Reinbek/Grosshansdorf. Mediziner aus Reinbek und Großhansdorf sprechen über Morddrohungen und randalierende Patienten. Sicherheitstraining für Mitarbeiter.
Pöbelnde Patienten und aggressive Angehörige: Immer häufiger kommt es in Krankenhäusern und Arztpraxen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) waren es im vergangenen Jahr täglich 75 Fälle von körperlicher Gewalt gegen Ärzte in Deutschland. Auch Kliniken im Kreis Stormarn sind betroffen.
Patient bedrohte Pflegepersonal in St. Adolf-Stift
„Eine Zunahme aggressiven Verhaltens seitens der Patienten ist deutlich spürbar“, sagt Elke Wittkowski, Betriebsärztin im Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift. „Körperliche Gewalt ebenso wie verbale im Sinne von Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen.“ Auch zu Sachbeschädigungen komme es immer mal wieder. Über die Zahl der Angriffe gegen Mediziner in Stormarn gibt es noch keine offiziellen Erhebungen. In Hamburg gibt es laut Wittkowski aber mehr Vorfälle. Das begründet sie mit der „Stadtrandlage“ der Reinbeker Klinik.
Im St. Adolf-Stift werden jährlich rund 44.000 Patienten behandelt, 25.000 davon in der Notaufnahme. Kürzlich randalierte dort ein stark alkoholisierter Patient und bedrohte das Pflegepersonal. Der herbeigerufene Sicherheitsdienst sorgte dafür, dass die Situation nicht eskaliert. Nach einer medizinischen Kontrolle wurde der Mann der Polizei zur Ausnüchterung übergeben. „Solche Situationen sind eine psychische Belastung für die Mitarbeiter. Leider haben sich viele daran schon gewöhnt“, sagt Wittkowski. „Aber es ist nicht normal, sich bei der Arbeit beleidigen lassen zu müssen.“
Reinbeker Krankenhaus setzt auf Sicherheitsdienst
Ähnlich ist die Situation in der Park-Klinik Manhagen in Großhansdorf. „Einen Vorfall mit einer Morddrohung gegen einen Mitarbeiter haben wir im vergangenen Jahr angezeigt“, sagt der Ärztlicher Direktor Professor Jörg Braun. Auch er registriert die Zunahme aggressiver Äußerungen mit Besorgnis. „Das Anspruchsdenken der Menschen wird immer größer, dazu sinkt die Schwelle der Leidensbereitschaft“, so der Mediziner. In dem Krankenhaus arbeiten 400 Menschen. Jährlich gibt es in der Unfallambulanz der Park-Klinik 48.000 Patientenkontakte.
Um die Sicherheit von Mitarbeitern und Patienten zu gewährleisten, setzt das Reinbeker Krankenhaus in den Abend- und Nachtstunden auf einen Sicherheitsdienst. „Häufig reicht dessen Präsenz, damit eine Situation nicht eskaliert“, sagt Olaf Schröder, stellvertretender pflegerischer Leiter der Zentralen Notaufnahme (ZNA). Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Schröder in diesem Bereich und hat schon einiges erlebt. „Beim Thema Geduld und Dringlichkeit scheiden sich die Geister. Kommt es zu vermeintlich zu langen Wartezeiten, wird schon einmal gegen einen Mülleimer getreten oder gebrüllt“, erzählt er.
Körperliche Gewaltangriffe gelten als Arbeitsunfall
Täglich erlebt der Pfleger, dass die Hemmschwelle zur Gewalt gesunken ist. Auch Angehörige – häufig aus Sorge – würden sich im Ton vergreifen. Die Gründe für die Gewaltzunahme in den Krankenhäusern sind vielschichtig. Zum einen habe sich das Patientenaufkommen erhöht, zum anderen sei nur jeder fünfte Patient der in die Notaufnahme ein wirklicher Notfall, sagt Professor Braun. „Diese hohe Dichte in der Unfallambulanz bringt Wartezeiten mit sich. Die Patienten werden nach Dringlichkeit und nicht nach Ankunftszeit behandelt.“ Das ist auch im St. Adolf-Stift der Fall. Eine Tafel am Eingang soll um Verständnis werben.
Mit einem kürzlich eingeführten Erfassungsbogen zum Thema „Gewalttaten gegenüber Krankenhausmitarbeitern“ will man in Reinbek die gefühlte Zunahme mit konkrete Zahlen hinterlegen. Der Fragebogen, der von betroffenen Mitarbeitern auch anonym ausgefüllt werden kann, erfasst die Art der Gewaltausübung sowie deren Hintergründe. „Wir nehmen das Problem ernst“, sagt Betriebsärztin Wittkowski. Noch gibt es in dem Krankenhaus keine Statistik. „Körperliche Gewaltangriffe gelten als Arbeitsunfall und müssen gemeldet werden.“ Mit seinem Meldebogen ist das St. Adolf-Stift das erste Krankenhaus im Kreis Stormarn, das eine systematische Erfassung umsetzt. Wittkowski: „Wir hoffen, dass wir daraus wichtige Erfahrungen für Präventionsmaßnahmen ziehen können.“ Sicherheitstrainings, Schulungen und Mitarbeitergespräche werden bereits angeboten.
Asklepios-Konzern spricht in Bad Oldesloe von Einzelfällen
In der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe gehört das Thema Gewalt gegenüber Pflegepersonal noch nicht zum Alltag, betont Pressesprecher Mathias Eberenz. Er spricht über „Einzelfälle von Patienten mit Demenz oder psychischen Auffälligkeiten“. Die Lage in Bad Oldesloe lasse sich nicht mit jener angespannten in den Großstadtkliniken vergleichen. Eberenz: „Beim Thema Gewalt spielen Alkoholmissbrauch und Drogen häufig eine Rolle, und das ist in einer Klinik mit einer weitgehend intakten Struktur erfreulicherweise selten der Fall.“
Auch in der LungenClinic Großhansdorf ist das Problem nicht gegenwärtig. Christian Oehme, Rettungssanitäter und Pressesprecher des Rettungsdienst-Verbunds Stormarn, sieht sich dagegen häufig mit aggressiven Mitmenschen konfrontiert. „Während eines Einsatzes blockieren wir mit dem Wagen schon mal eine Ausfahrt oder behindern ein Fahrzeug an der Weiterfahrt. Dafür gibt es wenig Verständnis, die Menschen werden schnell ausfallend“, so Oehme. Davon lassen sich die Profis aber nicht aus der Ruhe bringen. In Deeskalationsschulungen haben sie Gelassenheit gelernt. Der Rettungssanitäter wünscht sich trotzdem mehr Verständnis, sagt: „Schließlich kann jeder in eine Notsituation kommen und ist froh, wenn zügig geholfen wird.“