Oststeinbek. Gemeinde präsentiert ihren Bürgern erste Verbesserungsvorschläge nach Analyse des Jahrhundert-Unwetters.
Es war ein Ereignis, wie es statistisch gesehen seltener als alle 100 Jahre vorkommt: Innerhalb von gut anderthalb Stunden ergossen sich 137 Liter Regen pro Quadratmeter über Oststeinbek und seinem Ortsteil Havighorst. Die Glinder Au schwoll an, Wasser floss von den Feldern in die Gemeinde. Der Strom fiel aus, Teile der historischen Wassermühle wurden von den Fluten weggerissen, zahllose Keller und Tiefgaragen liefen voll. Allein an öffentlichen Gebäuden und Straßen entstand am Himmelfahrtstag vor einem Jahr ein sechsstelliger Sachschaden. Da es bereits in den Vorjahren mehrfach zu Überschwemmungen gekommen war, hat die Hamburger Stadtentwässerung (HSE) in Zusammenarbeit mit dem Rathaus und dem Zweckverband Südstormarn analysiert, wie es dazu kommen konnte und welche Lösungsansätze es gibt.
„Liebe Bürger, liebe Betroffene“, sagt Bürgermeister Jürgen Hettwer zur Begrüßung der knapp 60 Gäste bei der Infoveranstaltung im Kratzmannschen Hof. Wie treffend die Formulierung ist, zeigt sich, als anschließend fast alle Hände bei der Frage nach eigenen Schäden in die Luft gehen. Hettwer zeigt Fotos überschwemmter Straßen und eine Karte mit dem Verlauf, den das Wasser nahm. „Wir waren eingekesselt“, sagt er. In den Wochen, die folgten, musste die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) Sperrmüll einsammeln, der ganze Gärten füllte. Der Zweckverband Südstormarn (HSE) und die beauftragte Hamburger Stadtentwässerung rückten mit Spezialfahrzeugen aus, um die Kanäle in der ganzen Gemeinde von Sand und Treibgut zu befreien.
Hamburger Stadtentwässerung hilft bei Analyse
Nun konnte die HSE, die das Wasser an der Stadtgrenze zu Hamburg vom Zweckverband übernimmt, in einer Computersimulation klären, wie es dazu kommen konnte. Mitarbeiter Christian Schulz erklärt: „Das Wasser kam überwiegend aus überfluteten Bächen, Teichen und landwirtschaftlichen Flächen.“ Zusätzlich ausgewertet wurden 182 Starkregenereignisse der vergangenen 50 Jahre. „Der 10. Mai 2018 sprengt jede Statistik“, sagt Schulz weiter. Standard sei, die Anlagen auf 18 Liter pro Quadratmeter und Stunde auszulegen. Ein Regen, wie er statistisch alle zwei Jahre auftritt. „Das Kanalnetz hatte in diesem Fall keine Chance.“
Hettwer, der auch Vorsteher des Zweckverbandes ist, erklärt die Krux: „Bisher dürfen wir unsere Kanäle gar nicht auf Ereignisse auslegen, die seltener auftreten.“ Er fordert eine Aktualisierung der Statistik, ist überzeugt, dass Starkregen zugenommen hat. Trotzdem könne die Gemeinde schon aus Kostengründen nicht für alles gewappnet sein. Jeder Anwohner mit einem tief liegenden Haus sei deswegen aufgefordert, sein Heim etwa durch zusätzliche Stufen oder besonders stabile Kellerfenster zu schützen. „Wenige Zentimeter mehr können schon entscheidend sein“, sagt der Bürgermeister.
Überflutungsflächen sollen Druck mindern
Die Gemeinde wolle nun prüfen, wie durch mögliche Überflutungsflächen Druck von Kanalnetz und Gewässern genommen werden könne, ohne das Problem durch eine Mehreinleitung stromabwärts zu verschieben. „Dazu könnte die Hundewiese am Zusammenfluss von Hegengraben und Forellenbach im Norden von Oststeinbek geeignet sein“, sagt Hettwer. Im Ortsteil Havighorst könnte eine Aufforstung am Forellenteich Wasser abhalten. Dabei wirbt er bei den Anwohnern, die er fast alle mit Namen anspricht, um Geduld für das komplexe Vorhaben. „Die Umsetzung braucht bis zu fünf Jahre.“ Das wird ruhig zur Kenntnis genommen, der Schock über die Wassermassen und das anschließende Müllchaos ist dem Publikum aber anzumerken. „Ich wäre fast in meinem Keller ertrunken“, merkt ein älterer Herr an.
Auch Großhansdorf will sich besser gegen Überflutungen schützen
Starkregen hat in Großhansdorf in diesem Jahr mehrfach zu Problemen geführt, wenn auch in kleinerem Maßstab als in Oststeinbek. Zuletzt wurden vor gut zwei Wochen Straßen überflutetet und sogar das Feuerwehrgerätehaus wurde Opfer der Wassermassen. Das Entwässerungsnetz der Gemeinde wird von der Hamburger Stadtentwässerung (HSE) betrieben. Am Freitag gab es ein Gespräch mit dem Hamburger Unternehmen.
Nach Angaben der Gemeinde sollen Schwerpunktstellen nun mit einem Kamerawagen befahren und auf Verstopfung untersucht werden. Hydraulische Berechnungen klären, wo der Querschnitt der Rohen mit der heutigen Bebauung nicht mehr mithalten kann.
Straße Rümeland bekommt neues Kanalsystem
Von den Überflutungen betroffen waren zuletzt der Wöhrendamm an der Einmündung Up de Worth, das Feuerwehrgerätehaus in der gleichen Straße musste mit Sandsäcken gesichert werden. Ebenfalls betroffen waren die Straßen Achtern Diek, Hoisdorfer Landstraße und Rümeland.
Letztere Straße soll möglichst schon 2020 ein komplett neues Kanalsystem erhalten. Bereits im nächste Jahr könnte mit den aufwendigen Arbeiten begonnen werden. Außerdem wird über den sogenannten Umschluss stark belasteter Rohre in andere Straßen nachgedacht. Die HSE muss diese Vorhaben bezahlen, welche Auswirkungen das auf de Gebühren im Ort hat, ist aber noch nicht geklärt.
Bereits jetzt überprüft ein Mitarbeiter des Bauhofs bei Bedarf Gullydeckel an neuralgischen Punkten auf ihre Durchlässigkeit, zukünftig gegebenenfalls auch an Feiertagen und Wochenenden. Die Gemeinde empfiehlt Anwohnern im Eigeninteresse einmal selbst einen Blick in den nächsten Gully zu werfen.