Wenn der Badetourismus zur Plage wird. Die Anwohner am Großensee fühlen sich im Stich gelassen – auch von der Politik.

Zigarettenkippen, Kronkorken, Grillkohlereste im schwarz gefärbten Sand – so präsentiert sich der Großenseer Nordstrand dieser Tage. Glasscherben liegen im Wasser, Pferdeäpfel auf dem Strandweg. Immer wieder ist Hundekot im Sand zu entdecken. Seit zwei Jahren gibt es im Sommer große Aufregung um unhaltbare Zustände am Naturstrand. Bis heute hat sich die Situation kaum verbessert. Eigentlich dürfen Hunde nur angeleint an den Strand, nicht ins Wasser. Pferde sind am Ufer nicht gestattet. Wer dort Feuer macht, muss mit Ordnungsgeld rechnen. Holzpfähle verhindern am ehemaligen Parkplatz an der Großenseer Straße, dass auswärtige Gäste dort ihre Autos abstellen können.

„Seit der Parkplatzsperrung gibt es sogar mehr Müll und Betrunkene am Strandweg“, sagt ein Anwohner, der namentlich nicht genannt werden möchte. Viele Autofahrer parkten den Strandweg und Privatwege zu, missachteten das Halteverbot. In der Umgebung liege oft Abfall in der Natur. Daher sammeln die Anwohner mittlerweile selbst jeden Tag. „Der Rekord liegt bei Flaschen mit einem Pfandwert von 40 Euro und 13 Einweg-Grills an einem Tag. Das Müllproblem hat sich nur verlagert“, sagt der Lütjenseer zum Abendblatt.

Regelmäßige Beschwerden von Badegästen

Auch Lütjensees Bürgermeisterin Ulrike Stentzler (CDU) ist unglücklich mit der Lage. Sie appelliert an alle Nordstrand-Besucher, die Regeln zu beachten. „Die Situation ist ein wenig besser geworden“, sagt sie. Aber regelmäßige Beschwerden von Badegästen zeigten ihr, „dass wir mehr tun müssen“.

Yvonne Bartels (l.) mit ihrem Sohn Elias, Özlem Wächler, Vanessa Wanntke, Christine Gnegel mit Tochter Sophie (vorn)
Yvonne Bartels (l.) mit ihrem Sohn Elias, Özlem Wächler, Vanessa Wanntke, Christine Gnegel mit Tochter Sophie (vorn) © HA | Johanna Helbing

Der einstige Geheimtipp Nordstrand ist mittlerweile weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannt – und besonders bei Hamburgern ein beliebtes Ausflugsziel. Im Unterschied zum Südstrand-Freibad (drei Euro Eintritt) ist der Zugang kostenlos. Ulrike Stentzler will den Gästeandrang stoppen. „Der Nordstrand soll aus allen Broschüren und Internetseiten entfernt werden“, sagt sie. Das Flora- und Fauna-Habitat sei nur für eine sanfte Nutzung ausgelegt. „Problematisch sind besonders die Auswärtigen. Die haben im Vergleich zu Anwohnern kein Interesse daran, die Gegend sauber zu hinterlassen“, sagt die 55-Jährige.

Eskaliert war der Ärger über die Zustände am Nordstrand vor zwei Jahren. Es gab immer wieder Beschwerden über Pferde und Hunde am Strand sowie im Wasser. Unerlaubtes Grillen, glühende Kohlereste im Sand, Plastiktüten im Wasser, Hundekot, volle Windeln, Glassplitter und Fleischreste. Am Vatertag 2004 gab es nach einem sogenannten Bierkistenrennen von Jugendlichen sogar Überlegungen im zuständigen Forstamt Hamburg Süd, einen Großteil des Strandes dauerhaft mit Zäunen für die Öffentlichkeit zu sperren.

Im August 2016 wurde ein großes Verbotsschild in der Mitte des Strandes aufgestellt. Dieses zeigte nur kurzzeitig Wirkung: Nur noch wenige Gäste brachten Hunde mit oder grillten am Strand. „Das Schild wurde allerdings regelmäßig beschmiert und mittlerweile zum dritten Mal gestohlen“, sagt Bürgermeisterin Stentzler. Der Ersatz koste jedes Mal 110 Euro.

Keine verstärkte Kontrollen am Nordstrand

Im April 2017 reagierten die Gemeinden Großensee und Lütjensee und sperrten den Parkplatz an der Großenseer Straße. Bereits davor entbrannte eine sehr emotional geführte Diskussion über Hunde und Pferde am See zwischen Tierliebhabern, anderen Badegästen und Behörden.

Die Trittauer Hundetrainerin Ladena Mau erläutert, dass Hunde mitunter auch in den See urinieren. „Kaltes Wasser animiert“, sagt sie. Die Polizei kündigte 2017 verstärkte Kontrollen am Nordstrand und in der Umgebung an. Offensichtlich folgten den Versprechungen allerdings kaum Taten: Zahlen über Verstöße liegen aber nicht vor. Wolfgang Charles, Abteilungsleiter für Öffentliches Grün und Forsten im Bezirksamt Hamburg-Bergedorf, kennt die Probleme am Nordstrand. Zum rücksichtslosen Verhalten der Strandbesucher sagt er: „Es ist ein Unding. Die Leute erwarten, den Müll liegen lassen zu können.“

Der 50-Jährige fordert stärkere Kontrollen: „Würde die Polizei konsequent sein, wären die Schädigungen der Natur und das Müllproblem geringer.“ Es sei eine Ordnungswidrigkeit, Pflanzen zu zerstören und Müll in der Natur zu hinterlassen, die mit einem zweistelligen Bußgeld zu ahnden sei.

Anwohner: Lage hat sich verschlechtert

Unter Besuchern gehen die Meinungen über die Sauberkeit am Strand auseinander. Vanessa Matthaei ist mit ihrem Mann und den Zwillingen aus Hamburg-Farmsen ins Naturidyll nach Lütjensee gefahren. „In Wassernähe gibt es immer noch Müll. Die Babys lasse ich dort nicht krabbeln“, sagt die 37-Jährige. Eine andere Hamburgerin ist mit ihren Nachbarn und der Französischen Bulldogge Elsa im Wasser: „Ich komme gern hierher, weil meine Hündin mit anderen spielen kann.“ Der Strand sei in Ordnung, viele Hundehalter beseitigten den Kot. „Wer sich an den Tieren stört, kann den Südstrand nutzen“, meint die 58-Jährige.

Eine Familie aus Hamburg-Rahlstedt ist mit Hund und zwei Kindern am Strand. „Wir kommen hierher, weil wir dachten, dass Hunde hier sein dürfen.“ Stünde ein Verbotsschild am Strand, „würden wir es auch beachten“, sagt die Mutter. Und über das Müllproblem äußert sie: „Ich habe sogar Glassplitter aus dem See geholt, damit die Kinder nicht hineintreten.“ In Bezug auf den Müll seien die Badetouristen heute mehr sensibilisiert, sagt Ulrike Stentzler. Aufgrund der Parkplatz-Sperrung sei die Zahl der Besucher gesunken.

Doch aus Sicht einiger Anwohner hat sich die Lage am Nordstrand für sie eher verschlechtert. Eine Frau beklagt, dass sich niemand mehr für die Sauberkeit in der Gegend zuständig fühle. Am Strandweg fehlten Mülleimer, das sei ein großes Problem. „Ich finde regelmäßig Abfall auf meinem Grundstück“, so die Lütjenseerin. Für die Bürgermeisterin ist das hinzunehmen: „Wer an einer öffentlichen Straße in Strandnähe wohnt, muss damit rechnen.“