Reinbek. Täglich hat Wolfgang Wohltorf heftige Hustenanfälle, läuft blau an und wird beinahe bewusstlos. Er kämpft um Entschädigung.

Wolfgang Wohltorf erinnert sich noch gut an einen Arztbesuch im Jahr 2013. Seit Jahren litt er bereits unter Husten und Atemproblemen, ließ sich schließlich die Lunge röntgen. „Der Arzt hat gesagt, dass ich eine Asbestlunge habe“, sagt der heute 93-Jährige. Eine Diagnose, die für Wolfgang Wohltorf und seine Frau Ellen überraschend und schockierend war. Mit den Jahren hat sich die Krankheit immer weiter verschlimmert, heute bekommt er täglich so heftige Hustenanfälle, dass er blau anläuft und beinahe bewusstlos wird. Eine schwierige Situation für ihn und seine Frau.

Schwierig war für die Wohltorfs auch, dass sie nicht wissen, woher die Krankheit kommt. Nach seiner Lehre zum Autoschlosser wurde Wolfgang Wohltorf im Zweiten Weltkrieg schwer verwundet. Danach war er bei vielen Firmen angestellt, bis er schließlich in den 70er-Jahren noch während der Bauphase im Schulzentrum am Mühlenredder als Hausmeister anfing. Dort blieb er mehr als zehn Jahre, bis er mit 60 in Rente ging.

Erkrankung könnte mit Arbeit zu tun haben

„Als wir vom Asbestfund im Schulzentrum gelesen haben, sind wir natürlich hellhörig geworden“, erklärt Ellen Wohltorf. Sie und ihr Mann vermuten jetzt, dass er dort mit dem Asbest in Berührung gekommen ist. Schließlich waren bei Messungen im Schulzentrum Ende vergangenen Jahres Asbest-Werte festgestellt worden, die bis zu 13-fach erhöht waren. Daraufhin wurde das Schulzentrum komplett gesperrt, Schüler und Lehrer mussten an andere Standorte ausweichen. Nach den Sommerferien soll in einem neuen Container-Campus auf der Freizeitbadwiese unterrichtet werden.

Wolfgang Wohltorf weiß, dass es für seine Lunge keine Heilung gibt. Weil er aber davon ausgeht, dass er sich seine Krankheit bei der Arbeit zugezogen hat, hat er doch einen Wunsch: „Ich möchte, dass die Krankheit anerkannt und entschädigt wird. Und ich möchte das auch noch erleben“, so der 93-Jährige.

Mit vielen Stellen hat Wolfgang Wohltorf deswegen schon Kontakt gehabt. Er war auch bei einer Veranstaltung der Stadt, bei der über den Asbestfund informiert wurde. Auf diesen Termin verweist auch Bürgermeister Björn Warmer, der betont, dass die Stadt sehr transparent mit den Geschehnissen umgeht. Bereits Ende 2018 hatte er erhebliche Versäumnisse der Verwaltung über einen langen Zeitraum eingeräumt. Schon lange war bekannt, dass in der Schule Asbest verbaut wurde, seit den 80er-Jahren hatte es aber nur eine Messung gegeben. Die Gefahr blieb lange unbeachtet.

Stadt will Betroffene unterstützen

„Wir warten im Moment auf den Abschlussbericht“, sagt Warmer, der aber nicht sagen kann, wann dieser fertig ist. Ansonsten unterstütze die Stadt Angestellte und auch Ehemalige wie Wolfgang Wohltorf selbstverständlich, zum Beispiel, wenn es um Dienstbescheinigungen gehe. Ansonsten sei die Berufsgenossenschaft zuständig.

In Wolfgang Wohltorfs Fall waren seit 2013 aufgrund der vielen unterschiedlichen Arbeitgeber drei Berufsgenossenschaften aktiv. Die Unfallkasse Nord war für die Gemeinschaftsschule zuständig. „Wir haben den Arbeitsplatz von Herrn Wohltorf im Jahr 2015 untersucht und auch mit ihm gesprochen. Es wurden keine Anhaltspunkte für einen beruflichen Umgang mit Asbest gesehen“, sagt Sprecherin Klaudia Gottheit. Die Luft gemessen wurde vor Ort jedoch nicht.

Ansprüche werden von Berufsgenossenschaft geprüft

Im Oktober 2015 stellte die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) die Ermittlung „wegen mangelnder Mitwirkung“ ein. Wohltorf konnte, wie er selbst zugibt, nicht mehr alle Papiere finden. Zu lange lagen seine Tätigkeiten zurück. Am Ende war er außerdem von den langen Ermittlungen zermürbt.

Immerhin: Der Asbestfund in der Schule hat das Verfahren wieder in Gange gebracht: „Eine erneute Überprüfung der Asbestbelastung wurde bereits veranlasst und ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Klaudia Gottheit. Wie lange das nun dauert, ist ungewiss.