Hammoor/Travenbrück. Bei den Ermittlungen um Ivonne R. aus Travenbrück werden immer mehr Details bekannt, die die Skrupellosigkeit des Täters aufzeigen.
Warum ist nach rund drei Monaten das Handy der vermissten Ivonne R. wieder aufgetaucht? Es waren diese und weitere Fragen, die den Fall anderthalb Jahre lang so mysteriös machten und die Ermittler vor Rätsel stellten. Nun ist der Tod der 39 Jahre alten Frau aus Travenbrück traurige Gewissheit und die Ermittler haben endlich Antworten.
Wie berichtet, entdeckte ein Landwirt Ende April eine Frauenleiche in einem Wald in Hammoor. Obwohl der Körper schon stark verwest war, war sich die Polizei sofort sicher: Es ist die seit dem 26. Oktober 2017 vermisste Ivonne R. aus Schlamersdorf. Laut der Staatsanwaltschaft in Lübeck deuteten die langen blonden Haare und die schwarzen Turnschuhe mit den lilafarbenen Streifen auf die Identität hin. Ein Zahnabdruck bestätigte den Verdacht. Zwar konnten die Forensiker nicht mehr klären, wie R. getötet wurde, die Ermittler sind aber sicher: Es war Mord. Und mit dem Fund der Leiche hatten die Beamten den letzten Beweis gegen den Ex-Partner der Frau. Stefan B. wurde fünf Tage nach dem Leichenfund bei einer Bekannten in Reinfeld festgenommen. Eine Richter erließ einen Tag später, am 1. Mai, gegen den 39-Jährigen aus Rümpel Haftbefehl.
Verdächtiger hielt sich in der Nähe auf
Nach dem Verschwinden von Ivonne R. werteten Ermittler die Handydaten von Stefan B. aus. Die Beamten interessierte, wo er sich am 25. Oktober 2017 aufhielt. So konnte die Polizei bestimmen, dass das Handy des Tatverdächtigen an diesem Tag von einem Funkmast in Hammoor erfasst wurde. „Wir haben damals mit Wärmebildkameras das Gebiet überflogen“, sagt Ulla Hingst, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck. Auch Beamte mit Spürhunden suchten das Gebiet ab. „Rückblickend wissen wir heute, dass wir 200 Meter vom Fundort entfernt gesucht haben.“
Und die Ermittler wissen heute auch, warum sich Stefan B. vor seinem Treffen mit R. in Hammoor aufhielt. „Er hat den späteren Ablageort ausgekundschaftet“, sagt Hingst.
Stefan B. und Ivonne R. waren seit wenigen Monaten getrennt und zuvor viele Jahre ein Paar. In dieser Zeit haben sie Verträge unterschrieben, die sie auch nach der Trennung zum Kontakt zwangen. So fuhr R. am Abend des 25. Oktober zu ihrem Ex-Freund nach Rümpel. Dort wartete eine Falle, sind sich die Ermittler sicher. Sie vermuten: Die 39-Jährige hat die Wohnung nicht mehr lebend verlassen. Der neue Lebensgefährte der Frau machte sich am nächsten Tag Sorgen, weil er Ivonne R. nicht erreichen konnte. Er meldete sie als vermisst, gab an, dass sie zuletzt bei ihrem Ex-Freund war.
Stefan B. behauptet: Ivonne R. ging es an dem Abend schlecht, so dass er sie mit ihrem Auto gegen 23 Uhr nach Schlamersdorf fuhr. An einer Bushaltestelle, 200 Meter von ihrer Wohnung entfernt, sei R. ausgestiegen, weil sie die letzen Meter laufen wollte. Schon damals zweifelten die Ermittler an dieser Version. Heute sind sie sich sicher: Es ist eine Lüge. Die Polizei geht davon aus, dass B. mit dem leblosen Körper nach Hammoor fuhr – zu der Stelle, die er ausgekundschaftete hatte. Dort begrub er die Tote. Erst nach vielen Monaten legten die Witterung und Tiere den Körper wieder frei.
Auch Stefan B. beteiligte sich an der Suche nach Ivonne R.
Bis dahin suchten Angehörige mit selbst entworfenen Plakaten nach Ivonne R.. Diese wurden über soziale Medien verbreitet. Auch Tankstellenpächter Stefan B. klebte an eine Scheibe des Verkaufsraums Plakate mit Fotos von R., die bis zu seiner Verhaftung dort angebracht waren. Wollte der Mann so den Verdacht von sich lenken?
Die Ermittler vermuten, dass Stefan B. sogar versuchte, eine falsche Fährte zu legen. Denn drei Monate nach dem Verschwinden von R. tauchte plötzlich ihr Handy auf. Und zwar dort, wo die Frau angeblich zuletzt von Stefan B. gesehen worden sein soll: an der Bushaltestelle in Schlamersdorf. Gefunden hatte es der neue Partner von Ivonne R. Die Polizei ist sicher, dass jemand es dort deponiert hat – es sollte gefunden werden. Denn auch die Bushaltestelle und die nähere Umgebung waren nach dem Verschwinden abgesucht worden. Das pinkfarbene Samsung Galaxy S3 wäre aufgefallen. Schon damals vermuten die Ermittler, dass Stefan B. es dort abgelegt hat. Sie fragten in einem Zeugenaufruf, ob jemandem ein weißer Kia Sorento in der Nähe der Bushaltestelle aufgefallen war. Nach diesem Auto hatten Polizei und Staatsanwaltschaft auch zuvor schon gefragt – ohne nähere Angaben. Heute ist klar: Es ist das Auto von Stefan B.
Handydaten sind bis heute nicht geknackt
Mit dem Handy an der Haltestelle, wollte B. vermutlich seiner Version mehr Glaubwürdigkeit verleihen. „Allein der Beschuldigte hat behauptet, sie zuletzt lebend an der Bushaltestelle gesehen zu haben“, sagt Ulla Hingst. Ob B. auch das Handy seiner Ex-Freundin manipuliert hatte, ist unklar. Denn an die Daten sind die Ermittler bis heute nicht gelangt. „Es ist nicht gelungen, das Passwort zu entschlüsseln. Man hat mittels entsprechender Programme mittlerweile rund drei Millionen Passwörter durchlaufen lassen, ohne Erfolg“, erklärt Hingst.
Auch wenn die Ermittler viele Teile der Tat inzwischen rekonstruieren können, wissen sie nicht was in der Wohnung von Stefan B. geschah. Der Verdächtige schweigt zum Vorwurf des Mordes aus niedrigen Beweggründen. Den begründet Hingst damit, dass B. die Trennung nicht akzeptiert hat.