Hammoor/Travenbrück. Eineinhalb Jahre nach ihrem Verschwinden werden die sterblichen Überreste von Ivonne R. entdeckt. Ex-Freund in Haft.

„Meine Hände zittern noch immer ein bisschen.“ Das sagt Susann Jäckel, die am Donnerstag erfahren hat, dass die Leiche ihrer seit anderthalb Jahren vermisste Freundin Ivonne R. gefunden wurde. Ein Landwirt hatte den verwesten Körper der Frau in einem kleinen Waldstück in Hammoor gefunden. Rechtsmediziner identifizierten Ivonne R. aus dem Travenbrücker Ortsteil Schlamersdorf später anhand ihres Zahnabdrucks.

„Ich kann das noch immer schwer begreifen und muss das alles erstmal verarbeiten“, sagt Jäckel, die Ivonne R. als einen lebensfrohen und herzensguten Menschen beschreibt. Bis zuletzt hatte sie einen Funken Hoffnung, dass R. noch lebend gefunden werden könnte. Doch nun hat Susann Jäckel traurige Gewissheit. „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“, sagt die Frau und fügt hinzu: „Ich hoffe jetzt, dass derjenige, der dafür verantwortlich ist, eine gerechte Strafe bekommt.“

Ex-Freund soll die Frau getötet haben: Haftbefehl

Ivonne R. lebte nach der Trennung von B. in Schlamersdorf.
Ivonne R. lebte nach der Trennung von B. in Schlamersdorf. © Finn Fischer | Finn Fischer

Im Verdacht steht der Ex-Freund des Opfers. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Stefan B. die Frau getötet hat, weil er die Trennung nicht akzeptieren wollte. „Und auch nicht damit einverstanden war, dass sie sich einem neuen Mann zugewandt hatte“, sagt Ulla Hingst, Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Lübeck.

Nach vielen Jahren Beziehung trennte sich Ivonne R. im Sommer 2017 von Stefan B. Doch gänzlich konnte die damals 39-Jährige den Kontakt zu ihrem zwei Jahre jüngeren Ex nicht abbrechen. Beide hatten gemeinsam Verträge unterschrieben. Auch am Abend des 25. Oktober 2017 fuhr Ivonne R. zu Stefan B. nach Rümpel, um Papierkram zu erledigen.

Ivonne R. starb offenbar in der Wohnung ihres Ex-Partners

Kurz bevor sie dort ankam, schickte sie ihrem neuen Freund eine Nachricht. Es war die letzte. Denn kurz drauf war Ivonne R. tot – so die Vermutung der Ermittler. Sie sind davon überzeugt, dass B. den Mord geplant und Ivonne R. in einen Hinterhalt gelockt hatte.

Bereits vor der Tat soll sich der Verdächtige am jetzigen Fundort der Leiche eine längere Zeit aufgehalten haben. Dies ergab eine Auswertung seiner Mobilfunkdaten. „Wir gehen davon aus, dass er den späteren Ablageort ausgekundschaftet hat“, sagt die Oberstaatsanwältin. Fraglich bleibt für die Ermittler, was danach genau in der Wohnung von Stefan B. geschah und wie Ivonne R. getötet wurde. Der Verdächtige, gegen den am 1. Mai, sechs Tage nach dem Leichenfund, Haftbefehl erlassen wurde, schweigt zu dem Mordvorwurf.

Mehrere Suchaktionen der Polizei verliefen erfolglos

Mit diesen Zettel hatten Freunde und Familie nach Ivonne B. gesucht. Am Donnerstag kleben sie noch immer der Tankstelle, die Stefan B. betrieb.
Mit diesen Zettel hatten Freunde und Familie nach Ivonne B. gesucht. Am Donnerstag kleben sie noch immer der Tankstelle, die Stefan B. betrieb. © Eileen Meinke | Eileen Meinke

Sicher sind sich die Ermittler hingegen, dass B. die Tote aus seiner Wohnung schaffte und noch in der Nacht zum 26. Oktober in den Wald an der A 1 brachte. Noch am selben Tag meldete der neue Lebensgefährte Ivonne R. bei der Polizei als vermisst. Zudem starteten er, Freunde und die Familie der Schlamersdorferin eine große Suchaktion. Sie entwarfen Plakate mit Bildern von Ivonne R. und einer genauen Personenbeschreibung, teilten diese in sozialen Netzwerken und hängten sie aus. Noch heute kleben zwei dieser Plakate an der Glastür einer Aral-Tankstelle im Kreis Herzogtum Lauenburg. „Vermisst“, das steht zwischen zwei Ausrufezeichen auf einem der DIN-A-4-großen Zetteln. Vermutlich hat Stefan B. sie dort angebracht. Er ist Pächter der Tankstelle. Obwohl der Chef seit Mittwoch in Untersuchungshaft sitzt, geht der Betrieb dort am nächsten Tag normal weiter. Menschen betanken ihre Autos, waschen ihre Fahrzeuge.

In Travenbrück sorgt die Nachricht für Bestürzung

Bestürzung hat die Nachricht vom Tod der Frau in dem 1700-Seelen-Dorf Travenbrück ausgelöst. Reinhold Pareike sitzt am Donnerstag mit ernster Miene an seinem Wohnzimmertisch. Seit 1983 lebt er in dem Travenbrücker Ortsteil Schlamersdorf. Im vergangenen Jahr hatten ihn die Bewohner zum Bürgermeister gewählt. Er weiß, der Tod von Ivonne R. ist nicht das einzige dunkle Kapitel in der Geschichte der kleinen Gemeinde. 1985 wurde die Leiche eines Mädchens auf einem Feld zwischen Schlamersdorf und Sühlen gefunden. Die 15-Jährige war ermordet worden. Nun ein weiteres Kapitalverbrechen. „In der Zeit nach ihrem Verwinden war das hier ein großes Thema. Es wurde spekuliert und geredet“, erinnert sich der Bürgermeister. Es habe große Suchaktionen gegeben. Die Polizei durchkämmte die umliegenden Waldgebiete und Felder.

Andreas Jendrejewski,  Bürgermeister von Hammoor, wundert sich, warum die Leiche der Frau so lange unentdeckt blieb.
Andreas Jendrejewski, Bürgermeister von Hammoor, wundert sich, warum die Leiche der Frau so lange unentdeckt blieb. © Eileen Meinke | Eileen Meinke

Auch am jetzigen Fundort der Leiche hatte die Polizei nach Ivonne R. gesucht. Denn bereits kurz nach dem Verschwinden geriet Stefan B. unter Tatverdacht und die Auswertung seiner Handydaten ergab, dass er sich in Hammoor aufgehalten hatte. „Rückblickend wissen wir, dass wir das Areal 200 Meter vor dem Fundort abgesucht haben“, sagt Staatsanwältin Ulla Hingst. Zusätzlich zur Suchaktion veröffentlichte die Polizei auch ein Foto von Ivonne R. Auch ein Aufruf in der Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ blieb ohne einen entscheidenden Hinweis. „Ich frage mich, wie die Leiche an diesem Fundort so lange unentdeckt bleiben konnte“, sagt Hammoors Bürgermeister Andreas Jendrejewski: „Am Feld wird schließlich mehrere Male im Jahr etwas gemacht oder ein Jäger kommt mal vorbei.“ Die Antwort gibt Staatsanwältin Hingst: „Die Leiche wurde dort vergraben.“ Nun legten die Witterung und Tiere das Grab frei.