Reinbek. Neue Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg im St. Adolf-Stift hat jeden Tag bis Mitternacht geöffnet.
Ein Schild am Ende der Empfangshalle im Reinbeker Krankenhaus weist auf die Neuerung hin. Von dort geht es links am Kiosk vorbei. Nach wenigen Metern sind Menschen, die am späten Abend medizinische Hilfe benötigen, an der richtigen Stelle angekommen. Hier im Erdgeschoss hat die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) vor wenigen Tagen eine Notfallpraxis für ambulante Versorgung eröffnet. Jeweils ein bis zwei Hausärzte und zwei Fachkräfte sind 365 Tage im Jahr bis Mitternacht im Dienst. Geöffnet ist montags, dienstags, donnerstags und freitags ab 19 Uhr, mittwochs ab 13 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen schon ab 10 Uhr. Die KVH investiert in das Projekt rund 500.000 Euro pro Jahr. Diese Summe beinhaltet Kosten für Personal und Anmietung der Räume.
53 Ärzte teilen sich die Dienste auf
Der Auftrag der Ärzte ist klar definiert: Dringende Fälle werden gleich vor Ort behandelt, Patienten mit leichteren Erkrankungen an eine reguläre Praxis überwiesen. Wer stationär aufgenommen werden muss, bleibt im St. Adolf-Stift. Mit der neuen Notfallpraxis hoffen sowohl KVH als auch die Klinik auf eine Entlastung der Zentralen Notaufnahme. Dort wären dann wieder mehr Kapazitäten frei für Menschen mit schweren und lebensbedrohlichen Erkrankungen. Bislang war die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) mit einer sogenannten Anlaufpraxis im Reinbeker Krankenhaus vertreten. Auch diese half Patienten, wenn Hausarztpraxen geschlossen hatten. Allerdings waren die Öffnungszeiten nicht so ausgedehnt wie jetzt. „Wir haben das Angebot verdoppelt“, sagt Caroline Roos, stellvertretende KVH-Vorstandsvorsitzende. Die Reinbeker Notfallpraxis kann jeder aufsuchen, insbesondere richtet sie sich aber an Menschen aus der Region, also aus dem Hamburger Osten und den Süden Stormarns.
Für die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein ist der Rückzug aus Reinbek kein Anlass zur Traurigkeit, betreibt sie doch 33 solcher Einrichtungen und elf speziell für Kinder. „Die beiden Nord-KVen leben Gemeinsamkeit bereits seit mehr als zehn Jahren“, sagt die KVSH-Vorstandsvorsitzende Monika Schliffke und verweist auf die Bereitschaftspraxis ihrer Organisation am Asklepios-Klinikum Nord in Heidberg auf Hamburger Gebiet. Dort arbeiten Ärzte aus beiden Bundesländern.
Mediziner kommen aus Hamburg und Schleswig-Holstein
Genauso ist es jetzt auch in Reinbek. 13 Mediziner kommen aus Schleswig-Holstein, 40 aus Hamburg. Es sind viele Hausärzte, die nach Schließung ihrer eigenen Praxis am Abend den Dienst freiwillig verlängern und dafür von der Kassenärztlichen Vereinigung bezahlt werden. Zu dem Pool zählt auch Frank Böttcher, Oberarzt in der Anästhesie am St. Adolf-Stift. Er ist der einzige Arzt der Reinbeker Klinik, der in der neuen Notfallpraxis einmal pro Monat arbeitet. Das erste Mal ist er Karfreitag eingeteilt, sagt: „Darauf freue ich mich, habe einfach Spaß an dieser Arbeit.“
Böttcher macht schon seit mehr als 20 Jahren Notdienste. „Die einzige Änderung sind jetzt für mich die längeren Öffnungszeiten. Aber das lässt sich mit meinem Schichtdienst gut vereinbaren.“ Der 55-Jährige zählt zu jenen, die Abwechslung im Job suchen. 2015 richtete das St. Adolf-Stift eine Praxis in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Nachbargemeinde Wentorf auf dem Gelände der ehemaligen Sprachheilschule ein. Böttcher leitete das Projekt über mehrere Monate bis zur Schließung und erzählt noch immer mit Begeisterung von jener Zeit.
Betreiber rechnet mit 7500 Patienten im Jahr
In der Reinbeker Notfallpraxis behandelt Böttcher Patienten in jenen zwei Räumen, die auch zuvor von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein genutzt wurden. Am Eröffnungstag zählte die KVH acht Patienten, Freitag waren es 19 und am Sonnabend 58. Pro Jahr rechnet sie mit rund 7500. Das ist im Vergleich zu den anderen drei Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg in Altona, Farmsen und Harburg mit bis zu 45.000 Fällen gering.
Derzeit wird das Reinbeker Krankenhaus erweitert. Geplant ist auch eine neue Zentrale Notaufnahme, „mit der alle Vorgaben für ein integriertes Notfallzentrum erfüllt sind“, sagt Klinik-Geschäftsführer Björn Pestinger. Ab 2022 werde dann eine gemeinsame Versorgung von bis zu 55.000 ambulanten Fällen möglich sein.