Ahrensburg. Mikroplastik kommt über Dünger auf Äcker, ins Grundwasser und ins Meer. Entsorgungsbetriebe im Norden tarten Kampagne „#wirfuerbio“

Rund fünf Millionen Plastiktüten landen im Gebiet der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) jährlich in Biotonnen. Bei 105.000 braunen Behältern, die an den Häusern und Wohnungen in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg stehen, sind das im Schnitt zwei Tüten bei jeder Leerung.

In der Biovergärungsanlage in Trittau zerfallen die Tüten in Mikroplastik, gelangen in den Qualitätsdünger. „Mikroplastik landet so auf den Beeten und Äckern, wird ins Grundwasser gespült, gelangt ins Meer und damit unweigerlich in unserer Nahrungskette“, sagt Dennis Kissel, Geschäftsführer der AWSH.

Auch sogenannte Bio-Tüten lassen sich nicht zersetzen

Um die alarmierende Entwicklung zu stoppen, haben Entsorger in ganz Schleswig-Holstein sowie in Hamburg , Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern jetzt die Aufklärungskampagne „#wirfuerbio“ gestartet. Diese richtet sich auch klar gegen die sogenannten kompostierbaren Kunststoffbeutel. „Die geben den Verbrauchern vielleicht ein gutes Gewissen, können aber in der Anlage nicht zersetzt werden“, sagt Kissel.

Denn laut Norm dauert das beim Bioplastik mindestens 90 Tage. In der modernen Biovergärungsanlage im Abfallwirtschaftszentrum Trittau (AWT) vergeht aber nur eine Woche, bis sich der Grünabfall in Kompost verwandelt. Quasi nebenbei wird mit dem Biogas Strom und Wärme erzeugt. Täglich laden dort durchschnittlich 25 Müllwagen ihre im AWSH-Gebiet eingesammelte Fracht ab. Im Jahr sind das rund 38.000 Tonnen.

Tausende Kunden werfen ihren Bioabfall aber in Plastiktüten in die braune Tonne. Dort landen auch andere unerwünschte Dinge – von Gartenscheren über Kartoffelschäler bis zu Brotschneidemaschinen und Gartenzwergen. „Während wir beispielsweise Metalle über Magneten herausziehen können, sind wir mit der Technik bei den Folien am Ende“, sagt AWT-Geschäftsführer Wolfram Gelpke.

Die Plastiktüten zerfusseln, die Kleinteile kommen so auch in den Qualitätsdünger. 25.000 Tonnen liefert das Trittauer Werk jährlich, den Großteil davon an Landwirte. Für sie ist der Kompost eine gute Alternative zum Kunstdünger. Mit Plakaten („Finger weg von Plastiktüten“, „Kein’ Bock auf Plastik im Biomüll“), Radiospots und Aufklebern rufen die Initiatoren der Kampagne dazu auf, keine Fremdstoffe mehr in die braune Tonne zu werfen. Die Schirmherrschaft hat Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) übernommen.

Die AWSH verteilt auf ihren Recyclinghöfen in Ahrensburg, Bad Oldesloe, Bargteheide, Reinbek, Reinfeld, Stapelfeld und Trittau hellbraune Papiertüten. „Küchenabfälle können außerdem in Zeitungspapier eingewickelt werden, damit kommt unsere Anlage seit Jahren gut zurecht“, sagt Wolfram Gelpke. Noch sind lediglich 16 Prozent aller mit eingeworfenen Tüten aus Papier, der große Rest ist aus Plastik.

Recyclinghöfe verkaufen Sortierbehälter für 3,50 Euro

Für 3,50 Euro gibt es auf den Recyclinghöfen außerdem braune Vorsortiergefäße für Küchenabfälle, die zehn Liter fassen. „Das macht sich im Vergleich schnell bezahlt“, sagt Dennis Kissel. Ein Zehnerpack der sogenannten Bioabfallbeutel koste zwischen zwei und vier Euro. Wer absolut nicht auf Plastiktüten verzichten will, sollte nur den Inhalt in die braune Tonne schütten und die Tüte in den Restmüll werfen.

Bei den Herstellern von Bioplastik kommt die Initiative der Entsorgungsbetriebe vermutlich gar nicht gut an. „Es gab im Streit um biologisch abbaubare Plastiktüten bereits eine durch BASF unterstützte Schadenersatzklage gegen die Deutsche Umwelthilfe über mehr als 2,7 Millionen Euro“, sagt Dennis Kissel. Nachdem das Oberlandesgericht Köln der Verbraucherschutzorganisation Recht gegeben hatte, wies der Bundesgerichtshof eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Januar ab.

Weitere Informationen: wirfuerbio.de, www.awsh.de, Servicetelefon 0800/297 40 01