Bargteheide. Pächter gibt auf. Kleines Theater will weiter Filme zeigen. Hamburger Kino-Betreiber spüren Rückenwind für ihre Ahrensburger Pläne.
Einige bedauern es, andere sind erstaunt. Wieder andere fühlen sich bestätigt, weil die Besucherzahlen zuletzt weiter sanken: Das ist die Bandbreite der Reaktionen auf das Aus des Cinema Paradiso im Kleinen Theater Bargteheide. Kinobetreiber Hans-Peter Jansen hatte am Dienstagabend verkündet, Ende des Jahres aufzuhören.
Stormarns Kulturreferentin Tanja Lütje hat sofort mit Jansen telefoniert, dabei auch ihre Moderation bei eventuellen Nachverhandlungen angeboten. „Das ist dramatisch, wenn diese Sparte wegfällt“, sagt sie. Der Saal im Kleinen Theater mit seinen roten Plüsch-Klappsesseln sei „ein bezaubernder Kino-Ort“. Zudem sei das Programm sehr anspruchsvoll und abwechslungsreich. Auf Landes- und sogar Bundesebene wurde das Cinema Paradiso regelmäßig ausgezeichnet. „Ich drücke die Daumen, dass es vielleicht doch noch irgendeinen Weg gibt“, sagt Lütje.
Das sieht die Stadtverwaltung ähnlich. „Es ist natürlich der Wunsch, weiter Filme im Theater zu zeigen“, sagt Rathaus-Sprecher Alexander Wagner. Anfang November beraten die Kommunalpolitiker in der Arbeitsgruppe (AG) Kultur des Haupt- und Sozialausschusses über das Thema. „Vielleicht melden sich nach den Berichten auch neue Interessenten“, so Wagner. Zeitdruck bestehe nicht: Das Kino könne auch nach einer Pause wieder öffnen.
Mit 344 Plätzen ist der Saal sehr groß für ein Kino
Für die Stadt geht es als Eigentümer der Immobilie zunächst darum, den Vertrag ordnungsgemäß abzuwickeln. „Das reicht vom Inventar bis zu den Betriebskosten“, sagt Wagner. Beispielsweise seien über die Jahrzehnte Investitionen sowohl von der Stadt als auch vom Förderverein und vom Pächter getätigt worden. Für Olaf Nehls, den Vorsitzenden des Vereins „Kleines Theater Bargteheide“, der das Haus als Treuhänder der Stadt führt, kommt Jansens Rückzug überraschend. „Vor Kurzem saßen wir noch zusammen, da sah es eher nach einer weiteren Zusammenarbeit aus“, sagt er zum Abendblatt.
Nehls widerspricht dem Vorwurf, der Theaterbetrieb nehme dem Kino die Luft weg. Tatsächlich habe der Verein zuletzt etwas mehr Tage blockiert als vereinbart, dafür aber auch eine finanzielle Entschädigung angeboten. „Und von den lukrativen Tagen Freitag und Sonnabend haben wir sogar weniger belegt als erlaubt“, so Nehls.
Trägerverein will das Kino erhalten
Der Trägerverein will das Kino ebenfalls erhalten und an der Suche nach einem Nachfolger mitarbeiten. „Ein Problem ist dabei der Saal, der mit 344 Plätzen deutlich größer ist als andere Programmkinos“, sagt Nehls. Er ist aber hoffnungsvoll, dass der Bargteheider Kinovorhang in einigen Wochen nicht für immer fällt.
Bargteheider Bürger stimmt das Ende ihres Cinema Paradiso durchweg traurig. „Ich bin zwar kein großer Kinogänger, aber mir gefällt die Atmosphäre gut, weil es ein so schönes altes Kino ist“, sagt Elvira Baumann. Auch die Filmauswahl sei interessant. Manuel Buys ergänzt: „Außerdem ist es günstiger, als in Hamburg ins Kino zu gehen.“
Heinke Nimz fände es traurig, wenn Bargteheide sein Kino verlieren würde: „Es hat immer ein tolles Programm mit anspruchsvollen Filmen.“ Hildegard Meyer war Stammgast beim „Besonderen Film“, der einmal monatlich zu sehen ist. „Diese Nachmittage werden mir fehlen“, sagt sie. Dorothea Essling bedauert das Aus ebenfalls. „Gerade die Einheit aus Theater, Kino und Restaurant gefällt mir gut“, sagt sie.
Ahrensburger Investor will mit neuem Entwurf punkten
Hat die Entwicklung in Bargteheide Auswirkungen auf den Bau eines Kinos in Ahrensburg? Der Hamburger Betreiber Mathias Kemme von K-Motion sagt: „Wir stehen weiter Gewehr bei Fuß in Ahrensburg.“ Das Aus des Cinema Paradiso sei bedauerlich, „weil Hans-Peter Jansen gutes Kino macht“. Der Supersommer habe bundesweit das Geschäft verhagelt und zu Einbußen von rund 20 Prozent geführt. Hinzu komme die schwierige Konstellation in Bargteheide mit unterschiedlichen Interessen von Kino, Gastronomie und Trägerverein.
„Aber das Aus bedeutet natürlich weiteren Auftrieb für unsere Prognosen für die Besucherzahlen in Ahrensburg.“ Dort wird mit mindestens 150.000 Kinofans pro Jahr gerechnet. Das Einzugsgebiet umfasse Bargteheide, Delingsdorf, Großhansdorf, Ammersbek und zusätzlich die Hamburger Stadtteile Volksdorf, Sasel, Duvenstedt sowie Meiendorf und Rahlstedt.
Das Center, das die Melchers-Gruppe aus Bremen bauen will, soll fünf Säle mit rund 770 Plätzen haben. Befragt zu den Realisierungschancen sagt Geschäftsführer Mike Müller: „Die neuen politischen Verhältnisse in Ahrensburg machen die Umsetzung des Projekts schwieriger, weil es an die Bebauung der Alten Reitbahn gekoppelt ist.“ Forderungen der Parteien nach mehr gefördertem Wohnraum und der Erhaltung eines Grünzuges führten dazu, dass der Investor 30 Prozent weniger Baufläche habe. Überdies fordere die Stadt nun zehn Prozent mehr Geld für das Grundstück. Und weil Melchers in zusätzliche Flächen an der Adolfstraße „einen siebenstelligen Betrag investieren musste“, werde das Vorhaben „wirtschaftlich immer weniger interessant“.
Neues Kino in Ahrensburg ebenfalls auf der Kippe
Dennoch will der Investor in zwei bis drei Wochen überarbeitete Pläne vorlegen, „mit denen wir SPD, CDU und Grüne mitnehmen werden“, ist sich Müller sicher. Wenn sich die „politischen Widrigkeiten dann aber weiter zuspitzen und an der Optik gemeckert wird, stampfen wir das Gesamtprojekt Alte Reitbahn und Kino ein“.
Das vorerst letzte Kino im Kreis Stormarn könnte bald das OHO-Center in Bad Oldesloe sein. Das war nach einer knapp zweijährigen Insolvenzpause im Juni 2017 wiedereröffnet worden. Das Mini & Maxi in Ahrensburg hatte bereits im Mai 2006 dichtgemacht.
Der letzte große Tag fürs Cinema Paradiso dürfte der 28. Oktober sein. An dem Sonntag präsentiert Regisseur Detlev Buck, der aus Nienwohld stammt und in Bargteheide Abitur gemacht hat, seinen neuen Film „Wuff“. Damit schließt sich ein Kreis: 1991 hatte Bucks erster großer Erfolg „Karniggels“ Premiere im Kleinen Theater ...
Gasthof, Linden-Lichtspiele, Cinema Paradiso: 90 Jahre Filmgeschichte
Ab 1927/28 zeigt der Bargteheider Gasthof „Unter den Linden“ Filme im großen Saal, der 1954 zum Kino umgebaut wird. Am 1. September öffnen die Linden-Lichtspiele.
1967 gründet sich der Kulturring Bargteheide. Er organisiert bis zur Auflösung im Jahr 2017 Auftritte von Tourneetheatern und andere Gastspiele.
1980 wird das Haus erweitert und in Kleines Theater umbenannt.
1991 übernimmt Kirsten Martensen Kino, Theater und Gastronomie. Die Theaterschule für Kinder und Jugendliche leitete sie bereits seit Mitte der 1980er. 1989 gründete Martensen auch das Oldie-Kabarett.
2005 steigt der Hamburger Hans-Peter Jansen in den Kinobetrieb ein und ändert den Namen in Cinema Paradiso. Zeitgleich gestaltet Gastronom Baki Abazi das Restaurant als Papillon neu.
2013 stirbt Kirsten Martensen im Oktober im Alter von 72 Jahren. Die KM Kulturmanagement gGmbH besteht drei Jahre weiter. Im Juni 2016 übernimmt der Verein Kleines Theater Bargteheide die Organisation. Er trägt die Verantwortung für das Gebäude, das die Stadt für eine Viertelmillion Euro renoviert, und koordiniert Termine.