Bad Oldesloe/Glinde. Experten warnen vor starken regionalen Unterschieden. Besonders Stormarns Süden hat beim Glasfaserausbau Nachholbedarf.

Die Digitalisierung macht es notwendig, immer größere Datenmengen über das Internet zu verarbeiten. Doch nicht alle Bürger in Stormarn haben Zugang zum schnellen Netz. Besonders im Süden des Kreises blieb der Glasfaserausbau bisher auf der Strecke, zudem droht der ländliche Raum die Städte zu überholen. Grund ist eine ungünstige Gesetzeslage bei der Verteilung staatlicher Fördermittel.

Erfolgen kann der Breitbandausbau entweder durch privatwirtschaftliche Unternehmen oder kommunale Gesellschaften. In Stormarn sind überwiegend letztere aktiv, bei denen es sich meist um örtliche Stadtwerke handelt. Die größten im Kreis sind die Vereinigten Stadtwerke Media, ein Zusammenschluss der Gesellschaften aus Bad Oldesloe, Mölln und Ratzeburg. Die GmbH schloss seit 2009 bereits 300 Bauabschnitte an ihr Glasfasernetz an und versorgt einen Großteil Stormarns. In Ahrensburg ist es Schloss Media, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke Ahrensburg. Großhansdorf beauftragte die Stadtwerke Geesthacht.

Staatliche Förderung meist nur für ländliche Gemeinden

Ausbau von Breitband-Internet im Kreis Stormarn
Ausbau von Breitband-Internet im Kreis Stormarn © HA | Grafik: Frank Hasse, Quelle: Breitband-Kompetenzzentrum SH

Die Problematik der Gesetzeslage zur Ausbauförderung erläutert der Leiter des Breitband-Kompetenzzentrums Schleswig-Holstein (BKZSH), Richard Krause. Die Kieler Institution analysiert regelmäßig den Ausbaustatus aller Kommunen und bereitet die Ergebnisse im Internet kartographisch auf. Krause sieht Stormarn beim Glasfaserausbau landesweit im Mittelfeld. So sei der Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg schlechter erschlossen, Pinneberg belege einen der vorderen Plätze. Bundesweit stehe Schleswig-Holstein am besten da. „Das ist auf das Engagement der Landesregierung zurückzuführen, die früh beschlossen hat, beim Breitbandausbau ausschließlich auf Glasfaser zu setzen.“

Dennoch könne die Politik aktiver sein. „Das Problem ist, dass dünn besiedelte Landstriche für Telekommunikationsunternehmen kaum attraktiv sind, weil große Entfernungen verkabelt werden müssen, aber das Kundenpotenzial gering ist“, sagt Krause. Um dem entgegenzuwirken, hätten Bund und Länder ein Förderprogramm erstellt. So darf der Breitbandausbau in Gebieten, in denen ein sogenanntes Marktversagen stattgefunden hat, staatlich gefördert werden. „Das ist der Fall, wenn es in einer Gemeinde keinen Anbieter gibt, der eine Internetverbindung mit einer Übertragungsrate von mindestens 30 Megabit pro Sekunde gewährleistet“, erklärt der BKZSH-Chef.

Viele Städte fallen in Sachen Förderung aus dem Raster

Genau hier sieht Krause das Problem: „In den Städten haben Privatunternehmen bislang ausgebaut, weil dort viele potenzielle Kunden leben, aus Kostengründen aber auf ein vollständiges Glasfasernetz verzichtet.“ Stattdessen wurden Glasfaserleitungen nur zwischen den Verteilerkästen verlegt, die Verbindung zu den Gebäuden bilden herkömmliche Kupferdrähte.

„Die damit möglichen Übertragungsraten liegen aber bei gerade mal 50 Mbit pro Sekunde. Liegen die Lichtwellenleiter bis ins Haus, sind 1000 Megabit möglich“, so der Experte. Da aber die 30 Mbit-Schwelle überschritten ist, fallen viele Städte bei der Förderung aus dem Raster. Ein Ausbau sei für Firmen zudem nur rentabel, wenn sich eine Mindestquote der Haushalte vertraglich an das neue Netz bindet. „In der Regel werden Quoten von 60 Prozent verlangt“, so Krause. Auf dem Land würden solche eher erreicht als in den Städten, wo viele die aktuelle Übertragungsleistung noch als ausreichend empfänden. Auf dem Dorf sei die Bereitschaft, für einen neuen Anschluss zu bezahlen, viel größer, da der Fortschritt im Vergleich zum vorhandenen Netz immens ist. „Folglich behebt das Gesetz den Stadt-Land-Gegensatz nicht, sondern kehrt ihn um“, beklagt Krause.

Ahrensburg schneidet besonders gut ab

Stefan Wulf (l.) ist zufrieden mit dem Internet-Tempo im Amt Nordstormarn.
Stefan Wulf (l.) ist zufrieden mit dem Internet-Tempo im Amt Nordstormarn. © Miriam Wollenweber | Miriam Wollenweber

Den unterschiedlichen Bedarf bemerkt auch Petra Grimm, zuständig für das Marketing bei VS Media. „Bei uns liegt die Anschlussquote in den Städten bei gerade einmal 30 bis 45 Prozent, während im ländlichen Raum mehr als 70 Prozent der Haushalte über Glasfaser verfügen, in einigen Gemeinden sogar 100 Prozent.“ In Ahrensburg sind laut Stadtwerke-Chef Horst Kienel bereits 70 Prozent der Fläche erschlossen, 2.200 Kunden nutzen das schnelle Netz von Schloss Media. Verglichen mit den anderen Städten im Kreis schneidet Ahrensburg besonders gut ab. Im benachbarten Großhansdorf hingegen kam der Ausbau schleppend voran. Bei einer ersten Befragung wollten lediglich 22 Prozent der Haushalte einen Vertrag mit den Stadtwerken Geesthacht schließen. Inzwischen ist Großhansdorf vollständig angeschlossen, bis 2021 soll der Ortsteil Schmalenbeck folgen.

Auch Reinfeld ist nur teilweise versorgt. Nachdem das Glasfasernetz im Gewerbegebiet Stubbendorf in Betrieb genommen wurde, scheiterte der Ausbau in dem dazwischenliegenden Wohngebiet an der Mindestanschlussquote. Um das Amt Nordstormarn dennoch an das Netz anzuschließen, traf Amtsdirektor Stefan Wulf eine „Einzelvereinbarung“ mit der VS Media. Seit etwa einem Monat ist die Verwaltung nun mit schnellem Internet versorgt, ein „sehr wertvoller Fortschritt“, sagt Wulf begeistert.

Neues Unternehmen nimmt sich dem Ausbau im Süden an

Jens Dogu initiierte, dass die Golfino AG 2012 Glasfaser erhielt.
Jens Dogu initiierte, dass die Golfino AG 2012 Glasfaser erhielt. © Filip Schwen | Filip Schwen

Stormarns Süden steht beim Glasfaserausbau weniger gut da. Von den südlichen Kommunen ist Reinbek als einzige bisher zumindest in Teilen mit den neuen Leitungen versorgt. Ausgebaut haben hier neben den Stadtwerken Geesthacht auch Privatanbieter wie die Firma willy.tel. In Barsbüttel sind die Vereinigten Stadtwerke dabei, Ortsteile an das neue Netz anzuschließen. Ganz ohne schnelles Internet müssen bisher Glinder und Oststeinbeker auskommen. Dort habe sich die Politik zu lange auf dem für damalige Verhältnisse guten Netz ausgeruht, urteilt Fachmann Krause.

„Wir mussten uns in Eigenregie um eine Glasfaserleitung bemühen“, sagt Jens Dogu, verantwortlich für die Digitalisierung beim Glinder Sportbekleidungshersteller Golfino. Seit 2012 verfügt das Unternehmen über einen Anschluss und war damit eines der ersten im Gewerbegebiet Reinbek/Glinde. Andere hätten den digitalen Fortschritt verpasst, sich nicht um einen Ausbau bemüht. „Damals wurde in der Straße die Mindestquote nicht erreicht, aber wir benötigen das schnelle Netz für unsere Server“, sagt Dogu. „Man hätte sich weitere Erdarbeiten gespart, hätte man alle Anrainer auf einmal angeschlossen.“ Nun werde die Verbindung manchmal durch baubedingte Beschädigungen an den Leitungen gestört.

Handlungsbedarf bestehe laut Experten in Glinde

© Filip Schwen | Filip Schwen

Handlungsbedarf sieht auch Glindes Bürgervorsteher Rolf Budde. „In der Kalahariwüste gibt es besseres Internet als bei uns“, meint er. Sowohl in seiner Wohnung im Ortsteil Wiesenfeld als auch in Buddes Büro im Rathaus komme es häufig zu Überlastungen der Internetverbindung. Auch Bürger in seiner Sprechstunde klagten über solche Probleme. Budde möchte den Glasfaserausbau im Hauptausschuss thematisieren, gibt aber zu bedenken: „Ein Projekt wie die Erschließung des gesamten Stadtgebietes kostet natürlich viel Geld.“

Für den künftigen Glasfaserausbau setzen Glinde, Reinbek und Oststeinbek auf das in diesem Frühjahr gegründete Gemeinschaftsunternehmen der Vereinigten Stadtwerke und des E-Werks Sachsenwald. Die Media Sachsenwald GmbH wird für das Errichten eines modernen Netzes in Südstormarn zuständig sein. Ein Starttermin für die neue Gesellschaft steht schon fest: Am 1. März soll das Unternehmen seine Arbeit aufnehmen. Wann und wo der Ausbau beginnen wird, ist noch unklar.