Tangstedt/Norderstedt. Der Naturschutzbund errichtet Fangzäune an Straßen im Tangstedter Forst, um die Amphibien vor Straßenverkehr zu schützen.
Wer ein Herz für die Natur hat, steht gerne früher auf. Anke Bruhn kennt das nicht anders. Sie zeigt auf die Kiste in ihrem Kofferraum. „Von vorletzter Nacht.“ Dutzende Amphibien – die meisten Erdkröten, aber auch Teich- und Moorfrösche oder manchmal Molche – tummeln sich dort. Alle sind quicklebendig, sie werden bald wieder ausgesetzt. Es ist nur der Anfang einer konzertierten Rettungsaktion, die der Naturschutzbund (Nabu) Norderstedt immer zur Frühjahrszeit im Tangstedter Forst durchführt.
Die Tiere achten nicht auf den Verkehr
Denn die kleinen Geschöpfe leben extrem gefährlich. Sobald der Bodenfrost abgetaut ist, wachen sie aus ihrem Winterschlaf auf – und gehen auf Partnersuche. „Es geht hier los wie aus dem Nichts, wenn es über fünf Grad plus sind. Und besonders, wenn es regnet.“ Das Problem hierbei: Die Fortpflanzung findet nicht auf dem Waldboden statt, sondern im flachen Wasser, wo die Weibchen mehrere Tausend Eier legen. In diesem Fall bedeutet das: Es muss der Glashütter Weg, also die zentrale Straße im Forst, überquert werden. Liebe macht aber eben nun einmal blind, also achten die Tiere nicht auf den Verkehr. Ein Aufeinandertreffen ist tödlich. Selbst wenn eine Kröte nicht überfahren wird, so genügt schon der Unterdruck, damit die inneren Organe regelrecht zerplatzen. Ein qualvolles Ende.
Der Nabu will das so weit wie möglich verhindern, um die Arten in der Gegend zu erhalten. Entscheidend dafür sind die türkisfarbenen Fangzäune entlang des Glashütter Wegs. Auf 600 Metern Länge wurden diese von den Helfern befestigt, anschließend Eimer in Löcher gesetzt, damit die wandernden Amphibien dort hineinplumpsen und in Sicherheit sind. Beteiligt waren nicht nur die Aktiven des Nabu, sondern auch Nachbarn, Freunde und Betriebshofmitarbeiter der Gemeinde Tangstedt.
Jede Kröte, jeder Frosch oder Molch wird dokumentiert, gezählt und klassifiziert. „Manchmal ist alle zehn Minuten ein Eimer halb voll“, sagt Anke Bruhn. Voller sollten die Behälter nicht sein, sonst klettern die Tiere wieder hinaus. Zum Rundum-Service gehört auch, dass die Nabu-Helfer den Transport zu den nahen Laichgewässern übernehmen.
Auch in Heidkaten wandern die Amphibien
Seit fünf Jahren läuft der Großeinsatz in dieser Form ab, die Organisation klappt reibungslos. Anke Bruhn gehört zu denjenigen Ehrenamtlichen, die sich dazu bereit erklärten, das Engagement zu erhöhen. „Ich hatte mich damals gefragt, warum hier überall tote Amphibien auf der Straße sind. An drei verschiedenen Stellen waren Zaunstücke, aber das brachte nichts.“
Verluste gibt es allerdings auch heute noch. 2017 starben am Glashütter Weg 2500 Tiere. „2500 zu viel“, betont Bruhn. 5500 wurden dafür gerettet. „Und wir haben gemerkt, dass immer mehr Gras- und Moorfroschbabys durchkommen.“ Und weil diese gefährdet sind, darf das durchaus als Erfolg verbucht werden.
Eine Untertunnelung würde den Tieren helfen
Bleibt die Frage, was Autofahrer tun können, um (Kröten-)Leben zu retten. „Die Straße nicht nutzen“, sagt Anke Bruhn. „Tote kann man nicht verhindern, solange es keine Untertunnelung gibt oder der Glashütter Weg gesperrt ist.“ Zumindest 2018 wird das noch nicht geschehen. Übrigens: Wer sich aufgrund der nahenden Minusgrade Sorgen macht um die Kröten, hat deren Anpassungsfähigkeit unterschätzt. Bruhn klärt auf. „Wenn es noch einmal friert und die Gewässer gefroren sind, dann buddeln sie sich wieder ein.“