Lübeck/Stormarn. Die Polizei nahm im Juli die Haupttäter fest. Ermittlungen zeigen nun: Das Ausmaß ist deutlich größer, als zunächst angenommen.
Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat Anklage gegen zwei Männer aus Polen erhoben, die zwischen September 2017 und Juli dieses Jahres mindestens 35 Autos gestohlen haben sollen. In sechs weiteren Fällen scheiterten die 32 und 37 Jahre alten Männer, es blieb beim Versuch. Die Behörde schätzt den Schaden auf mehr als 840.000 Euro.
Wie berichtet, kam es seit September 2017 im Hamburger Randgebiet sowie den angrenzenden Kreisen zu zahlreichen Autodiebstählen. Auffällig oft wurden Autos der Marken Mazda und Ford, vereinzelt auch mal ein Mercedes gestohlen. In Schleswig-Holstein gingen die Autodiebe in Glinde, Barsbüttel, Oststeinbek, Bargteheide, Geesthacht, Bramstedt, Halstenbek und Norderstedt auf Beutezug.
Polizei nimmt Duo Im Juli fest
Ende 2017 gründete die Polizei eine Ermittlungsgruppe, die aus vier Beamten bestand. Bereits im Mai 2018 kamen die Polizisten den beiden Verdächtigen auf die Spur und observierten sie. Am 17. Juli nahmen Spezialkräfte beide sowie einen bereits angeworbenen Kurierfahrer in Hamburg fest. Die beiden Haupttäter befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Damals ging die Polizei noch von acht Taten aus.
Doch weitere Ermittlungen und die anschließende Durchsuchung brachte die Festgenommenen mit weiteren Taten in Verbindung. In ihrer Hamburger Unterkunft stellten die Beamten eine Vielzahl von Fahrzeugschlüsseln, vorbereiteten Kennzeichen-Dubletten sowie weitere Beweismittel sicher.
Diebe benutzten Kennzeichen-Dubletten
Die Ermittler gehen davon aus, dass die Täter diverses Spezialwerkzeug verwendeten. Bei Autos der Marke Mercedes, die mit einem Keyless-Go-System ausgestattet waren, benutzten die Diebe einen sogenannten Funkwellenverlängerer zum Öffnen und Starten. „Die kommen durchaus häufig zum Einsatz“, sagte die Lübecker Oberstaatsanwältin Ulla Hingst kurz nach der Festnahmen zu Abendblatt. „In den vorliegenden Fällen war aber auffallend, dass die Tatverdächtigen über Kenntnisse diverser Diebstahlsmethoden verfügten und diese angewandt haben, zum Beispiel auch den Komplettaustausch von Steuergeräten.“
Die anderen gestohlenen Fahrzeuge wurden hingegen gewaltsam geöffnet. Anschließend konnten die Täter mit speziellem Werkzeug Schlüsselrohlinge technisch „anlernen“, um die Autos zu starten. Die Ermittlungen ergaben, dass die Täter in einigen Fällen die Autos in einiger Entfernung von den Tatorten, meist in Wohngebieten, abstellten. Dort schraubten sie dann Kennzeichen-Dubletten an die gestohlenen Fahrzeuge. Bei den Dubletten handelt es sich um Kennzeichen, die zu den gestohlenen Automodellen passen und zuvor ausgespäht wurden. Ein Diebstahl ist somit bei einer einfachen Überprüfung zunächst nicht zu erkennen.
Autos wurden in Polen verkauft
Die Autos mit den gefälschten Kennzeichen wurden laut Staatsanwaltschaft von Kurierfahrern abgeholt. Sie brachten die Fahrzeuge anschließend nach Polen. Dort wurden sie dann verkauft. Im Laufe der Ermittlungen konnten – auch unter Beteiligung der Polizei in Brandenburg – Fahrzeuge, die zur Abholung abgestellt waren oder sich bereits auf dem Weg nach Polen befanden, sichergestellt und an die Eigentümer zurückgegeben werden.
Die Staatsanwaltschaft legt dem jüngeren der beiden Angeschuldigten 35 vollendete und sechs versuchte Diebstähle hochwertiger Kraftfahrzeuge zur Last. Dem älteren Angeschuldigten wird eine Mittäterschaft in 19 der vollendeten und sechs der versuchten Diebstähle vorgeworfen. Die Ermittler gehen davon aus, dass er ab Ende Mai mit dem 32-Jährigen zusammengearbeitet hat.
Wann das Hauptverfahren vor dem Lübecker Landgericht eröffnet wird, steht noch nicht fest.