Bargteheide. Beim alternativen Wohnprojekt leben mehrere Familien in mobilen Mini-Häusern. Initiatoren stellen heute das Vorhaben der Politik vor.
Leif und Milena Schafschetzy sind erst vor drei Wochen mit ihren beiden Kindern in eine 63 Quadratmeter große Wohnung im Zentrum Bargteheides gezogen. Doch schon bald wollen sie sich räumlich deutlich verkleinern und nur noch auf 20 Quadratmetern leben. Die Familie möchte in ihrer neuen Heimatstadt eine Wohnsiedlung auf Rädern gründen – und sucht für das Pilotprojekt derzeit nach einem geeigneten Grundstück. Am heutigen Mittwoch stellt sie ihre Pläne dem Ausschuss für Umwelt, Klima und Energie in Bargteheide vor.
Die Idee: Auf dem im besten Fall mehrere Hektar großen Gelände wohnen Menschen unterschiedlicher Generationen in vier bis sechs sogenannten Tiny-Häusern. Das sind kleine, minimalistische Holzhäuser auf Rädern. Sie werden auf Anhängern gebaut und können dadurch leicht transportiert werden. Im Inneren bieten sie Dusche und Toilette, Aufbewahrungsmöglichkeiten, eine Sitzecke mit Tisch und eine Kochzeile – alles auf beengtem Raum. Praktisch jeder Zentimeter des Minihauses wird genutzt. Unter dem Dach befinden sich Schlafmöglichkeiten. Geheizt wird mit einem Holzofen. Die Kosten für ein Tiny-Haus betragen, je nach Ausstattung, 30.000 bis 80.000 Euro.
Das Wohnprojekt ist nicht für Aussteiger gedacht
„Es wird eine große Herausforderung, auf so wenig Quadratmetern mit der ganzen Familie zu leben“, sagt Leif Wulff-Schafschetzy. Bei einer viermonatigen Wohnmobiltour durch Europa haben die Vier schon mal getestet, ob das überhaupt funktionieren kann. „Wir müssen uns darauf besinnen, welche Dinge uns wirklich wichtig sind.“ Die Bastelsachen von Tochter Rosa (5) zum Beispiel, seine Kletterausrüstung und die Nagellack-Sammlung seiner Frau müssten auf jeden Fall mit. Für Deko-Artikel, Schnickschnack aus der Vergangenheit und Ähnliches sei dagegen im Tiny-Haus kein Platz mehr.
Auch Disziplin sei nötig. „Geschirr müssen wir immer sofort abwaschen, Laptop oder Spielsachen nach dem Benutzen wieder wegräumen“, sagt Milena Schafschetzy. Die Neu-Bargteheider wollen mit dem Wohnprojekt vor allem den Umweltschutz und das Leben in der Gemeinschaft fördern. Beide sind in Großfamilien aufgewachsen, haben in WGs gelebt und schätzen das Zusammenleben mit anderen Menschen. In der Siedlung wird zwar jede Familie ihren Rückzugsort haben, ansonsten soll aber viel zusammen gemacht werden. Die Kinder sollen sich zum Spielen treffen, die Erwachsenen gemeinsam kochen oder sich bei der Betreuung des Nachwuchses unterstützen. Für gemeinsame Aktivitäten soll es ein Gemeinschaftshaus geben. Vieles muss angesichts der Größe der Häuser geteilt werden: von Werkzeugen über Spielsachen bis hin zum Auto. Wenn es das Grundstück zulässt, wollen die Schafschetzys auch Obst und Gemüse anbauen und Tiere halten.
Wichtig: ökologischen Fußabdruck hinterlassen
„Uns ist es wichtig, einen guten ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen“, sagt der 39-Jährige. Umweltschutz habe ihnen schon immer viel bedeutet. Im Durchschnitt produziert jeder Deutsche nach Angaben der Europäischen Umweltagentur elf Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Jahr. „Bei den Bewohnern der Tiny-Häuser wird der Wert unter zwei liegen“, sagt er. „Allein schon, weil wir kaum heizen müssen.“ Der Familienvater möchte vor allem ein Vorbild für seine Kinder Rosa (5) und Pepe (2) sein. „In unserer Überflussgesellschaft wird verbraucht und dann einfach neu gekauft“, sagt er. „Wir wollen den Fokus darauf legen, wie viel Arbeit dahinter steckt.“
Milena Schafschetzys Schwester will mit ihrem Mann und ihren drei Kindern ebenfalls in die Wohnsiedlung ziehen. Die Initiatoren wollen die übrigen Bewohner erst auswählen, wenn die Stadt Bargteheide dem Projekt zugestimmt hat und ein geeignetes Grundstück gefunden wurde. Den Schafschetzys ist es wichtig, dass ihre künftigen Mitbewohner fest im Leben stehen und einen Beruf ausüben. „Wir sind kein Aussteiger-Projekt“, sagt Wulff-Schafschetzy. Er ist in Trittau aufgewachsen und liebt das Leben im Norden. Seine Frau und er studieren beide Psychologie und arbeiten im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg-Rahlstedt mit schwer erziehbaren Kindern. „Wir wollen nicht auf die Vorzüge des modernen Lebens verzichten“, sagt der Stormarner. Internet, Smartphones und Computer seien ihnen wichtig. „Davon wollen wir uns nicht lossagen.“
Im Sommer 2019 soll die Wohnsiedlung fertig sein
Zudem soll die Siedlung ganz normal an das Stromnetz und die Wasserversorgung angeschlossen werden. Es sei aber geplant, Solarzellen auf den Dächern zu installieren oder eine kleine Windkraftanlage aufzustellen. Denkbar seien auch Camping-Stellplätze für Reisende. „Wir möchten eine offene Wohnsiedlung sein“, sagt Milena Schafschetzy. Nachbarn seien jederzeit willkommen. Auch seien regelmäßige Flohmärkte geplant, auf denen die Bewohner nicht mehr benötigte Sachen verkaufen. In Süddeutschland gebe es bereits mehrere Projekte mit Tiny-Häusern, sagt Wulff-Schafschetzy. Einige hat er sich angeschaut, genauso wie andere Formen des Zusammenlebens.
Die Familie hofft, im Sommer 2019 in ihre alternative Wohnsiedlung umziehen zu können. Einer jedenfalls passt schon jetzt bestens zum neuen Tiny-Haus: Familienhund „Karl der Große“, ein winziger Chihuahua-Mischling.
Umweltausschuss Bargteheide Mi 23.5., 19 Uhr, Ratssaal, Rathausstraße 24-26