Ahrensburg. Während ein Bürger im Schnitt sechs Fluglärm-Proteste abgibt, kommen Großhansdorfer auf mehr als 1000. Auch Ahrensburger genervt.

Stormarner sind bei Beschwerden über den Hamburger Flughafen weiterhin extrem hartnäckig und fleißig. Während im Vorjahr in der Hansestadt jeder der namentlich erfassten Beschwerdeführer im Schnitt sechs Proteste bei der Umweltbehörde einreichte, waren es aus Stormarn teilweise weit mehr als 1000.

Aus welchen Orten kommen die Stormarner Beschwerden?

So zeichneten in Großhansdorf (rund 9400 Einwohner) nicht einmal eine Handvoll Bürger für 5100 Beschwerden verantwortlich. „Aus datenschutztechnischen Gründen werden weniger als fünf Beschwerdeführer nicht aufgeführt, um der Gefahr vorzubeugen, dass diese unter Umständen identifiziert werden können“, sagt Björn Marzahn, Sprecher der Umweltbehörde.

Auch in anderen Stormarner Orten leben besonders aufmerksame Protestler. In der 34.500-Einwohner-Stadt Ahrensburg brachten es 21 Bürger auf fast 9800 Beschwerden, in Bargteheide (rund 16.100 Einwohner) kamen von 20 Bürgern knapp 6400 Beschwerden. In Elmenhorst (2700 Einwohner) reichten 17 Absender mehr als 1500 Beschwerden ein, in Jersbek (1700 Einwohner) elf Absender rund 1340 Beschwerden. Hinzu kamen kreisweit fast 4100 anonyme Proteste (verpflichtend ist nur die Angabe eines Heimatortes), davon die meisten aus Bargteheide (2400) und Ahrensburg (1300).

Was steckt hinter dem starken Anstieg anonymer Eingaben?

Im Kreis Stormarn ist die Zahl der Beschwerden im Vorjahr unter dem Strich erneut gesunken: von 52.000 im Jahr 2016 über 41.000 auf jetzt 28.000. Dagegen hat sich die Gesamtzahl im Vorjahr deutlich von 107.000 auf 167.000 erhöht, was vor allem auf viele anonyme Eingaben aus Hamburg-Altona und -Eimsbüttel sowie Norderstedt zurückzuführen ist. Dabei wurden offenbar auch technische Möglichkeiten stark genutzt.

So registrierte die Umweltbehörde im August einen sprunghaften Anstieg auf rund 600 pro Tag. „In Minutenfrist gehen bis zu ein Dutzend Mails mit ähnlichem Muster ein, was die Vermutung nahelegt, dass diese Beschwerden von einem oder einigen wenigen abgestimmten Nutzern versandt werden“, sagt Björn Marzahn.

Vorm Abschicken des Online-Formulars muss eine Rechenaufgabe gelöst werden, die sicherstellen soll, dass es tatsächlich von einem Menschen und nicht von einer Maschine ausgefüllt wurde. Marzahn: „Inwiefern diese Sicherheitsabfrage mittlerweile automatisiert erfolgen kann, entzieht sich unserer Kenntnis.“ Es werde zurzeit geprüft, welche Maßnahmen man gegen den möglichen Missbrauch einleiten könne.

Für die Flughafen Hamburg GmbH sind die vielen regelmäßig und anonym versandten E-Mails ohne Begründung kontraproduktiv. „Aufgrund der hohen Anzahl und Regelmäßigkeit liegt der Verdacht nahe, dass es sich um automatisierte, computergenerierte Beschwerden handelt“, sagt Flughafensprecherin Janet Niemeyer. Es gehe darum, die Beschwerdezahlen künstlich hochzutreiben. „Dies sorgt für einen unverhältnismäßigen Ver­wal­tungs­auf­wand – Zeit, die fehlt, um ernst gemeinten, begründeten Beschwerden nachzugehen.“

Einen ähnlichen Fall habe es 2017 im Umland des Flughafens Frankfurt/Main gegeben: Rund 50 Personen gaben mehr als 5,76 Millionen standardisierte Fluglärmbeschwerden ab.

Was sind die häufigsten Beschwerdegründe?

Die Stormarner kreuzen am häufigsten den Beschwerdegrund „Flugzeuge im Einzelfall“ an, der in 72 Prozent der Eingaben auftaucht. Danach folgen „Häufigkeit der Flugbewegungen“ (48 Prozent) und „Störung der Nachtruhe“ (21 Prozent). Datumsangaben werden in 35 Prozent der Beschwerden eingetragen, Informationen zu Datum und Flugnummer/Kennzeichen zu 25 Prozent. Diese Werte liegen laut Behörde stark unter dem Durchschnitt: Insgesamt enthalten grob überschlagen vier von fünf Beschwerden Datumsangaben und 72 Prozent zudem auch Flugnummern.

Was passiert mit den Beschwerden?

Je detaillierter die Angaben zum einzelnen Fall, desto genauer können die Fluglärmschutzbeauftragte und ihre Mitarbeiter den Sachverhalt prüfen. Auf allgemein gehaltene Anliegen folgt nur eine automatisch erzeugte Eingangsbestätigung. „Bei konkreten Fragestellungen erhalten die Beschwerdeführer in der Regel eine Antwort“, sagt Behördensprecher Björn Marzahn.

Wie hat sich die Zahl der Flüge über Stormarn entwickelt?

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Flugbewegungen über Stormarn 2018 stark gesunken. Bei den Landungen aus Nordosten – der Einflugschneise über dem Kreis – gab es einen Rückgang von rund 47.100 auf knapp 32.400. Dagegen erhöhte sich die Zahl der Starts in die Richtung von 3000 auf 10.100. Grundsätzlich sollten Flugzeuge gegen den Wind starten und landen. 2017 herrschten starke Westwinde vor, 2018 wechselten sich Ost- und Westwinde ab.

Warum erreichte die Zahl der verspäteten Nachtflüge einen Höchststand?

Regulärer Flugbetrieb ist in Hamburg-Fuhlsbüttel täglich von 6 bis 23 Uhr. Im Vorjahr gab es 1174 verspätete Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und Mitternacht, das entspricht 0,7 Prozent der rund 156.600 Flüge. „Im ersten Halbjahr führten viele Streiks, ungünstige Wetterbedingungen und die Überfüllung des europäischen Luftraums zu einem Anstieg der Verspätungen“, sagt Flughafensprecherin Janet Niemeyer. Die Anstrengungen von Fluggesellschaften, Behörden und dem Airport hätten sich im zweiten Halbjahr bereits ausgezahlt. Im Vergleich zu 2017 gingen die Verspätungen um fast zehn Prozent zurück, im letzten Quartal sogar um knapp 18 Prozent. In mehr als 70 Gesprächen mit Fluggesellschaften sei zudem erreicht worden, dass im Winterflugplan 2018/19 rund 16 Prozent weniger Flüge zwischen 22 und 23 Uhr geplant sind als in der vorherigen Saison.

Was sagt der Stormarner in der Fluglärmschutzkommission?

Der Ahrensburger Bürgermeister Michael Sarach vertritt den Kreis Stormarn in der Fluglärmschutzkommission. „Am wichtigsten ist, die Zahl der verspäteten Nachtflüge nach 23 Uhr deutlich zu reduzieren“, sagt er. Um das Problem zu lösen, hatte die Hamburger Bürgerschaft im September einen 21-Punkte-Plan beschlossen, der unter anderem erhöhte Gebühren vorsieht.