Bad Oldesloe. Vor allem Jugendliche nutzen Handys intensiv. Medienpädagogin Olivia Förster gibt Eltern Tipps: Interesse zeigen – und Vorbild sein.

Posten, liken, kommentieren – die sogenannten sozialen Medien gehören für Kinder und Jugendliche längst zum Alltag. Doch welche Gefahren sind mit exzessiver Smartphone-Nutzung verbunden? Eine Studie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigt, dass in Deutschland 2,6 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen Anzeichen einer Social-Media-Sucht aufweisen. Das kann laut Studie zu gesundheitlichen Problemen führen und Depressionen begünstigen.

Um besorgten Eltern eine Anlaufstelle zu bieten, haben Experten des UKE und der Krankenkasse für einen Vormittag eine kostenlose Telefonhotline eingerichtet. „Sie wurde sehr gut angenommen“, sagt André Bargmann, Leiter des Ahrensburger Servicezentrums der DAK-Gesundheit. „Den meisten Eltern ging es vor allen Dingen um eine Einschätzung des Verhaltens ihrer Kinder, weniger um konkrete Süchte.“ So hätten viele nach Warnsignalen und Tipps gefragt, wie einer übermäßigen Social-Media-Nutzung entgegengewirkt werden könnte.

Es gibt unterschiedliche Richtlinien

Die Bedenken der Eltern kennt auch Olivia Förster vom Kreisjugendring Stormarn. Neben der Arbeit mit Jugendlichen organisiert der Verband auch medienpädagogische Elternabende. Die häufigste Frage, die an einem solchen Abend gestellt wird? „Wie ist das mit den Regeln? Das ist ein Thema, was von den Eltern immer angesprochen wird“, sagt Förster. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist jedoch nicht leicht. „Da gibt es ganz unterschiedliche Richtlinien“, so die Medienpädagogin. Es sei vor allem wichtig, einen Ausgleich zu schaffen. Rausgehen, Freunde treffen, Sport treiben, Hobbys nachgehen – solche Beschäftigungen müssten ebenfalls in einem ausgewogenen Verhältnis ausgeübt werden. Regeln zu Nutzungszeiten seien jedoch insofern wichtig, „dass Kinder von Anfang an lernen sollten, nicht permanent verfügbar zu sein“.

Hier gibt es Hilfe

Medienseminare für Jugendliche und Elternabende: www.kjr-stormarn.de

Suchtberatung: www.therapiehilfe.de

Elterntelefon: www.nummergegenkummer.de/elterntelefon.html

Tipps zu Internet- und Handyabhängigkeit: www.klicksafe.de

Online sein mit Maß und Spaß: ins-netz-gehen.de

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Von Verboten hält die Medienpädagogin hingegen wenig: „Ich glaube nicht, dass Verbote helfen. Kinder sind neugierig und haben das Bedürfnis, sich die Welt anzueignen.“ Und: „Was verboten ist, ist umso spannender.“ Für sie sei deshalb der Dialog das Wichtigste. Eltern sollten mit ihren Kindern über die Inhalte, die diese konsumieren, sprechen und sie zum Beispiel auch über potenzielle Gefahren im Netz aufklären. „Das sind mächtige kleine Geräte in den Schulranzen und der Umgang damit muss von Anfang an begleitet werden.“

Kommunikationsbedürfnis ist gleich geblieben

Zudem sei es wichtig, Interesse für die Online-Aktivitäten der Kinder zu zeigen, sagt Förster. „Eltern müssen nicht alles toll finden, aber sie sollten wertschätzen, dass es für die Jugendlichen wichtig ist.“ Davon zu erzählen, wie es früher war, sei kontraproduktiv. Vor allem, da sich das Kommunikationsbedürfnis über die Jahre nicht verändert habe. „Hätten wir WhatsApp gehabt, hätten wir uns da ähnlich verhalten“, gibt die 39-Jährige zu Bedenken. „Heute ist nicht alles anders. Die Technologie ist eine andere.“ Eine Einschätzung, die auch die Suchtexperten der Hotline zur Social-Media-Sucht teilen: „Indem Eltern zeigen, dass die ,Alten’ eben doch ein bisschen Ahnung von der Technik der ,Jungen’ haben, wird die Distanz verringert.“ So können sich Eltern und Kinder „auf Augenhöhe“ begegnen, sagt Förster.

Die Frage, ab wann ein ausgeprägtes Nutzungsverhalten als Sucht gilt, lässt sich zwar nicht eindeutig bestimmen, dennoch gibt es laut der Suchtexperten bestimmte Symptome, die darauf hindeuten und die sich „nicht wesentlich von denen anderer Süchte unterscheiden“. So könnten auch bei einer Social-Media-Sucht Entzugserscheinungen wie innere Unruhe, Schlafstörungen, Gereiztheit oder Aggressivität auftreten. „Im Verlauf einer solchen Sucht können die Kinder und Jugendlichen die Dauer von Chats und dergleichen nur noch schlecht oder sogar gar nicht mehr kontrollieren“, erklären die Suchtexperten von der DAK. Übermüdung oder das Vernachlässigen von anderen, „realen“ sozialen Aktivitäten sowie Leistungseinbrüche in der Schule könnten als Alarmsignale gedeutet werden.

Exzessive Jugend-Phasen können vorbeigehen

Ein Präventionsansatz sei, „die virtuelle Bestätigung ins echte Leben zu holen“, sagt Olivia Förster vom Kreisjugendring. „Im Jugendalter ist der Wunsch nach Bestätigung ein Teil der Entwicklung.“ Soziale Medien seien deshalb so attraktiv, weil sie Bestätigung „schwarz auf weiß zählbar machen“. Bekommen Kinder keine Anerkennung im echten Leben, werden „virtuelle Welten attraktiver“ und somit die Gefahr größer, süchtig nach „Likes“ zu werden, so Förster. Grundsätzlich sei eine ausgeprägte Social-Media-Nutzung jedoch noch keine Sucht, sagen die Experten von DAK und UKE. Und auch Förster weist darauf hin: „Es gibt in der Jugend Phasen, in denen viele Dinge exzessiv betrieben werden.“ So eine Phase könne jedoch auch wieder vorbeigehen und sei deshalb nicht automatisch als Sucht zu werten.

Um den Gefahren einer Abhängigkeit vorzubeugen, sollten Eltern neben der rechtzeitigen Aufklärung und einer ausgleichenden Freizeitgestaltung vor allem eins: Vorbilder sein. „Kinder lernen die Mediennutzung ja von den Erwachsenen“, gibt Förster zu Bedenken. Wenn Eltern selbst ständig am Handy klebten, sei es schwierig, die Kinder davon wegzubekommen. Die Pädagogin glaubt: „Kinder lernen mehr von dem Verhalten der Eltern als von Regeln.“ Sie schlägt daher gemeinsame Familienregeln für die Dauer der Smartphone-Nutzung vor: „Das gibt den Kindern eine ganz andere Motivation, wenn sie aufpassen, dass ihre Eltern die Regeln auch einhalten.“ Schließlich „fällt es uns allen schwer, die Smartphone-Nutzung in einem gesunden Maß zu halten“.