Ahrensburg. Landräte und Entsorger stellen bei Krisengipfel Maßnahmenplan vor. Verzögerungen haben zugenommen. Doch Besserung ist nicht in Sicht.
Die Müllabfuhr in Stormarn bekommt Unterstützung: Von nächster Woche an werden jeweils drei Fahrzeuge der Hamburger Stadtreinigung und der Entsorgungsbetriebe Lübeck im Kreis und dem benachbarten Herzogtum Lauenburg aushelfen. Auf diese Weise wollen die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) und die beiden Landräte Henning Görtz und Christoph Mager die angespannte Situation zumindest stabilisieren. Von einer möglichen Verbesserung wollte bei einem Krisengipfel in der AWSH-Geschäftsstelle in Elmenhorst/Lauenburg am Freitag aber noch niemand sprechen.
Wie berichtet, kommt es in Stormarn seit Wochen zu Verzögerungen bei der Leerung der Bio- und Restmülltonnen. Inzwischen ist die Verspätung laut AWSH im gesamten Kreisgebiet auf drei bis vier Werktage angestiegen, in Einzelfällen sind es sogar fünf und mehr Tage. Der Grund ist ein Fahrer-Mangel beim beauftragten Subunternehmen Grabau Entsorgung GmbH (GEG). Sie kann zurzeit nur noch 19 ihrer 25 Müllwagen mit Personal besetzen. Mehrere Mitarbeiter haben in den vergangenen Wochen die Firma aus Geesthacht verlassen, weil sie in Hamburg deutlich mehr Geld verdienen können.
Mitarbeiter bleiben nach Lohnzuschlag beim Entsorger
Der Aufsichtsrat der AWSH hat deshalb vor Kurzem beschlossen, einen Lohnzuschlag an das Subunternehmen zu geben, damit dieses seine Mitarbeiter besser bezahlen kann. Die Müllwagen-Fahrer erhalten demnach jetzt 2700 Euro brutto (vorher knapp 2500 Euro), die sogenannten Lader 2500 Euro (vorher 2260 Euro). Die Erhöhung der Löhne hatte laut AWSH-Geschäftsführer Dennis Kissel bereits einen positiven Effekt. „Einige Mitarbeiter haben ihre eingereichte Kündigung wieder zurückgezogen“, sagt er. „Zudem konnten drei zusätzliche Lader und zwei neue Fahrer eingestellt werden.“ Auch hätten sich direkt nach der Entscheidung eine Reihe von Mitarbeitern freiwillig bereiterklärt, am Sonnabend eine Sonderschicht zu fahren.
Soweit arbeitsrechtlich und belastungsmäßig möglich, soll es diese Extraschichten auch in Zukunft geben. Die Müllfahrer aus Lübeck und Hamburg werden an den Wochenenden allerdings nicht im Einsatz sein. Zudem rechnet die AWSH anfangs mit einer geringeren Arbeitsleistung der Helfer, weil sie die beiden Kreisgebiete noch nicht kennen. Auch die AWSH will weiter eigenes Personal, das im Besitz eines gültigen Lkw-Führerscheins ist, als Unterstützung für die Müllabfuhr einsetzen. Die Mitarbeiter sind bereits mit drei Leihfahrzeugen im Einsatz, bis Ende kommender Woche soll die Zahl auf vier bis fünf erhöht werden. Dadurch könnten allerdings andere Aufgaben der Abfallwirtschaft vorerst nicht mehr geleistet werden, sagt Kissel. So sollen bis September keine Tonnen mehr ausgetauscht werden.
Die Kosten für die Hilfe muss das Subunternehmen zahlen
Alle zusätzlichen Fahrzeuge werden laut AWSH in den normalen Tourenplan der GEG eingearbeitet. „Fakt ist: Die Lage ist bescheiden“, sagt Landrat Henning Görtz. Im besten Fall führten die Maßnahmen zu einer Stabilisierung der Lage. „Die Verspätungen werden wir damit aber noch nicht aufholen“, sagt er. „Damit werden wir noch einige Wochen leben müssen.“ Eine Prognose, wann sich die Abfuhr-Situation wieder normalisieren könnte, will derzeit keiner der Beteiligten abgeben. „Wir rechnen nicht damit, dass sich der Rückstand schnell verringern wird“, sagt Dennis Kissel zum Abendblatt.
Wie hoch die Kosten für die Unterstützung aus Hamburg und Lübeck sind, will der AWSH-Geschäftsführer aus Wettbewerbsgründen nicht sagen. „Da das alles Ersatzmaßnahmen für die Erfüllung des Vertrags sind, werden wir die Summe der GEG in Rechnung stellen“, sagt er. Der Vertrag mit dem Subunternehmen gilt noch bis Ende 2020. Über eine vorzeitige Kündigung wegen der aktuellen Probleme und der Vertragsverstöße sei bereits intensiv nachgedacht worden, sagt Kissel. Und die Option „Kündigung“ liege auch weiterhin auf dem Tisch. „Wir haben uns aber auf dem Markt umgeschaut“, sagt er. „Dort gibt es zurzeit keine Unternehmen, die die Abfallentsorgung in Stormarn und dem Herzogtum Lauenburg kurzfristig übernehmen könnten.“
Subunternehmen steht Recht auf Nachbesserung zu
Die Kapazitäten der Firmen seien schlichtweg erschöpft. Sie müssten sich laut Kissel erst neue Müllwagen anschaffen – und deren Lieferzeit liege aktuell bei neun bis zwölf Monaten. „Wir befinden uns in einer Zwickmühle“, sagt er. Angefangen habe die Misere im April. Damals waren laut Kissel 25 bis 30 Mitarbeiter der GEG wegen Influenza krankgeschrieben. Bei 75 Mitarbeitern insgesamt entspricht das einem Anteil von bis zu 40 Prozent. Kalkuliert wird laut Kissel aber nur mit einem Krankenstand von zehn bis 15 Prozent. Die verbliebenen Müllmänner hätten in der Zeit Sonderschichten geschoben, sodass der Rückstand Ende April wieder bei Null gelegen habe. Wegen Überlastung seien im Mai dann viele dieser Mitarbeiter ausgefallen, sagt Kissel. Etliche andere hätten sich eine besser bezahlte Stelle in Hamburg gesucht. Bei einer nur vierwöchigen Kündigungsfrist habe sich das schnell bemerkbar gemacht.
Doch warum haben die Verantwortlichen nicht früher gehandelt? Laut AWSH hätten die Verspätungen eine Zeit lang hingenommen werden müssen, „weil dem Subunternehmen ein Recht auf Nachbesserung zusteht“. Dass bereits mit der Vergabe an die Grabau Entsorgung GmbH vor vier Jahren Fehler gemacht wurden, weisen alle Beteiligten zurück. Kissel: „Wir sind an die Regeln des öffentlichen Vergaberechts gebunden, müssen uns für den wirtschaftlichsten Bieter entscheiden.“
Juristisch sei es auch nicht möglich, dem beauftragten Unternehmen eine bestimmte Lohnhöhe vorzuschreiben, die er seinen Mitarbeitern zahlen müsse. Über verschiedene Umwege habe man es damals geschafft, sich von der GEG einen Mindestlohn von 12,42 Euro garantieren zu lassen. Kissel: „Damit sind wir schon an die rechtliche Zulassungsgrenze gegangen.“