Elmenhorst/Hoisdorf. Das Durchschnittsalter der Stormarner Hausärzte ist hoch. Viele Standorte geraten für kassenärztliche Zulassungen in Gefahr.

Für die Einwohner von Elmenhorst gibt es schlechte Nachrichten: Landarzt Dr. Hans-Jochen Petersen geht in den Ruhestand – und zwar schon im nächsten Jahr. Einen Nachfolger gibt es nicht. Das ist ein Trend, der auch in anderen Kommunen deutlich spürbar werden wird. Denn bereits heute liegt das Durchschnittsalter der Hausärzte in Stormarn bei 54,7 Jahren. Von 163 Hausärzten sind 28 mehr als 60 Jahre alt, 23 Ärzte haben das reguläre Renteneintrittsalter von 65 Jahren teils deutlich überschritten. Doch es ist schwierig, Nachfolger gerade für ländliche Gebiete zu finden. Mit fatalen Folgen.

„Die Gemeinde muss jetzt reagieren“, mahnt Dr. Hans-Jochen Petersen. „Sollte die Praxis geschlossen werden, geht die kassenärztliche Zulassung für diesen Standort unwiderruflich verloren.“ Im April 1986, also vor mehr als 32 Jahren, eröffnete Petersen seine Praxis in Elmenhorst. Er war zuvor Leiter des Gesundheitsamtes in Bad Oldesloe gewesen– als jüngster leitender Kreis-Medizinaldirektor des Landes. „Meine Ausbildung habe ich auf der ,Gorch Fock’ gemacht und war Berufsoffizier auf dem Kriegsschiff ,Zerstörer’, so Petersen, dessen Praxiswände noch immer von Segelschiffen aller Art geziert werden.

Diagnosen per WhatsApp sind für Landarzt Petersen tabu

Warum er sich dennoch für eine Praxis in der 2764-Seelen-Gemeinde entschieden hat? „Es hat alles gestimmt“, sagt der Landarzt. „Ich wurde hier sofort nett aufgenommen.“ Tausende Patienten aus Elmenhorst und Umgebung haben seither die Praxis durchlaufen. Die Menschen kennen und schätzen ihren Arzt, der auch einmal eine klare Ansage machen kann. „Ich habe mir meine Patienten erzogen und ihnen schnell klargemacht, dass sie nicht nach Belieben kommen und gehen können“, sagt Petersen. „Mein Wochenende ist mir lieb. Und Diagnose per WhatsApp stelle ich nicht.“ Heutzutage kämen einige Patienten mit einer fertigen Diagnose aus dem Internet und wollten lediglich die Medikamente verschrieben bekommen. „Das geht bei mir gar nicht“, sagt der Mediziner. „Wem meine Art nicht gefällt, der kann sich gern nach einem anderen Arzt umsehen.“

Möglicherweise müssen seine Patienten im kommenden Jahr nun nicht nur den Arzt, sondern auch die Praxis wechseln. Denn bisher gibt es keinen Nachfolger. Und wenn dieser nicht schnell gefunden wird, schließt die Praxis endgültig. Dies liegt daran, dass der Versorgungsgrad im Kreis Stormarn durchaus gut ist. 163 Hausärzte und 173 Fachärzte gibt es im Kreisgebiet (Stand April 2018). Ein Hausarzt kommt auf 1638 Einwohner, was einen Versorgungsgrad von mehr als 110 Prozent entspricht. „Solange diese Quote auf dem Papier erfüllt ist, können keine neuen Stellen geschaffen werden, auch wenn es regionale Unterschiede gibt“, sagt Delf Kröger von der Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. „Zuletzt lagen die Nervenärzte bei 106 Prozent. Diese halbe Stelle wurde ausgeschrieben und mittlerweile wieder nachbesetzt.“

Junge Ärzte schreckt vermeintliches Arbeitspensum ab

Dr. Adelheid von Rothkirch sagt:
Dr. Adelheid von Rothkirch sagt: "Es gibt keinen schöneren Beruf, als den des Landarztes." © Melissa Jahn | Melissa Jahn

Auch Dr. Adelheid von Rothkirch kennt das Problem der Nachfolgersuche. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin führt ihre Praxis seit 1989 in Hoisdorf. „Noch plane ich nicht aufzuhören“, sagt die Ärztin, die ihr Alter nicht verraten möchte, damit sich die Patienten den Zeitpunkt für einen möglichen Abschied nicht ausrechnen können. Die Landärztin sieht ihren Job mehr als Berufung, wollte seit früher Kindheit Medizin studieren. „Hier auf dem Land kann ich alles perfekt vereinen“, sagt von Rothkirch. „Meinen Job, meine Familie und mein größtes Hobby, das Reiten.“ Die geringe räumliche Distanz ermöglichte es der damals jungen Mutter, ihre Arbeit früh wieder aufzunehmen. Gestillt wurde in den Pausen gleich nebenan. „Viele junge Ärzte schreckt das Arbeitspensum ab, welches sie bei einem Landarzt befürchten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Statt im Krankenhaus verheizt zu werden, kann ich mir meine Arbeit hier super einteilen. Auch, wenn meine Woche 60 bis 70 Arbeitsstunden hat.“ Natürlich gebe es Notfall-Situationen, in denen Patienten vorgehen und der wohlverdiente Feierabend warten muss. „Aber das ist Einstellungssache“, sagt die Ärztin zum Abendblatt. „Ich nehme mir die Zeit, die meine Patienten wirklich brauchen.“

Obwohl Studenten regelmäßig das Arbeitsleben in der als akademische Lehrpraxis eingetragenen Dienststelle in Hoisdorf kennenlernen würden, habe bislang niemand Interesse an einer Praxisübernahme gezeigt. Auch nicht der eigene Sohn, der zurzeit eine Laufbahn in der Forschung anstrebt. „Es ist traurig, dass wir keinen Nachwuchs bekommen“, sagt Dr. Adelheid von Rothkirch. „Denn Landarzt zu sein, ist wirklich der schönste Beruf, den es gibt. Ich bin eine Familienärztin – von der Oma bis zu ihren Enkeln.“

Landarzt hofft auf Gespräch mit dem Bürgermeister

Genug gearbeitet hat Dr. Hans-Jochen Petersen. Weil seine Bandscheiben Probleme machen, nutzt der 74-jährige Landarzt seit einiger Zeit auch bei der Arbeit einen Rollator. Erst in diesem Jahr wurden die Prothesen des Herzkranzgefäßes, die so genannten Stents, erneuert. „Langsam reicht es“, sagt der Landarzt. „Im nächsten Jahr ist definitiv Schluss.“

Er plant nicht nur seinen Abschied, sondern auch die Zeit danach. Möchte sich um seine Enkelkinder kümmern und nach St. Peter Ording fahren – am liebsten mit seiner knallroten Ente, die die Patienten von ungezählten Hausbesuchen kennen. Und wie soll es mit der Praxis weitergehen? „Ich warte darauf, dass sich der neue Bürgermeister bei mir meldet. Wir müssen dringend über den Praxissitz reden.“