Ahrensburg. Im Abendblatt-Interview nimmt Ahrensburgs Bürgervorsteher Ronald Wilde Stellung zu seinem schlechten Wahlergebnis und blickt voraus.

Der Ahrensburger Bürgervorsteher Roland Wilde ist ein fröhlicher Mann. Bei Terminen hat der Christdemokrat stets ein freundliches Wort auf den Lippen, garniert seine Reden gern mit Lebensweisheiten aus seinem umfangreichen Zitateschatz. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert engagiert er sich in der Kommunalpolitik. Da muss schon einiges zusammenkommen, damit es dem gebürtigen Hamburger, der seit 1962 in Ahrensburg lebt, die gute Laune verhagelt. So wie Mitte Juni beim Start in die neue, fünfjährige Wahlperiode der Stadtverordnetenversammlung.

Roland Wilde hätte sich eigentlich freuen können, denn seine Kollegen hatten ihn gerade erneut zum Bürgervorsteher und obersten Repräsentanten der Stadt gewählt. Doch der 68-Jährige blickte so fassungslos ins Leere wie die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach dem frühen Aus bei der Weltmeisterschaft. Denn Wilde hatte in der auf SPD-Antrag geheimen Wahl – schon das ein Novum in der Ahrensburger Historie – nur 24 von 40 Stimmen bekommen. Gleich zwölf Mitglieder des Gremiums votierten mit Nein, vier weitere enthielten sich. 2012 und 2013 war die Entscheidung für Wilde noch einstimmig gefallen.

Was bedeutet dieser einmalige Vorgang für das Miteinander in der Kommunalpolitik? Im Abendblatt-Interview erläutert Roland Wilde, warum er keinen Groll hegt und trotz des unerwarteten Ergebnisses optimistisch in die Zukunft blickt.

Viele Stadtverordnete wollten bei Ihrer Wiederwahl zum Bürgervorsteher offensichtlich ein Ausrufezeichen setzen. Müssen wir uns auf konfliktreiche fünf Jahre in der Versammlung einstellen?

Roland Wilde: Nein, nicht unbedingt. Und Nein, nicht solange ich Verantwortung trage. Denn wir arbeiten alle für unser Ahrensburg. Unsere Stadtverordnetenversammlung (STVV) ist bekanntlich keine Regierung mit Regierungsparteien. Und demzufolge haben wir in Ahrensburg auch keine Oppositionsparteien. So hat es kürzlich einmal der Kreistagspräsident formuliert, und ich bin da mit ihm auf einer Linie. Ich halte nichts von Blockbildungen, auch wenn dieses Ergebnis meiner Wiederwahl möglicherweise eine andere Lesart zulassen könnte. Konflikte wird es immer geben, aber auch nicht mehr als bisher, und unsere Streitkultur kann und wird das vernünftig zum Wohl unserer Stadt regeln.

Ist in der Zwischenzeit schon jemand auf Sie zugekommen und hat die Gründe für seine Neinstimme erläutert?

Nein, das wäre auch eine Geste der Offenheit, auf die ich nicht warte. Ich muss nach vorn schauen. Persönliche Betroffenheit darf ich mir nicht leisten.

In das Amt als Bürgervorsteher investieren Sie bis zu 30 Stunden wöchentlich. Werden Sie etwas verändern?

Dieses wöchentliche Zeitkontingent ist grob geschätzt, denn ich führe kein Buch darüber. Aber durch die Komplexität der Themen und durch die Vielfalt der zu berücksichtigen Standpunkte werden es eher mehr als weniger Stunden pro Woche werden. Insofern „Ja“ zu Ihrer Frage, ich werde eher mehr Zeit investieren müssen. Auch meine wöchentliche Sprechstunde werde ich vorerst nicht ändern.

Zur Sacharbeit: Was werden aus Ihrer Sicht die wichtigen Themen in den nächsten fünf Jahren sein?

Der Neu- beziehungsweise Um- und Ausbau unserer Schulen und deren Modernisierung werden uns beschäftigen. Dazu die Horte, Kitas und die Offene Ganztagsschule, damit Familie mit Karriere vereinbar bleiben kann, damit alleinerziehende Mütter und Väter Planungssicherheit haben. Beim Thema Verkehr geht es um die Infrastruktur, den Zustand der Straßen und Radwege, um die Straßenausbaubeiträge, die wir abschaffen wollen, und natürlich um unseren Dauerbrenner S 4. Auch zur Frage der Infrastruktur gehört das Thema Bauen, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Wir werden uns weiter mit dem Flächennutzungsplan, seiner Laufzeit und seinen Auswirkungen beschäftigen und dabei die Belange der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen. Die Frage, wie es mit dem Stormarnplatz und seiner Nutzung weitergeht, steht ebenso auf der Agenda wie der Neubau des Badlantic. Wichtig ist auch das Thema Stadtmarketing sowie Parkplätze in der Innenstadt, die mögliche Einführung einer Brötchentaste an den Parkscheinautomaten und die Sicherheit für den Einzelhandel. Gewerbe und Industrie sollen weiterentwickelt sowie deren Ansiedlung gefördert werden. Auch werden wir uns mit der Förderung der Vereine und Verbände in unserer Stadt sowie der Städtepartnerschaften kümmern. Die Beiräte sollen bei ihren wichtigen Aufgaben wie zum Beispiel das Jugendhotel, Barrierefreiheit und Mobilität unterstützt werden. Das sind nur einige wenige Projekte und Sie sehen: Es bleibt auch in den kommenden Jahren viel zu tun.

Und was steht davon auf der Prioritätenliste ganz oben?

Das sind die Horte , Kitas und die Offene Ganztagsschule. Denn diese komplexen Themen dürfen nicht zu Lasten der Mütter und Väter, der Familien und schon gar nicht zu Lasten der Kinder gehen. Denn die Kinder sind unsere Zukunft. Eine Lösung muss her – eine, die nicht nur parteiübergreifend, sondern auch über Jahre hinaus tragfähig bleibt. Wenn es sein muss auch als freiwillige Eigenleistung.

Lässt sich denn in der Stadtverordnetenversammlung, die mit 40 Sitzen so groß wie nie ist, noch effizient arbeiten? Auch die Ausschüsse haben jetzt 13 statt neun Mitglieder.

Die Stadtverordnetenversammlung wird mit 40 Sitzen in der Tat sehr groß, und es wird eine große Herausforderung, diese nicht nur effektiv, sondern auch erfolgreich zu leiten. Das wird auch funktionieren, wenn alle so diszipliniert wie bisher arbeiten. Und wenn es gelingt, schon mal Gesagtes nicht nur nicht zu wiederholen, sondern auch beispielsweise am Ende der Debatte nicht erneut zu hinterfragen. Ich freue mich auf diese Aufgabe. Einen Ausschuss mit 13 Mitgliedern zu führen, ist schwer und anstrengend, aber nicht unmöglich. Vorausgesetzt, alle ziehen auch dann mit, wenn es mal thematische Engpässe gibt oder wenn es mal, zum Beispiel, Platz- oder Raumprobleme geben sollte.

In den vergangenen Jahren gab es auch regelmäßig Misstöne zwischen Politik und Verwaltung. In welche Richtung entwickelt sich das Verhältnis?

Ich habe das schon ausgeführt. Wir arbeiten alle – jeder auf seiner Seite des Spektrums – für unser Ahrensburg, und das ist ein gewichtiges Band. Ja, es gab in der Vergangenheit immer wieder, auch manchmal regelmäßig, Misstöne und Unstimmigkeiten. Aber wenn wir uns alle an den gestellten Aufgaben messen lassen und uns wieder an die getroffenen Absprachen und abgestimmten Vorgehensweisen halten, dann werden Politik und Verwaltung auch künftig erfolgreich zusammenarbeiten können. Richtung und Ziel sind vorgegeben: unser gemeinsames Ahrensburg. Ein Bürgervorsteher ist und muss da immer Berufsoptimist sein, denn nur so kommen wir voran.

Wenn Sie einen Wunsch an alle Kollegen in der Stadtverordnetenversammlung hätten: Welcher wäre das?

In meinem Büro hängt ein Bild mit einer Friedenspfeife, um die herum Verwaltung und die Parteien angeordnet sind – ein Geschenk eines Freundes. Es ist Symbol. Aber auch nicht nur ein Symbol. Denn ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverordnetenversammlung die nötige Gelassenheit zu Fair Play und Offenheit sowie sich immer wieder zu fragen: Machen wir die richtigen Dinge und machen wir die Dinge richtig? Der Bürgervorsteher wird das immer unterstützen, egal ob in geheimer oder offener Wahl wiedergewählt.