Gabriela Will kämpft um den Erhalt ihres tatwerks. Das Areal an der Halskestraße 4 steht zum Verkauf.

Reinbek. „Ein Kleinod mitten im Gewerbegebiet“, schwärmt Gabriela Will (54) und meint damit das Gelände, auf dem die Einrichtung tatwerk sich befindet – ihr Herzensprojekt. Hier finden psychisch Beeinträchtigte eine Beschäftigung sowie die Möglichkeit einer berufliche Rehabilitation und werden im besten Fall auf einen Job auf dem freien Markt vorbereitet. Doch nun steht das 22.000 Quadratmeter große Areal an der Halskestraße 4, auf dem zurzeit auch das Sozialkaufhaus sowie das Start-up-Unternehmen Rewu ihren Sitz haben, für gut fünf Millionen Euro zum Verkauf.

Betriebsstättenleiterin will Verkauf hinauszögern

Gabriela Will auf dem Areal.
Gabriela Will auf dem Areal. © Ann-Kathrin Schweers

Da der auf zehn Jahre abgeschlossene Mietvertrag des tatwerks mit Vermieter Christiansen aus Wandsbek im August kommenden Jahres auslaufen wird, fürchtet Gabriela Will um den besonderen Standort im Gewerbegebiet. Denn fünf Millionen Euro seien auch für einen Kauf durch den Träger, das Diakonische Werk Schleswig-Holstein, zu viel. Auf dem großen Hinterhof befindet sich ein Garten, es wachsen Rhabarber, Erdbeeren und Himbeeren, Bienen eines Imkers bestäuben die Wildblumen auf der großen Wiese. Auch der 50 Jahre alte Baumbestand mit Esche, Buche, Eiche und Birke ist einmalig im Gewerbegebiet. „Schwierig, so eine tollen Ort noch einmal zu finden“, sagt die Betriebsstättenleiterin. „Ich will nun alles versuchen, einen Verkauf hinauszuzögern oder zu verhindern.“

Grünen möchten das tatwerk erhalten

Lars Hagendorf und Martina Seifert bauen im tatwerk Rauchmelder auseinander.
Lars Hagendorf und Martina Seifert bauen im tatwerk Rauchmelder auseinander. © Ann-Kathrin Schweers

Nachdem Gabriela Will sich mit ihrem Anliegen in der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung an Politik und Verwaltung wandte, lud Tomas Unglaube (SPD) sie kurzerhand in den Sozial- und Schulausschuss am 20. August ein. Auch Christel Osbahr (Grünen) verschaffte sich vor Ort einen Eindruck vom tatwerk. „Wir wollen, dass die Einrichtung erhalten bleibt“, sagt Fraktionschef Günther Herder-Alpen. „Für die Politik ist es jedoch schwer, in privatrechtliche Dinge einzugreifen.“ Deshalb veranlasste die Fraktion zunächst eine Besichtigung durch die Untere Forstbehörde. Die habe festgestellt, dass der Wald im Sinne des Waldgesetzes zu behandeln ist. „Anträge für eine Bebauung müssen von der Behörde genehmigt werden“, sagt Herder-Alpen. Das könne dazu führen, dass der Kauf für Investoren weniger attraktiv wird. Mit einer zusätzlichen Anfrage an die Stadtverwaltung möchte die Fraktion den Waldbestand schützen und ihn aus dem B-Plan nehmen. Zurzeit ist das Areal noch als reines Gewerbe ausgewiesen.

Auf Anfrage gibt Makler Jacobi Immobilien keine Auskunft über Interessenten. Die Fläche samt Gebäude steht noch zum Verkauf. Herder-Alpen und Will wissen, dass es im direkten Umfeld Erweiterungswünsche seitens der Unternehmer gibt.

30 psychisch Beeinträchtigte finden Anstellung

„Es wäre wirklich schade und sehr tragisch für unsere Beschäftigten, wenn wir aufgeben müssten. Innerhalb von acht Jahren haben wir hier alles mit viel Liebe und Kraft errichtet“, sagt Will. Und auch Planungen für die Zukunft gibt es bereits: Im August möchte das tatwerk an drei Tagen einen offenen Mittagstisch anbieten. Auch ein Café im Außenbereich steht im Raum.

Zum tatwerk zählen acht Mitarbeiter. 30 psychisch Beeinträchtigte ab 20 Jahren finden hier Arbeits- beziehungsweise Rehaplätze. Sie kommen vor allem aus Stormarn, Lauenburg und Hamburg und haben Erkrankungen wie Autismus, Depression oder Psychosen. Sie bekommen die Möglichkeit, sich in sieben Arbeitsbereichen zu qualifizieren – etwa im Büroservice, der Holzwerkstatt oder der Hauswirtschaft. Aufträge von Unternehmen und Privatpersonen werden angenommen. „Wir bezahlen die Gehälter von dem, was wir durch Aufträge generieren“, sagt Will. Das Rahmenprogramm besteht aus arbeitsbegleitenden Angeboten wie etwa einer eigenen Band. Außerdem werden Beratungen angeboten. In der Regel werden zwei Beschäftigte pro Jahr in Ausbildung oder Arbeit vermittelt. Beim tatwerk handelt es sich um eine Betriebsstätte der Stormarner Werkstätten.