Ahrensburg. Naturschützer wollen 1500 Wohnungen in der City, damit Neubaugebiete überflüssig werden. Rathaus und Politik zweifeln an Realisierung.
Der Naturschutzbund (Nabu) in Ahrensburg wartet mit einem spektakulären Vorstoß für die Innenstadt auf. In dem Bereich rund um Klaus-Groth-, Fritz-Reuter- und Stormarnstraße sollten statt wie jetzt überwiegend Einzelhäuser ausschließlich Wohnblocks stehen. Auf dem Platz von jetzt um die 100 Einzelhäusern wären so etwa 1500 Wohnungen möglich.
Damit könnte die Stadt laut Nabu auch die jahrelange Diskussion über den neuen Flächennutzungsplan (F-Plan) beenden. „Allein mit der Entwicklung dieser innerstädtischen Flächen würde es gelingen, viel mehr Wohnbaupotenzial zu schaffen als mit den von der Verwaltung vorgeschlagenen Flächen im Außenbereich“, so der Nabu-Ortsvorsitzende Michel Quermann in einem offenen Brief an Politiker aller Parteien.
Höhere Häuser wie gegenüber dem Altenheim am Reeshoop
Die Naturschützer erheben schwere Vorwürfe. Die Stadt Ahrensburg habe „in den letzten Jahren in fachplanerisch unverantwortlicher Weise, vorwiegend aus fiskalischen Gründen, Raubbau an ihren Freiflächen betrieben“. Der Nabu will weitere Neubaugebiete am Stadtrand, die das Rathaus im Entwurf zum F-Plan vorsieht, unbedingt verhindern.
Michel Quermann appelliert an die ehrenamtlichen Politiker: „Wir sind sehr besorgt, dass Sie mit einer Entscheidung für Wohnbaupotenzialflächen in Außenbereichen der Stadt die letzten Chancen für eine langfristige nachhaltige, auch ökologisch orientierte bauliche Entwicklung der Stadt vernichten könnten, weil Sie irrtümlich einem verengten, vorgestrigen Planungsverständnis folgen.“
Bis 2035 sollten in der Stadt 2450 Einheiten entstehen
Die Landesplanung in Kiel hat Ahrensburg als Mittelzentrum im Verdichtungsraum eingestuft und als Schwerpunkt für den Wohnungsbau. Bis 2035 sollten rund 2450 Wohneinheiten entstehen – jährlich mehr als 140. Neben Nachverdichtung schlägt das städtische Bauamt mehr als 1700 Wohneinheiten auf zusätzlichen Bauflächen vor.
Der Nabu kritisiert, dass den Parteien mit einer Nichtgenehmigungsfähigkeit des F-Plans gedroht werde, falls sie dem Vorschlag nicht folgten. „Nach unserer fachlichen Einschätzung besteht ein solcher Sachzwang nicht“, so Quermann. Auch hochgesteckte Entwicklungsziele ließen sich ohne zusätzlichen Flächenverbrauch realisieren. Gelungene Beispiele stünden am Reeshoop gegenüber dem Altenheim: Dort seien zwei kleine Häuser für neue Gebäude mit acht und mehr Wohnungen abgerissen worden, nachdem Anfang 2013 ein B-Plan erstellt worden war.
Sind auch die Besitzer der Grundstücke einverstanden?
„Ahrensburg hat in der Innenstadt große Flächen mit Einfamilienhäusern, auf denen eine ähnliche Entwicklung möglich wäre“, sagt Michel Quermann. Explizit nennt er die Fritz-Reuter und die Klaus-Groth-Straße (jeweils zwischen Reeshoop und Adolfstraße) sowie die Stormarnstraße zwischen Stormarnplatz und Gerhart-Hauptmann-Straße. Das Rathaus bewerte das Potenzial der Innenentwicklung mit jährlich 60 Wohneinheiten „grotesk niedrig“.
Verwaltung und Politik halten in einer ersten Einschätzung die Nabu-Idee allerdings für wenig realistisch. „Es ist doch sehr fraglich, ob sich das umsetzen ließe“, sagt Bürgermeister Michael Sarach. Selbst wenn die Stadtverordneten einer „so massiven Veränderung der Innenstadt“ zustimmten, handele es sich um private Grundstücke. „Erfahrungsgemäß tut sich da höchstens in Einzelfällen etwas, wenn Besitzer verkaufen oder selbst abreißen.“
CDU: Nicht vom Land unter Druck setzen lassen
Die Einschätzung teilt Bauamtsleiter Peter Kania. „Man kann ja keinen Eigentümer zwingen, sein Grundstück neu und deutlich höher zu bebauen“, sagt er. Durchschnittlich gebe es im Stadtgebiet etwa 30 Nachverdichtungs-Fälle im Jahr.
CDU-Fraktionschef Detlef Levenhagen gibt dem Nabu zwar grundsätzlich recht, Außenbereiche nicht zu bebauen. Deshalb habe die Partei von den 13 möglichen Arealen, die die Verwaltung für den F-Plan aufgelistet hatte, auch zwölf abgelehnt. „Verdichtung geschieht aber auch jetzt schon überall“, sagt er, „dafür sind große Änderungen in den B-Plänen nicht nötig.“ Die Stadt habe allein im Vorjahr 280 Wohneinheiten genehmigt. Deshalb sollte man sich vom Land nicht unter Druck setzen lassen. „Wenn man sieht, wo überall gerade gebaut wird, erfüllen wir die Vorgaben auch in den nächsten Jahren.“
Für die Grünen ist der Vorstoß keine Lösung
Für Nadine Levenhagen (Grüne) sind viele Wohnblocks in einem vergleichsweise kleinen Areal nicht die Lösung. „Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung, es muss aber alles verträglich sein“, sagt sie. Die Partei wolle auch in der City eine liebevolle Stadt voller Abwechslung mit Platz für Grün und Sport erhalten. „Wir möchten Ahrensburg nirgends so sehr zubetonieren, dass keine Lebensqualität mehr da ist“, sagt sie. Auch die Grünen lehnen einen Großteil der vorgeschlagenen Neubau-Potenzialflächen ab.
SPD-Fraktionschef Jochen Proske hält 1500 Wohnungen in der Stadtmitte für „einen theoretischen Wert, den man nicht erreichen wird“. Widerstand von Nachbarn gegen höhere Häuser wegen Schatten und Optik sei programmiert. „Außerdem sind Gärten, Grünflächen und Knicks ein wichtiger Lebensraum für Vögel, kleine Säugetiere und Insekten“, sagt er. Man müsse ehrlich darüber diskutieren, ob ein konventionell genutzter Acker ökologisch wertvoller sei.
WAB-Chef hält Zahlen für unrealistisch
Der Fraktionschef der Wählergemeinschaft WAB, Peter Egan, hat die Nabu-Zahlen mal überschlagen. „Dann müssten in dem Areal vier- bis sechsgeschossige Häuser dicht nebeneinander stehen“, sagt er, „das wäre so ähnlich wie beim Neubau auf dem Opel-Dello-Gelände an der Hamburger Straße.“ Das sei unrealistisch.
Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt FDP-Fraktionschef Thomas Bellizzi. Die vom Nabu angeführten zwei neuen Mehrfamilienhäuser im Reeshoop-Viertel zeigten gerade, dass Veränderungen nur langsam und nicht schnell möglich seien. „Wir können ja keinen zu etwas zwingen“, so Bellizzi.
Ali Haydar Mercan, Vorsitzender der Linken-Fraktion, bezweifelt, dass man allein mit drei Innenstadt-Straßen den Bedarf an Wohnungen decken kann. „Wir brauchen nicht nur mindestens 600 Sozialwohnungen, sondern auch weitere bezahlbare Wohnungen mit einer Quadratmetermiete deutlich unter zehn Euro, die sich Menschen mit niedrigerem Einkommen leisten können.“