Ahrensburg. Bürgermeister und Politiker klagen über zu wenig finanzielle Unterstützung vom Land. Wirtschaftsminister sieht das anders.
Mehrere Tausend Euro für die Grunderneuerung der Straße vor der eigenen Haustür zahlen – das müssen Grundeigentümer vielerorts in Stormarn nicht mehr. Einige Kommunen haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Ausbaubeiträge abzuschaffen, andere halten daran fest. Das wiederum kann Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) nicht verstehen. „Es gibt genug Förderung“, sagte der Ahrensburger jüngst auf einer Veranstaltung in Bad Oldesloe. Mit dieser Formulierung kann nicht jeder Bürgermeister gut leben. Auch örtliche Politiker kritisieren die Landesregierung, wünschen sich mehr Unterstützung aus Kiel. Das Abendblatt hat Fakten gesammelt, zeigt die Probleme in Städten und Gemeinden auf.
Seit wann gibt es die Beitragspflicht für Anlieger nicht mehr?
Lange waren Städte und Gemeinden angehalten, ihre Bürger an Straßensanierungen finanziell zu beteiligen. Stormarner Kommunen erhoben Einmalbeiträge. Wurde eine Fahrbahn angefasst, zahlten ausschließlich anliegende Grundeigner und teilweise fünfstellige Summen. Die Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP änderte das, lässt die Politiker vor Ort nun selbst entscheiden, wie sie mit dem Thema umgehen. Ein entsprechendes Gesetz ist im Januar 2018 in Kraft getreten. Die Landesregierung empfindet das frühere System als ungerecht.
Wo müssen Stormarner nun nicht mehr für Straßen zahlen?
Von den Städten und größeren Gemeinden haben Ahrensburg, Bad Oldesloe, Reinbek, Glinde und Oststeinbek umgeschwenkt. Großhansdorf hat seit vielen Jahren keine Ausbausatzung, weil laut Bauamt Straßen so repariert wurden, dass die Arbeiten nicht beitragspflichtig waren. Bargteheide und Reinfeld halten am alten System fest. Genauso Barsbüttel, Trittau und Ammersbek – dort wurden aber die Sätze gesenkt. In Barsbüttel zahlen Grundstückseigner an einer Anliegerstraße nur noch 70 statt zuvor 75 und an einer Haupterschließungsstraße 35 statt 40 Prozent der Gesamtsumme.
Warum schaffen eigentlich nicht alle Kommunen die Satzung ab?
Vielerorts reicht das Geld in der Gemeindekasse nicht aus, um kostenintensive Straßensanierungen ohne finanzielle Beteiligung der Anlieger umzusetzen. Und dafür weitere Schulden aufnehmen, das will auch nicht jeder. „Mit der Entscheidung des Landes, die Beitragspflicht aufzuheben, ist den Kommunen nicht geholfen, da jetzt jeder für sich lokale Lösungen finden muss und so ein Flickenteppich entsteht. Eine klare, einheitliche Regelung wäre sinnvoller gewesen. Auch ein unmittelbarer Kostenausgleich bei einer Abschaffung der Beiträge findet nicht statt“, sagt Bargteheides Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht.
Wie unterstützt das Land die Städte und Gemeinden?
Unter anderem noch in diesem Jahr mit dem sogenannten Straßenbau-Förderprogramm mit einem Volumen in Höhe von rund 29 Millionen Euro. Hierbei müssen Anträge gestellt werden – und nicht jede Straße ist förderfähig. Ausgeschlossen sind zum Beispiel Tempo-30-Zonen, die nicht an Kitas und Schulen vorbeiführen. Eine Anschlussfinanzierung ist laut Wirtschaftsministerium bis 2035 gesichert. Der zweite große Posten ist das sogenannte Infrastrukturprogramm. Hier hat das Land den Betrag von 30 Millionen Euro aus Bundesmitteln von 2018 bis 2020 um jeweils 15 Millionen aufgestockt. Allerdings gibt es keine Zweckbindung, das Geld ist auch für Schulen und Kindergärten vorgesehen. Schleswig-Holstein hat mehr als 1100 Städte und Gemeinde, unter denen aufgeteilt wird.
Was kommt dabei in den Stormarner Kommunen an?
Jedenfalls nicht so viel, dass beim Verzicht auf Beiträge der gestiegene Gemeindeanteil kompensiert wird. Ammersbek hat zwei Straßen für eine Grunderneuerung im Fokus: Für den Schäferdresch liegen die geschätzten Kosten bei rund 2,9 Millionen Euro, ein Teilabschnitt des Volksdorfer Wegs ist mit einer Million Euro deklariert. Beide Straßen sind laut Verwaltung nicht förderfähig. Aus dem Infrastrukturprogramm des Landes erhält die Gemeinde für 2018 und 2019 rund 124.000 Euro.
„Ich weiß nicht, wie wir solche Projekte ohne Anliegerbeiträge finanzieren könnten“, sagt Bürgermeister Horst Ansén. 30 Fahrbahnen sind laut dem Verwaltungschef in den kommenden Jahren sanierungsbedürftig. „Mit dem neuen Gesetz hat uns die Landesregierung ein Ei ins Nest gelegt. Es war schwierig, das Festhalten am System der Öffentlichkeit zu erläutern“, so der Verwaltungschef und spielt damit auf die Erwartungshaltung der Bevölkerung an, die Beiträge zu streichen. Das hatte eine Einwohnerinitiative gefordert.
In Glinde sieht es besser aus. Dort ist im kommenden Jahr die Sanierung der Blockhorner Allee für 555.000 Euro geplant. 2019 klappt es nicht, weil die Angebote von Firmen zu teuer waren. Vom Land erhält die Stadt in zwei Jahren 475.000 Euro. Reinbek bekommt in diesem Zeitraum rund 730.000 Euro, hat 2020 aber auch ein 1,8-Millionen-Straßen-Projekt vor der Brust.
Wie begründen Stormarns Politiker und Bürgermeister ihre Kritik?
Natürlich geht es in erster Linie um die finanzielle Unterstützung. Reinbeks Bürgermeister Björn Warmer zum Beispiel ist ein Freund der Beitragsabschaffung, sagt aber auch: „Die Sache war Wahlkampfthema und ist ein vergiftetes Geschenk gewesen.“ Das sieht auch Reinbeks SPD-Fraktionschef Volker Müller so: „Im Wahlkampf hat man vollmundige Ankündigungen gemacht, ohne den Kommunen Lösungen aufzuzeigen.“ Was herausgekommen sei, bezeichnet er als „richtige Mogelpackung“.
Kritik an der von den Christdemokraten geführten Landesregierung gibt es auch aus der eigenen Partei, zum Beispiel vom Barsbütteler Gemeindevertreter Matthias Lange. Er sagt: „Wir fühlen uns im Stich gelassen.“ Für die Straße, in der er wohnt, ist eine Sanierung angedacht. Die geschätzten Kosten liegen bei 2,2 Millionen Euro. Vom Land erhält die Gemeinde aus dem Infrastrukturprogramm 377.000 Euro binnen 24 Monaten. Bad Oldesloes Bürgermeister Jörg Lembke wollte an den Beiträgen festhalten, die Politik entschied anders. Er sagt: „Dieses Thema vor der Kommunalwahl groß aufzuziehen, war ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Das hat die örtliche Politik unter Druck gesetzt.“ Bad Oldesloe könne die Einnahmeausfälle jedenfalls nicht kompensieren.
Welche Folgen hat der Wegfall der Beiträge für die Kommunen?
Sie müssen bei Grunderneuerungen mehr zahlen als zuvor. „Und es wird die eine oder andere Straße geben, die nach hinten geschoben wird“, sagt Sozialdemokrat Volker Müller zum Abendblatt. In Bad Oldesloe ist das bereits der Fall. „Bei uns sind zwei geplante Straßen-Projekte zurückgezogen worden“, berichtet Verwaltungschef Lembke. Über Unterstützung aus Kiel sagt er: „Verwaltungen haben ohnehin nicht geglaubt, dass groß kompensiert wird.“
Oststeinbek hatte sich als erste Stormarner Kommune von der Beitragssatzung verabschiedet. Grunderneuerungen sind in den kommenden Jahren laut Bürgermeister Jürgen Hettwer aber nicht vorgesehen. Das war mal anders. Vor drei Jahren plante die Verwaltung, von 2017 bis 2025 zahlreiche Straßen auf Vordermann zu bringen. Der Investitionsbedarf lag im zweistelligen Millionenbereich. Nach Bürgerprotesten beerdigten die Politiker die Angelegenheit. Hettwer sagt: „Natürlich kommt mehr Druck auf den Kessel, wenn sich viele Bürger über schlechte Straßen beschweren sollten.“ Mit der derzeitigen Unterstützung aus Kiel sei die Umsetzung eines Rundum-Programms nicht finanzierbar, da müsse man sich auf Reparaturen beschränken.
Wird die Landesregierung künftig mehr Geld zur Verfügung stellen?
„Mit der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs sollen die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihren Verpflichtungen für die kommunale Infrastruktur nachzukommen und auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu verzichten“, heißt es beim Wirtschaftsministerium auf Abendblatt-Anfrage. Das entsprechende Gesetz sei für den 1. Januar 2021 geplant. Wie viel Geld dann zusätzlich an die Kommunen gehen soll, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden.