Bad Oldesloe. Der Kreis, 36 von 55 Kommunen und acht Bauunternehmen sind dabei. Jetzt beginnt die gezielte Suche nach Grundstücken.

Das Ziel sind Jahr für Jahr bis zu 500 neue, attraktive und vor allem günstige Wohnungen: Im Kreistagssaal in Bad Oldesloe haben Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik am Montagnachmittag das „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen“ besiegelt. Damit soll den unaufhaltsam steigenden Mieten begegnet werden. Laut Mietmonitoring der Investitionsbank Schleswig-Holstein lagen sie schon 2016 in Ahrensburg bei durchschnittlich 9,41 Euro kalt je Quadratmeter. Im Raum Wentorf/Glinde/Reinbek waren es genau neun Euro.

Laut Gutachtern fehlen in Stormarn jährlich sogar 1000 Wohnungen. „Wir brauchen Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen, vom Einzelhaus bis zum Geschosswohnungsbau“, sagte Landrat Henning Görtz. Das sei die „Kehrseite der hohen Standortqualität“. Man dürfe keine überzogenen Erwartungen haben, die Flächen seien weiterhin knapp. „Aber wir zeigen alle zusammen eine klare Haltung, stärken den Kommunen den Rücken für ihre Bauplanungen – auch gegen Partikularinteressen“, so Görtz. Auch kleineren Gemeinden werde geförderter Wohnungsbau ermöglicht, Projekte könnten deutlich schneller umgesetzt werden.

Breitner appelierte an die Kommunen, die Chance zu nutzen

Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), lobte den Vorstoß. Die VNW-Firmen bauten nicht, um hohe Gewinne zu erzielen, sondern um die Objekte lange zu halten. So liege die Durchschnittsmiete im Land bei 5,41 Euro. Auch Breitner appellierte an die Kommunen, die Chance zu nutzen: „Ohne klares Bekenntnis für den Neubau und entsprechende politische Beschlüsse kein Projekt – und das im Zweifel auch gegen die Meinung Einzelner, die mit Wohnraum versorgt sind.“

Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach (r.) reicht den Stift zum Unterzeichnen an Jörg Lembke (Bad Oldesloe) und Birte Kruse-Gobrecht (Bargteheide) weiter
Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach (r.) reicht den Stift zum Unterzeichnen an Jörg Lembke (Bad Oldesloe) und Birte Kruse-Gobrecht (Bargteheide) weiter © HA | Harald Klix

Ähnlich urteilte Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller, Sprecher der Stormarner Gemeinden: „Wir müssen auch in der Nachbarschaft vermitteln, dass Wohnungsbau wichtig ist.“ Junge Leute, die noch nicht so viel verdienten, sollten im Ort gehalten werden, beispielsweise auch für die Feuerwehr. Und für Erzieherinnen könnte eine günstige Bleibe ein wichtiges Argument sein, eine Stelle anzunehmen.

Ein Beispiel nannte Glindes Bürgermeister Rainhard Zug, Sprecher der Stormarner Städte. Vier Jahre lang habe die Planung am Gleisdreieck-Projekt der Firma Semmelhaack mit 120 Wohnungen gedauert: „Politik und Nachbarn sind häufig schwer zu überzeugen.“ Deshalb sei das Bündnis mit einem Marathon zu vergleichen, bei dem man die Hälfte geschafft habe.

Warum fehlen ausgerechnet im
Kreis Stormarn so viele Wohnungen?

Im Unterschied zu anderen Landesteilen steigt die Einwohnerzahl deutlich, da viele Menschen in den wirtschaftsstarken Kreis zwischen Hamburg und Lübeck ziehen. Im Vorjahr lebten hier rund 242.000 Menschen. Fünf Jahre zuvor waren es 231.000, zehn Jahre zuvor erst 225.000. Hinzu kommt die steigende Zahl von Single-Haushalten sowohl bei Jüngeren als auch bei den über 60-Jährigen.


Wer macht jetzt beim Bündnis für
bezahlbares Wohnen mit?

Die Federführung liegt beim Kreis, der eine Geschäftsstelle einrichtet. In 36 von 55 Orten stimmten die Kommunalparlamente zu, darunter die Städte Ahrensburg (33.100 Einwohner), Reinbek (27.300), Bad Oldesloe (24.900), Glinde (18.300), Bargteheide (16.100) und Reinfeld (9000). Von den größeren Gemeinden sind Barsbüttel (12.600), Ammersbek (9700) und Trittau (8900) dabei, während es in Großhansdorf (9400) und Oststeinbek (8900) keine politische Mehrheit gab. Weitere Unterzeichner: Badendorf, Bargfeld-Stegen, Barnitz, Braak, Brunsbek, Delingsdorf, Elmenhorst, Grönwohld, Großensee, Hamberge, Heidekamp, Hammoor, Hoisdorf, Jersbek, Klein Wesenberg, Lasbek, Lütjensee, Meddewade, Pölitz, Rethwisch, Rümpel, Siek, Tangstedt, Travenbrück, Tremsbüttel, Wesenberg und Westerau.

Auf Investorenseite machen der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Nord (BFW) sowie acht Bauunternehmen mit: die fünf Genossenschaften Neue Lübecker, Walddörfer, Bergedorf-Bille, Wohnstätten Bad Oldesloe und Sachsenwald sowie die Firmen Semmelhaack, Plambeck und Frank-Beteiligungsgesellschaft.


Wie soll die Kooperation künftig in
der Praxis funktionieren?

Die Kommunen melden mögliche Baugrundstücke bei der Geschäftsstelle beim Kreis Stormarn. Auf einem Datenblatt werden unter anderem Grundstücksgröße, Mindestpreis und gewünschte Zielgruppen erfasst. Der Kreis leitet die Informationen an die Partner aus der Wirtschaft weiter, die ihre Konzepte und Gebote einreichen können.


Was versprechen die beteiligten
Bauunternehmen dem Kreis?

Die acht Kooperationspartner wollen jährlich bis zu 80 Millionen Euro investieren. Davon könnten bis zu 500 bezahlbare Wohnungen entstehen. Oberste Priorität haben Mietwohnungen.


Wie viel Sozialwohnungen gibt
es überhaupt noch?

Landesweit gab es mal rund 200.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Im Vorjahr sank die Zahl von gut 49.000 auf rund 47.500. Das liegt daran, dass Wohnungen aus der Förderung herausfallen, wenn die vorgeschriebene Sozialbindung abläuft. In den meisten Fällen sind das 35 Jahre. Im Kreis Stormarn gab’s Ende 2016 noch knapp 2000 Sozialwohnungen. Im etwas bevölkerungsstärkeren Nachbarkreis Segeberg (270.000 Einwohner) waren es fast dreimal so viele. In Stormarn läuft die Zweckbindung für zwei Drittel der geförderten Wohnungen bis 2030 aus.