Ahrensburg. Wieder sind falsche Polizisten am Werk. 91-Jähriger deponiert hohen Betrag am Gartenzaun. Polizei warnt vor Betrugsmasche.
Ein 91 Jahre alter Mann aus Ahrensburg ist Opfer von Trickdieben geworden. Nach Angaben der Polizei vom Dienstag hatten sich die Verbrecher am 23. Juli bei dem Senior gemeldet. Der Anrufer gab sich als Polizist aus und erzählte, es gebe in der Nachbarschaft einen verdeckten Einsatz. Bei Festnahmen seien Daten des Ahrensburgers gefunden worden. Nun sei das Ersparte des Mannes in Gefahr. Die Kriminellen machten gemeinsame Sache mit Mitarbeitern seiner Hausbank. Schnellstmöglich solle er das Geld abheben und einem Kollegen zur Überprüfung zur Verfügung stellen.
Das schier Unglaubliche: Der Senior sollte den fünfstelligen Betrag am Gartenzaun deponieren, kam dieser Aufforderung tatsächlich nach. Das Geld ist weg, den oder die Täter bekam der Mann nie zu Gesicht. Leider ist dies kein Einzelfall. Mit den Worten „hier spricht die Polizei“ beginnt meist die perfide Masche von Betrügern am Telefon. Diese Art des Trickbetrugs ist immer noch sehr lukrativ für die Täter, wie eine Statistik belegt. Demnach hat sich die Zahl von Fällen mit falschen Beamten in den vergangenen Jahren landesweit mehr als verzehnfacht – der Schaden fast verdoppelt.
So erschlichen sie sich 2018 das Vertrauen von 31 Schleswig-Holsteinern, erbeuteten 1.539.540 Euro. 1971 Fälle wurden angezeigt, bei denen es bei einem Betrugsversuch blieb. Zwei Jahre zuvor registrierte die Polizei noch zwölf vollendete Taten mit einem Schaden von 783.277 Euro. Seit Jahresbeginn legten die Kriminellen 21 Menschen in Schleswig-Holstein auf diese Art und Weise rein, ergaunerten so 514.200 Euro. In 1416 Fällen blieb es beim Versuch.
Masche der Betrüger immer gleich
Die Polizeidirektion Ratzeburg, zuständig für Stormarn und das Herzogtum Lauenburg, hat seit Januar 108 Anzeigen aufgenommen. In wie vielen Fällen die Täter dabei an das Geld ihrer Opfer kamen, ist unklar. Laut Polizei werde eine genauere regionale Betrachtung nicht vorgenommen. So ist für Stormarn und den Nachbarkreis in 2018 nur von 244 registrierten Taten die Rede.
Dabei müsste die Masche der Verbrecher längst bekannt sein. Sie rufen gezielt bei älteren Menschen an. Behaupten, Einbrecher hätten es auf sie abgesehen. Mal habe der Einbrecher auf der Flucht einen Zettel verloren, auf dem Name und Adresse des Angerufenen stünden. Oder es wird behauptet, eine Liste mit Namen sei nach der Festnahme eines Einbrechers bei diesem gefunden worden. Das Ziel ist immer gleich: Die falschen Polizisten wollen wissen, ob die Menschen Wertsachen und Geld im Haus haben.
Gutgläubigkeit von Senioren wird ausgenutzt
Die Betrüger nutzen die Gutgläubigkeit der Senioren aus, setzen sie mit ihren „Nachrichten“ unter Schock. Unter diesem Eindruck geben diese Informationen über Erspartes oder Wertgegenstände preis. Und gehen auf das Angebot der Verbrecher ein, dass Beamte diese an einen sicheren Ort brächten. „Oftmals ziehen sich diese Taten über mehrere Tage oder Wochen hin, bis nach intensiver Beeinflussung des Opfers immense Bargeldbeträge und Wertgegenstände vertrauensvoll an die falschen Polizeibeamten ausgehändigt werden“, sagt Carola Jeschke, Sprecherin des Landeskriminalamtes in Kiel.
Auch auf den Fall, dass die Opfer Geld und Wertsachen bei der Bank deponiert haben, sind die Betrüger vorbereitet. Dann erzählen sie den Senioren, die Mitarbeiter der Bank seien in kriminelle Machenschaften verwickelt. Auch bei dieser Masche gibt es diverse Varianten. In einigen Fällen wird der Senior quasi Teil des Ermittlungsteams. Er soll dabei helfen, den Verbrechern das Handwerk zu legen. Auf Anweisung hebt das Opfer sein Geld vom Konto ab. Anschließend kommen zwei vermeintliche Kripo-Beamte zu ihm und „kontrollieren“ die Geldscheine. Dabei stellen sie fest, dass es sich um Falschgeld handelt. Dies müsse sofort beschlagnahmt werden.
Täter beeinflussen Opfer massiv
„Die Beeinflussung des Opfers unter Suggerieren einer angeblichen Einbeziehung in verdeckte Ermittlungen kann so weit gehen, dass sich das Opfer keinem Angehörigen anvertraut und sich selbst gegenüber tatsächlichen Polizeibeamten verschließt und mögliche polizeiliche Maßnahmen vereitelt werden“, sagt die LKA-Sprecherin. Ermittlungen gegen die Betrügerbanden seien oft schwierig, weil die Täter Verschleierungstechniken bei ihren Anrufen via Internet nutzten. Ihre Spur verläuft sich im World Wide Web.
In Einzelfällen gelingt es der Polizei auch, Täter auf frischer Tat beim Abholen des Geldes oder der Wertsachen zu schnappen. Ende Mai waren zwei Männer im Alter von 23 und 27 Jahren von einem Gericht in Kiel zu je mehr als zwei Jahren Haft verurteilt worden. Beide hatten in der Landeshauptstadt eine Unternehmerwitwe und ein Seniorenpaar um mehr als 200.000 Euro geprellt. Die Drahtzieher des Betrugs saßen bei dem Prozess allerdings nicht auf der Anklagebank. Die Ermittlungen ergaben, dass sie von der Türkei aus agieren. Carola Jeschke sagt, die meisten Anrufe kommen aus Callcentern im Ausland, vor allem aus der Türkei.
Landeskriminalamt richtet eine Sonderermittlungsgruppe ein
„Art und Ausmaß dieses Phänomens haben den Strafverfolgungsbehörden zunehmend Sorge bereitet und zur Einrichtung einer Ermittlungsgruppe im Landeskriminalamt geführt“, sagt die LKA-Sprecherin: „Sie heißt Die EG Recall und widmet sich gezielt der Bekämpfung der Callcenter-Kriminalität zum Nachteil älterer Menschen durch sogenannte falsche Polizeibeamte.“
Unter dem Begriff SÄM-Delikte, fassen Ermittler Straftaten gegen ältere Menschen zusammen, zu denen neben dem falschen Polizisten auch der Enkeltrick gehört. Jeschke: „Die Phänomene Enkeltrick und falsche Polizeibeamte sind zu unterscheiden, da die Täterseite unterschiedlich agiert, die Taten auch durch unterschiedliche Tätergruppierungen verübt werden.“
Beim Enkeltrick geben sich die Anrufer als entfernte Verwandte aus. „Hallo, na weißt du, wer hier spricht?“, beginnt oft die Unterhaltung. So wollen die Betrüger ihrem Opfer einen Namen entlocken. Als diese Person geben sich sich dann aus. Auch beim Enkeltrick gibt es viele Varianten. Entweder braucht der vermeintliche Enkel dringend Hilfe in einer Notlage, oder hat ein einmaliges Angebot zum Kauf einer Immobilie bekommen, müsse noch heute eine Anzahlung leisten. Die Senioren sollen ihren „Verwandten“ das Geld leihen. Egal, welche Geschichte die Betrüger ihren Opfern auftischen, das Ende ist immer gleich: Weil der der Verwandte selbst das Geld nicht abholen kann („der sitzt gerade beim Notar“), schickt er einen Boten. Im Unterschied zur Betrugsmasche mit falschen Polizisten „sind die Täter beim Enkeltrick bemüht, zeitnah an die Beute zu kommen, damit die Opfer sich nicht an echte Familienangehörige wenden“, sagt Carola Jeschke.
Kinder sollen die Senioren vor den Betrug warnen
2018 registrierte die Polizei landesweit 576 solcher Fälle, davon 55 in Stormarn und dem Herzogtum Lauenburg. In 22 Fällen übergaben die Senioren ihr Erspartes an die Betrüger, die so 446.150 Euro ergaunerten. 2016 wurden 396 Enkeltrick-Fälle angezeigt. Bei 19 Taten kamen die Kriminellen an das Geld. Schaden: 524.000 Euro. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden bei der Polizei 313 Enkeltrick-Betrugstaten angezeigt. Die Polizeidirektion Ratzeburg zählte 21 Fälle. Landesweit sind neun Menschen auf die perfide Masche reingefallen und übergaben den Betrügern 109.500 Euro. Damit diese Zahl und der Schaden durch falsche Beamte nicht weiter ansteigen, wird die Polizei nicht müde, die Öffentlichkeit immer wieder daran zu erinnern, dass die Polizei nie bei Menschen anruft, um sich nach Wertgegenständen oder Geld zu informieren. Auch wenn im Display des Telefons die Nummer 110 oder die der örtlichen Polizeiwache angezeigt wird, sollten sich Betroffene dadurch nicht irritieren lassen. Diese Manipulation sei mit einfachen technischen Mittel bei Anrufen über das Internet möglich.
Auch an die echten Verwandten von Senioren appelliert die Polizei. Diese sollten über die Betrugsmaschen mit den Senioren sprechen, sie darüber aufklären. Zudem sollten Enkel und Kinder von älteren Menschen diese ermutigen, beim kleinsten Verdacht sofort Verwandte einzubinden. Die Polizei sagt, Senioren sollten auch nicht davor zurückschrecken, den Polizeinotruf zu wählen, um sich zu versichern, ob kurz zuvor die echte Polizei bei ihnen angerufen hat.