lärmschutzanlage aufzukommen.
Gemeinde kann eine Wand nicht selbst finanzieren
„Das ist völlig unrealistisch“, sagt Karl-Heinz Pirk (CDU), Vorsitzender des Bauausschusses in Stapelfeld. „Wir können nicht einfach so mit ein paar Millionen jonglieren“, sagt er und rechnet mit einem siebenstelligen Betrag für den Bau. „Das würde unseren Haushalt über Jahre übersteigen.“ Auch Bürgermeister Jürgen Westphal gibt diesem Vorstoß nur wenig Hoffnung: „Das kann eine Gemeinde mit 1800 Einwohnern nicht wuppen.“
Die Bürgerinitiative lässt sich dadurch aber nicht entmutigen und kündigt an, sich weiter für den Bau einzusetzen, unabhängig davon, wer es letztlich zahlt. Ferner sehen sie die Sanierung der Autobahn, die im April beginnen soll, als ersten Schritt für weniger Verkehrslärm. Denn mit der sogenannten grundhaften Erneuerung der Fahrbahnen sinke laut Berechnungen die Belastung um zwei Dezibel.