Oststeinbek. Manche Hauseigner verzeichnen Schäden von mehr als 200.000 Euro wegen des Hochwassers vor sechs Wochen. Einige sind nicht versichert.
Ein lautes, monotones Geräusch schallt dem Besucher beim Betreten von Familie Lüders’ Haus entgegen. Das nervtötende Summen ist in jedem Raum zu vernehmen. Ein unerwünschter Dauerton, der nach einer Weile wie ein Tinnitus im Ohr sitzt. Doch es sind mehrere Trocknungsgeräte, die im Keller ihren Dienst verrichten und Normalität herstellen sollen. Denn auch sechs Wochen nach dem schweren Unwetter an Christi Himmelfahrt hat Familie Lüders noch mit den Folgen des Starkregens zu kämpfen. Und damit ist sie nicht allein.
Hunderte Keller in der Gemeinde Oststeinbek waren vollgelaufen, Autos wurden zerstört. Bürgermeister Jürgen Hettwer ging von einem Schaden in Millionenhöhe aus. Die Bewohner des Ortsteils Havighorst hatte es besonders stark getroffen. Kaum ein Haus, dessen Keller hier nicht bis zur Decke vollgelaufen war. Das Abendblatt hat einige Familien Am Turnierplatz, der Straße, in der sich kurz nach dem Unwetter der Flut-Müll am Straßenrand stapelte, erneut besucht und sich erkundigt, wie es mit den Aufräumarbeiten vorangeht.
Schäden wurden bisher nur oberflächlich beseitigt
„Oberflächlich sieht es überall nett aus, aber jeder sitzt im Keller allein auf seinem Unglück“, sagt Ilona Lüders, die mit ihrer Familie Am Turnierplatz wohnt. „Die Betroffenheit ist groß.“ Der Schaden auch. Denn: Viele Familien haben nicht die notwendige Elementarversicherung abgeschlossen, die Schäden durch bestimmte Naturgewalten wie Hochwasser und Überschwemmungen, Schnee oder Erdrutsche abdeckt. „Unser Keller ist 110 Quadratmeter groß. Alles wurde zerstört und wir sind nicht versichert“, sagt Ilona Lüders, während sie über eine Außentreppe in den Keller führt. Durch das Haus ist dieser bislang nicht wieder passierbar. Ein modriger Geruch schlägt ihr entgegen. Die Trocknungsgeräte laufen auf Hochtouren. „Nachts muss ich sie ausmachen. Man wird ja sonst verrückt“, sagt Lüders, während sie den Blick über die fleckigen Wände schweifen lässt. Melike Cetin ist mit ihrer Familie für die Zeit der Trocknungsarbeiten daher zu ihren Eltern gezogen. „Es war einfach zu laut“, sagt die 39 Jahre alte Mutter zweier kleiner Kinder. Auch sie hatte zum Zeitpunkt des Unwetters keine Elementarversicherung abgeschlossen. „Wir haben jetzt eine beantragt, aber es wird noch geprüft, ob das geht“, sagt Cetin. „Kann sein, dass wir auf die schwarze Liste kommen.“
Für den entstandenen Schaden seien bislang 10.000 Euro veranschlagt worden. „Aber wir haben noch keinen richtigen Überblick“, so Cetin. „Die Heizung haben wir mühsam selbst repariert. Wenn die auch noch schlappmacht, dann könnten es 20.000 Euro werden.“ Ein paar Häuser weiter bei Ehepaar Peters ist die Stimmung etwas besser. „Wir haben zum Glück eine Elementarversicherung“, sagt Hermann Peters. „1996 gab es hier schon einmal einen solchen Starkregen. Damals sind wir mit einem blauen Auge davongekommen.“ Den Versicherungsschutz habe er dennoch sofort aufgestockt. Glück im Unglück, denn auch bei ihnen lief der Keller bis zur Decke voll und die Trocknungsarbeiten sind noch in vollem Gange. „Ich leere die Geräte viermal am Tag“, sagt Peters. „Es dauert eben alles so seine Zeit.“ Auch die Kostenübernahme der Versicherung. „Wir haben bislang 7000 Euro ausgegeben, aber noch nicht einen Cent gesehen.“ Wie bei Familie Cetin schlägt auch bei den Peters vor allem die Reparatur der Heizung ins Gewicht. „Die war ganz neu“, sagt Jutta Peters. Insgesamt sei der Kostenvoranschlag für den Gebäudeschaden auf 180.000 Euro, der für den Hausrat auf rund 50.000 Euro beziffert worden.
Verwaltung will Entwässerung im Ort optimieren, aber wie?
Die Anwohner haben Angst, dass ihre Keller bei einem erneuten Unwetter wieder überlaufen könnten. Manche, wie die Cetins, sorgen daher bereits privat vor, indem sie ihre Kasematten sichern. Doch auch von der Gemeinde fordern die Havighorster Unterstützung – vor allem bessere Ablaufflächen.
Uwe Conrad, bei dem die Trocknungsgeräte im Keller ebenfalls noch summen, hat sich daher an den Bürgermeister gewandt und an Gemeinderatssitzungen teilgenommen. „Hier im Ort wurde immer mehr gebaut, aber die Abwasserrohre sind nicht gewachsen.“ Diese nachträglich zu verbreitern, sei zwar ein immenser Aufwand – baulich und finanziell, aber „das Problem muss angegangen werden“, so Conrad.
Gemeinde will sich für die Zukunft rüsten
Sein Appell zeigt bereits Wirkung. Bürgermeister Jürgen Hettwer hat in Kooperation mit der Bauamts- sowie der Liegenschaftsleitung und der Planungsabteilung der Gemeinde ein Konzept für sogenannte Klimaanpassungsmaßnahmen eingeleitet. „Wir müssen damit rechnen, dass sowas immer wieder passieren kann“, sagt er gegenüber dem Abendblatt. Für die Untersuchung, welche Maßnahmen infrage kommen, plant Hettwer 40.000 Euro zur Verfügung zu stellen.
„Es müssen vor allem bessere Ablaufmöglichkeiten geschaffen werden“, so Hettwer. Das könnte beispielsweise durch Waldaufforstungsflächen oder kleinere Arbeiten wie das Verlegen von Rohren in offenen Gräben geschehen. Grundsätzlich gelte jedoch: „Bei künftigen Bauvorhaben muss noch mehr auf die Entwässerungssituation geachtet werden“, sagt Bürgermeister Hettwer und verspricht: „All diese Dinge laufen jetzt an.“