Delingsdorf. Gras und Weißklee statt Stroh zwischen den Pflanzen: Unternehmer Enno Glantz testet auf seinen Feldern ein neues Anbaukonzept.
Es ist ein Ritual, das Enno Glantz, Betreiber des gleichnamigen Erdbeerhofs in Delingsdorf, und sein Technik-Chef Thiess Albers seit einer gefühlten Ewigkeit pflegen. Täglich frühstücken beide montags bis freitags mindestens 30 Minuten zusammen, sprechen dabei auch über betriebliche Dinge und entwickeln Ideen. Eine davon war, Insekten besser zu schützen. So wurden 2017 Blühstreifen um die Felder gesät.
Kosten des Projekts liegen bei mehr als 200.000 Euro
Jetzt geht das Unternehmen noch einen Schritt weiter mit einem neuen Anbaukonzept zum Wohl der kleinen Tiere – wie zum Beispiel Bienen, Käfer und Schmetterlinge. Dafür hat Albers drei spezielle Landmaschinen selbst entwickelt und gebaut. Die Projektkosten liegen bei mehr als 200.000 Euro. Eine Summe, die der Erdbeerhof schnell wieder einspielen will.
Glantz baut Erdbeeren auf einer fünf Hektar großen Fläche an. Bislang wurde der 70 Zentimeter breite Bereich zwischen den Erdbeerreihen mit Stroh überdeckt als Schutz vor Feuchtigkeit. In diesem Jahr wächst dort ein Gemisch aus Gras und Weißklee – eine Umgebung, in der sich Insekten heimisch fühlen. Der Vorteil dabei: Nützlinge wie zum Beispiel Käfer fressen Schädlinge und erhöhen die Chance auf eine gute Ernte.
Enno Glantz setzt dabei auf eine ganzjährige Saatmischung. Er sagt: „Ich habe mir auch in meinem Garten einen Streifen angelegt.“ Der 74-Jährige nennt das Projekt auf seinem Betriebsareal einen „Großversuch“. Denn ob es mit dem Strohersatz auch wie gewünscht funktioniert, ist noch nicht sicher. „Deswegen wird es eine spannende Erdbeersaison. Die Kulturen sehen toll aus. Ich bin jedenfalls optimistisch und überzeugt, dass das der richtige Weg ist“, sagt der Unternehmer.
Technik-Chef hat die nötigen Maschinen selbst entwickelt
Er sehe es als seine Pflicht an, im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Naturschutz verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen. Die neue Methode soll auch zu mehr Effizienz führen und Personalkosten sparen. „Beim Stroh war viel Handarbeit gefragt, darauf können wir jetzt verzichten“, erläutert Stormarns Erdbeerkönig.
Denn nun sind für den Umweltschutz und mehr Nachhaltigkeit auf den Erdbeerfeldern vermehrt Geräte im Einsatz: ein Dammformer, eine Drillmaschine sowie ein Mähwerk. Sie alle hat Thiess Albers gebaut. Der im Pölitzer Ortsteil Schmachthagen lebende Bastler ist seit 28 Jahren auf dem Hof in Delingsdorf beschäftigt und hat dort eine Ausbildung zum Landwirt gemacht. Ein Maschinenbaustudium schmückt zwar nicht seine Vita, dennoch verfügt der 53-Jährige über reichlich technisches Wissen und kann das auch in der Praxis anwenden.
„Ich habe mir das alles selbst beigebracht. Das Faible dafür liegt in der Familie, mein Opa war Stellmacher“, sagt Albers. In der Vergangenheit hat er zum Beispiel zwei VW Bullis restauriert – sein großes Hobby. „Thiess Albers ist sehr versiert und für seine Innovationen in Fachkreisen bekannt“, sagt Enno Glantz. Jede neue Landmaschine, die er bisher gekauft hat, wurde von dem Technik-Chef angefasst und verbessert. So baute er zum Beispiel eine andere Messerform beim Stroheinleger ein. „Alle Geräte sind jetzt den betrieblichen Bedürfnissen optimal angepasst.“
Der Chef will nach seinem 75. Geburtstag kürzertreten
Beim jetzigen Projekt hat der Tüftler bei Null angefangen, will sich die Maschinen nun patentieren lassen. Das Mähwerk, das alle vier bis sechs Wochen auf den Erdbeerfeldern zum Einsatz kommen soll, ist vier Meter breit und 60 Zentimeter hoch sowie mit fünf Aggregaten versehen. Diese sind freischwebend, passen sich also dem Untergrund an. Bei der Stahlkonstruktion war Zentimeterarbeit gefragt, denn die Zwischenräume der Mähaggregate müssen der Breite der Erdbeerreihen entsprechen. Das Gerät ist mit zahlreichen Hydraulikschläuchen ausgestattet.
Seine Vorstellungen hat Albers vornehmlich von November bis März verwirklicht, in der Werkhalle unter anderem geschraubt und Teile zusammengesetzt. Er will zeitnah ein weiteres Mähwerk bauen, denn Enno Glantz betreibt auch einen Erdbeerhof in Hohen Wieschendorf bei Wismar mit einer noch größeren Fläche als in Delingsdorf. Ein ständiges Hin- und Herfahren der Landmaschine zwischen beiden Standorten hält der Firmenchef für wenig sinnvoll. In Stormarn, wo auch Himbeeren, Blumen und Weihnachtsbäume angepflanzt werden, ist das Gelände 140 Hektar groß. Der Hof in Mecklenburg-Vorpommern kommt auf 380 Hektar.
Saisonziel: 20 Tonnen Erdbeeren pro Hektar
Enno Glantz, der während der Saison in Delingsdorf 700 Menschen beschäftigt, strebt an, in dieser Saison pro Hektar 20 Tonnen Erdbeeren zu ernten. 2017 und 2018 seien wegen des Wetters nicht optimal gewesen, sagt der Landwirt. Erst war es zu nass, dann zu trocken. Den Ernteausfall beziffert er jeweils auf rund 30 Prozent.
In diesem Jahr startet die Erdbeersaison bereits Ende dieses Monats und früher als sonst – und sie endet in Delingsdorf nicht Anfang August, sondern geht bis in den September hinein. Enno Glantz feiert am 11. Juli seinen 75. Geburtstag. Sollte sein „Großversuch“ gelingen, wäre es ein schönes Geschenk. „Im Herbst werde ich mich mehr aus dem operativen Geschäft zurückziehen“, kündigt der Unternehmer an.
Info: So bieten Hobbygärtner Nützlingen gute Lebensbedingungen
Schädlinge ärgern Hobbygärtner, denn sie zerstören wertvolle Pflanzen. Der Einsatz von chemischen Mitteln hat jedoch Nachteile: Sie schaden der Umwelt, töten auch andere Tiere und gelangen in die Erde und ins Grundwasser. Oft können Schädlinge durch das natürliche Gleichgewicht in Schranken gehalten werden: mit Nützlingen, die die ungewollten Insekten fressen. Ein Marienkäfer vertilgt zum Beispiel bis zu 150 Blattläuse pro Tag. Auch Schweb- und Florfliegen, Ohrwürmer, Laufkäfer und Spinnen machen sich über Blattläuse her. Es gilt also, den Nützlingen gute Lebensmöglichkeiten im Garten oder auf dem Balkon anzubieten. Insektenhotels sind eine Variante. Auch auf die richtigen Pflanzen kommt es an. Gut sind ungefüllte. Sie haben viel weniger Blütenblätter, oftmals sind Staubblätter mit Pollen zu sehen. Auf Forsythien, Hortensien und Geranien sollte man verzichten. Diese hochgezüchteten Pflanzenformen produzieren keine oder weniger Pollen und Nektar. Insekten brauchen bei Hitze Wasser, etwa aus einer Vogeltränke oder einem Teich. Ein flacher Wasserspiegel mit Lehm und Sand reicht. Dort finden die Kerbtiere auch Baumaterial.