Im Süden Stormarns standen Hunderte Keller und Garagen unter Wasser. Bahndamm wurde unterspült, historische Mühle einsturzgefährdet.
Es ist der Tag danach – nach seinem 49. Geburtstag und nach dem Unwetter, das am späten Donnerstagnachmittag über Stormarn und speziell über Oststeinbek hereingebrochen war. Patrick Hartwigsen wird ihn so schnell nicht vergessen. Am Freitagmorgen schaufeln der Gartengestalter und seine Mitarbeiter Schlamm beiseite. Auf dem liebevoll angelegten Grundstück an der Möllner Landstraße sieht es wüst aus. Ebenso davor: Gehwegplatten des Bürgersteigs sind zerbrochen. Wasser ist in das Haus, indem seine Frau ein Café sowie ein Wohneinrichtungsgeschäft betreibt, eingedrungen. „Und das mit einer wahnsinnigen Kraft“, sagt Hartwigsen, der den Schaden auf rund 50.000 Euro schätzt.
Stormarns Landrat Henning Görtz besichtigt die Schäden
Mit solchen Problemen steht er nicht allein da. Hunderte Keller in der 9000-Einwohner-Gemeinde liefen voll, Autos wurden zerstört. „Der Schaden geht vermutlich in die Millionen“, sagt Bürgermeister Jürgen Hettwer. Er ist an diesem Morgen mit Landrat Henning Görtz und Kreisbrandmeister Gerd Riemann im Ort unterwegs zwecks Begutachtung. Der Verwaltungschef war am Vatertag eigentlich im Urlaub und schon in Richtung Süden unterwegs, als er über die Auswirkungen des Starkregens und Hagels informiert wurde und auf der Autobahn Höhe Fulda kehrtmachte. „Ich danke den Wehren, dem Technischen Hilfswerk und allen Helfern. Die Zusammenarbeit war hervorragend“, sagt Hettwer.
490 Kräfte aus 37 Feuerwehren und des THW waren in Oststeinbek, viele über die Nacht und auch noch, als es wieder hell wurde. Sie fuhren mehr als 400 Einsätze. Laut Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe waren das nahezu 90 Prozent aller im Kreis getätigten. Hochleistungspumpen wurden aus Lübeck und aus Oldenburg gebracht.
Oststeinbeker Wassermühle besonders betroffen
Im Ortsteil Havighorst blieben Autos in den Wassermassen stecken. Ein Trafohäuschen wurde weggespült, für viele Bürger gab es keinen Strom. Am Ohlendiek drohte ein überschwemmter Bahndamm abzurutschen, eine Tiefgarage mit acht Fahrzeugen lief bis zur Decke voll. „Es ist unfassbar, damit habe ich nicht gerechnet“, sagt Anwohner Andreas Kühl. Er sei aus Boberg gekommen und wollte in die Straße einfahren, doch da kam plötzlich eine riesige Welle auf ihn zu. „Das Wasser im Auto stieg bis zum Türgriff.“ Dann habe er versucht, sein Fahrzeug zurückzusetzen, umzukehren – dann sei auch schon die Feuerwehr gekommen. „Die haben mein Auto herausgezogen.“ Besonders stark betroffen war die historische Oststeinbeker Wassermühle. Sie wurde von reißenden Fluten der Glinder Au unterspült, große Teile einer Seitenwand stürzten ein. Drei Bewohner wurden mit Booten aus dem Haus gerettet.
Spezialkräfte des Technischen Hilfswerks untersuchten das Gebäude später mit einem lasergestützten Messgerät. Es ist akut einsturzgefährdet. Aus den benachbarten Reihenhäusern wurden vier Familien in Sicherheit gebracht. Oststeinbek hat elf Bürger in einer Notunterkunft beherbergt – und das für mehr als eine Nacht.
Wassereinbruch in der Walter-Ruckert-Halle
Neben der Wassermühle in einem Mehrfamilienhaus lebt Peter Martens. Mit einem Nachbarn verhinderte der 73-Jährige wohl noch Schlimmeres. „Als der Starkregen begann und der Wasserstand zügig höher wurde, haben wir zwei Schleusentore am Mühlenteich geöffnet. Das dritte hat aber leider geklemmt“, erzählt Martens dem Abendblatt. In seinem Haus haben er und zehn weitere Bewohner das Wasser mit Eimern aus dem Keller hinausbefördert.
Voll erwischt hat es auch Michael Polomski, der neben der Kirche lebt. „Ich war gar nicht zu Hause, als das Unwetter begann“, erinnert er sich. Und weiter: „Meine Frau hat mich angerufen, da bin ich sofort hergekommen.“ Der Keller stand etwa 30 Zentimeter unter Wasser – Bad, Küche und die Flure zehn Zentimeter. Gleich freitags informierte Polomski seine Versicherung.
Einen Wassereinbruch gab es zudem in der Walter-Ruckert-Halle. „Der Boden ist hinüber“, sagt Hettwer. Bereits nach den heftigen Regenfällen vor zwei Jahren musste er ausgetauscht werden. Die Sporthalle ist jetzt gesperrt. 2016 hatten die Niederschläge auch Patrick Hartwigsen übel mitgespielt. Damals entstand ein Schaden im sechsstelligen Bereich, das Gebäude wurde über zwölf Monate saniert. Diesmal müssten zwei Räume in dem Haus erneuert werden. Außerdem seien Arbeitsgeräte zerstört, sagt der Gartenanlagengestalter. Hartwigsen ist vor allem wegen einer Sache verärgert: „Das Schott hinter der Feuerwache war nicht geöffnet, deshalb hat sich Wasser gestaut und ließ den Forellenbach auf eineinhalb Meter ansteigen.“ Das sei schon grob fahrlässig. Seine Immobilie liegt an einem der tiefsten Punkte im Ort.
Fünf Feuerwehrmänner werden bei Einsätzen verletzt
Deshalb hatte der Unternehmer nach der ersten Überschwemmung Vorkehrungen getroffen, unter anderem Mauern gebaut und Flutschotts installiert. „Wir haben zwei Rückstausicherungen, eine hat nicht funktioniert, weil so viel Dreck im Wasser war.“ In sein Haus seien auch Fäkalien gespült worden.
Bei den Einsätzen in Oststeinbek verletzten sich zwei Feuerwehrleute leicht. Ein Fahrzeug der Geesthachter Wehr, das sich auf dem Rückweg in die Heimat befand, schlidderte am Freitagmorgen in Reinbek in einen Graben. Drei Insassen wurden verletzt und vorsorglich in eine Klinik gebracht.