Reinfeld. Startschuss zum Bau der E-Highway-Teststrecke für Lkw. Bund zahlt nun 19 statt 14 Millionen Euro. Betriebsbeginn für Juni 2019 geplant.

Die Elektro-Autobahn in Stormarn wird doch länger als zuletzt angekündigt. Das Bundesumweltministerium stellt für den Bau der E-Highway-Teststrecke zwischen der A-1-Anschlussstelle Reinfeld und dem Kreuz Lübeck jetzt 19 statt 14 Millionen Euro bereit. Damit kann eine 10,2 Kilometer lange Oberleitungsanlage für Lastwagen gebaut werden. Die neuen Zahlen nannten Vertreter von Bund und Land beim offiziellen Baustart am Donnerstag.

Bei der Auftragsvergabe im März waren lediglich acht Kilometer vereinbart worden. „Das ist der Startschuss zu einer ganz anderen Form der energetischen Versorgung, möglicherweise zu einem europaweiten Systemwechsel“, sagte Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) bei der Projektpräsentation in der Autobahnmeisterei Bad Oldesloe. Endlich werde die Energiewende auch bei Großprojekten vorangetrieben. Der Verkehrssektor sei in Deutschland für ein Drittel aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.

Von Oktober bis Februar wird die rechte Fahrspur gesperrt

Landesverkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) zitierte eine Prognose, nach der der Güterverkehr in den nächsten Jahrzehnten um 40 Prozent zunehmen werde. „Jeder, der schon mal ein Paket bestellt hat, weiß, woran das liegt“, so Buchholz. Der Norden könne mit dem E-Highway zeigen, dass er Innovations-Vorreiter sei. „Wir bringen Wirtschaft und Klimaschutz zusammen“, sagte er.

Die Teststrecke im Norden Stormarns ist eine von dreien in Deutschland. Der Bund fördert ebenfalls den Umbau von Abschnitten auf der A 5 bei Frankfurt/Darmstadt und der B 462 im Murgtal (Baden-Württemberg). Die Feldversuche sollen unter realistischen Bedingungen zeigen, ob Stromleitungen für Lkw sinnvoll sind. „Wenn wir klassisch weitermachen, sind wir klimatechnisch auf dem Highway to Hell“, sagte Florian Pronold (SPD), Staatssekretär im Bundesumweltministerium, in Anspielung auf den AC/DC-Rockklassiker. „Oberleitungen könnten zum Highway to help werden.“

In den nächsten drei Monaten werden zunächst die Baufelder an der gut fünf Kilometer langen Strecke vom Autobahnanschluss Reinfeld bis zur Höhe des Fußballplatzes vom SV Hamberge eingerichtet. Im Oktober rücken dann die Arbeiter an. Voraussichtlich bis Februar werden in beiden Richtungen die rechte Fahrspur und der Standstreifen gesperrt, sodass für den Autoverkehr jeweils zwei Spuren bleiben. „Da es nicht die Hauptreisezeit ist, erwarten wir keine größeren Behinderungen“, sagt Jens Sommerburg, Leiter des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (LBV) in Lübeck.

Strom kommt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien

Etwa alle 60 Meter soll ein ungefähr zwölf Meter hoher Mast mit einem bis zu zwölf Meter langen Ausleger stehen. Die beiden Fahrdrähte hängen in 5,12 Metern Höhe über dem rechten Fahrstreifen. Der Netzanschluss ist direkt an der Reinfelder Abfahrt vorgesehen. „Der Strom kommt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien“, sagt Björn Lehmann-Matthaei, Geschäftsführer der Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH. Die Wissenschaftler begleiten den Test bis Ende 2021, werten ihn technologisch, ökologisch und wirtschaftlich aus.

Von März 2019 an sind erste Testfahrten vorgesehen. Nach Abnahme der Anlage soll der reguläre Betrieb am 1. Juni starten. Projektpartner ist die Reinfelder Spedition Bode, die 250 Mitarbeiter und 110 Zugmaschinen hat. Für die Firma sind die 25 Kilometer vom eigenen Logistikzentrum zum Lübecker Hafen eine Hauptstrecke. Auf der Route sollen künftig Hybrid-Lkw (haben sowohl Elektro- als auch Dieselmotor) täglich 30 bis 40 Fahrten zurücklegen. „Wie viele Spezialfahrzeuge wir einsetzen, wann sie kommen und wie sich die Kosten dafür aufteilen, steht noch nicht fest“, sagt Geschäftsführer Kai Bode. Die Elektrolastwagen sind mit etwa 250.000 Euro dreimal so teuer wie herkömmliche Zugmaschinen.

Per Knopfdruck können die Fahrer ihre Lastwagen-Fahrer mit den Stromabnehmern an der Oberleitung verbinden
Per Knopfdruck können die Fahrer ihre Lastwagen-Fahrer mit den Stromabnehmern an der Oberleitung verbinden

Auf Knopfdruck können die Lkw-Fahrer die Stromabnehmer ausfahren, die sich dann automatisch mit der Oberleitung verbinden. Die Lastwagen legen die fünf Kilometer lange Teststrecke lautlos mit Stromantrieb zurück, laden parallel ihre Batterien auf. Bestenfalls muss der Diesel für den Rest der Route zum und vom Hafen nicht zugeschaltet werden. Die Autobahn 1 zwischen Lübeck und Hamburg ist eine der meistgenutzten Lastwagen-Verkehrsachsen in Schleswig-Holstein. Täglich sind bei Reinfeld gut 9000 unterwegs. Die rechte Spur kann trotz Oberleitung weiterhin von allen Autofahrern wie gewohnt genutzt werden.

Was nach Versuchsende passiert, ist noch unklar

Nach Versuchsende sind je nach Ergebnis mehrere Möglichkeiten vom Abbau der Anlage bis zum Ausbau denkbar. „Eine Erweiterung des Systems in Richtung Hamburg (Hafen und Flughafen) wäre eine interessante Möglichkeit“, heißt es in der Projektbeschreibung.

Mit dem E-Highway bekommt der 1500-Einwohner-Ort Hamberge auch den seit drei Jahrzehnten zugesagten besseren Lärmschutz. Im Jahr 2021 soll ein fünf Meter hoher Wall mit oben aufgesetzter Wand stehen.